Wochenblatt: Frau Labonte, alle reden vom CO2-Fußabdruck. Was hat es damit auf sich?
Der CO2-Fußabdruck zeigt, wie klimaschädlich beispielsweise eine einzelne Person, ein Unternehmen oder ein Produkt ist. Bei der Berechnung für ein Produkt werden dann alle Treibhausgas-Emissionen entlang der Produktionskette aufaddiert.
Caroline Labonte: Das klingt ziemlich aufwendig. Heißt das, dass es ein rein theoretisches Rechenverfahren ist?
Der Fußabdruck wird berechnet. Hier gibt es drei Wege: Es können Standardwerte, individuell berechnete Werte oder eine Kombination aus beiden genutzt werden.
Woher stammen individuelle und Standardwerte?
In unserer globalisierten Welt werden viele Produkte eingesetzt, die bisher keinen aufgedruckten CO2-Fußabdruck haben. Dann kann auf die Werte der Datenbank (ecoinvent) zurückgegriffen werden. Die Standardwerte für einzelne Vorprodukte in der Produktionskette wurden mithilfe von Einzelprojekten berechnet, werden in dieser großen Datenbank gesammelt und bei neuen Erkenntnissen ergänzt. Die Emissionen entlang der gesamten Produktionskette lassen sich nämlich schwer messen, da sie an verschiedenen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten und in vielen Fällen nur unter enormem Aufwand gemessen werden können.
Treibhausgas ist nicht gleich Treibhausgas. Wie bildet man da eine Summe?
Die Summe der Emissionen wird in kg CO2-Äquivalenten pro Produkteinheit festgehalten. Das erleichtert den Vergleich zwischen Betrieben, aber auch zwischen verschiedenen Produktionsweisen. Generell werden alle Treibhausgase in der Berechnung mithilfe von Faktoren, dem Global Warming Potential (GWP) umgerechnet. Im Endeffekt wird dann ein Wert in CO2-Äquivalent (CO2äq) ausgewiesen.
Das heißt, alle Gase werden in ihrer Wirkung in CO2 umgerechnet?
Ganz genau. International hat man sich darauf verständigt, alle Gase, die bei chemischen und natürlichen Prozessen entstehen, nach ihrer Klimawirkung zu bewerten. So wurde für Methan beispielsweise ein Wert mit 25 CO2äq festgelegt. Das bedeutet, dass ein 1 kg Methan innerhalb der ersten 100 Jahre nach Freisetzung 25-mal so stark zum Treibhauseffekt beiträgt wie 1 kg CO2. Der CO2-Fußabdruck berücksichtigt also neben Kohlendioxid auch Methan und Lachgas. In der Landwirtschaft haben Methan und Lachgas oft eine größere Bedeutung als CO2.
Wie aussagekräftig sind diese berechneten Werte?
Es ist lediglich ein Wert, der den Vergleich und die Klimaschädigung berücksichtigt. Verschiedene Produkte sind mit einem solchen System sehr gut zu vergleichen. Diese müssen aber mit denselben Berechnungen wie auch Standardwerten gerechnet werden, ansonsten sind diese Werte nicht vergleichbar.
Schauen wir uns mal den CO2- Fußabdruck von Weizen an. Wie sähe dieser aus?
Hier müssen wir vom Anbau bis zur Ernte alle Schritte betrachten. Der Betriebsleiter muss zum Beispiel die entsprechenden Mengen Diesel, Düngemittel sowie Strom erfassen und mit den in der Literatur oder den Datenbanken vorhandenen Emissionsfaktoren multiplizieren. So erhält er die Klimawirkung seiner eigenen Produktion. Er muss jedoch beachten, dass er auch die Emissionen mit einberechnet, die beispielsweise bei der Herstellung der Düngemittel entstanden sind. Alle Inputs zusammenaddiert und durch den Ernteertrag geteilt, ergeben dann den CO2-Fußabdruck für eine Dezitonne Weizen.
Wie hoch ist der CO2-Fußabdruck einer Dezitonne Weizen im Durchschnitt und wie hoch ist das Einsparpotenzial?
Im Mittel liegt der CO2-Fußabdruck pro Dezitonne Weizen bei 20 kg CO2äq. Prozentuale Einsparung sind auf jeden Fall weiterhin noch möglich. Realistisch wären vermutlich noch weitere 10 %.Vor allem die effizienten Betriebe können allerdings so große Einsparungen nicht mehr leisten. Vermutlich sind aber noch 5 bis 10 % – je nach Betrieb – als Einsparungspotenzial übrig.
