Ruckwied: Bauern sind bereit für Veränderungen
Klopapier und Baumaterialien seien in der Corona-Krise teilweise knapp, Lebensmittel nicht. Deshalb richtete Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), seinen Dank beim digitalen Deutschen Bauerntag am vergangenen Mittwoch zuerst an die Bäuerinnen und Bauern. Landwirte seien ein Garant für die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln. Und das sorge für gesellschaftlichen Frieden und politische Ruhe.
Deshalb wiederholte Rukwied die Forderung, dass Ernährungssicherung und Klimaschutz ins Grundgesetz müssen. Das fordert er von der neuen Bundesregierung. Und sieht sich dabei durch den aktuellen Bericht des Weltklimarates, der noch mehr Hungerleid durch den Klimawandel prognostiziert, bestätigt.
Der aktuellen Regierung stellte der DBV-Präsident ein durchwachsenes Zeugnis aus. Insgesamt habe er sich mehr Mut und Entscheidungsfreude bei landwirtschaftlichen Themen gewünscht. Positiv nannte Rukwied beispielsweise das Investitions-Zukunftsprogramm oder die Wald-Förderprogramme. Schlecht seien hingegen beispielsweise die politischen Beschlüsse zum Aktionsprogramm Insektenschutz sowie „das fehlende politische Ja“ zum Borchert-Plan. Während der DBV-Präsident für Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) oft noch anerkennende Worte fand, bezeichnete er die SPD als Verhinderungs- und Blockadepartei. Landwirte seien zu Veränderungen bereit, forderten im Gegenzug aber Planungssicherheit und eine ausreichende Honorierung.
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Einen Kommentar zum Bauerntag lesen Sie hier:
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An die Verarbeiter sowie den Lebensmitteleinzelhandel appellierte der DBV-