Wie sieht die CO2-Fußabdruck-Berechnung für einen gesamten Betrieb aus?
Die Berechnung für den gesamten Betrieb ist etwas komplizierter. Dafür müssen erst einmal alle Produkte separat berechnet werden, um die einzelnen CO2-Fußabdrücke zu kennen. Alle Treibhausgas- Emissionen aus den vorgelagerten Produktionsketten müssen ebenso berücksichtigt werden. Da dies bei unterschiedlichen Betrieben zu sehr unterschiedlichen Werten kommt, fällt es schwer, eine Bewertung vorzunehmen.
Heißt das im Umkehrschluss, dass der CO2-Fußabdruck für einen Betrieb Unsinn ist?
Entscheidender ist doch, dass der Betrieb für sich selbst erfassen kann, was er besser machen kann und so seinen Anteil an der Produktionskette optimiert. Das lässt sich viel besser anhand der einzelnen Produkte erkennen und optimieren. Viele betriebseigene Produkte können aber natürlich auch berücksichtigt und eingerechnet werden. Je detaillierter die Berechnungen, desto besser lassen sich Verbesserungsansätze finden.
Was liegt nun in der Macht der Landwirte, was nicht?
Den größten Einfluss können Landwirte durch ihre Produktionseffizienz nehmen. Sprich, wie viel Input brauchen wir für wie viel Output. Durch produktionstechnische Ansatzpunkte können wir viel optimieren. Trotzdem bleiben aber Einflussfaktoren, auf die wir nicht einwirken können. So hat die Witterung zum Beispiel große Auswirkungen auf die Erträge im Pflanzenbau. Durch die Art der Berechnung des CO2-Fußabdruckes ist der Ertrag entscheidend. Verwenden wir den gleichen Input, kann es trotzdem sein, dass wir witterungsbedingt einmal 70 dt und einmal 80 dt ernten. Der CO2-Fußabdruck verändert sich dabei enorm.
Die Landwirtschaft ist auch CO2-Speicher. Wird das in der Berechnung berücksichtigt?
Genau, eine Besonderheit der Landwirtschaft ist die Möglichkeit der Kohlenstoffspeicherung in Form von Humus im Boden. Auch dies wird hier berücksichtigt und eingerechnet. Wenn das Stroh nicht abgefahren wird, haben wir eine Zunahme vom Humus im Boden und eine Speicherung von Kohlenstoff im Boden.
Es wird viel über Biokraftstoffe diskutiert. Die einen sagen „Das ist die Lösung“, die anderen sagen „Die sind auch nicht besser“. Wie verhält es sich damit?
Bei den Berechnungen ist es das Ziel, einen Vergleichswert zu den fossilen Brennstoffen zu berechnen und damit das Treibhausgas- Minderungspotenzial auszuweisen. Wenn man Biokraftstoffe einsetzt, verbraucht man zwar nicht direkt fossile Brennstoffe, aber man emittiert natürlich auch CO2 bei der Herstellung. Also auch für die Herstellung von Biokraftstoffen benötigt man zum Beispiel Diesel für den Schlepper, um die Felder zu bestellen.
Das bedeutet, so ein Vergleich ist gar nicht so sinnvoll?
Wenn der allgemeine Standard sowieso schlecht ist, dann fallen auch prozentuale Einsparungen immer leicht. Daher sollte man immer nachfragen „Prozent von was?“ und sich eher auf die absoluten Werte konzentrieren. Ich empfehle: Erst bei den umsetzbaren Maßnahmen ansetzen und nicht ein fiktives Ziel vorgeben.
Man muss aufpassen, dass man sich nicht Ziele setzt, die eigentlich unerreichbar sind. Wir sollten daher weniger auf ein „besser“ oder „schlechter“ gucken, sondern was gibt es noch für betriebsindividuelle Potenziale, die bisher noch nicht ausgenutzt wurden? Die Stärken und Schwächen sind den meisten Betrieben schon bekannt. Klimaschutz kann daher ganz einfach sein, wenn man denn weiß, worum es geht. Und das kann man nur, wenn man seine Zahlen der Klimabilanz und die Maßnahmen kennt.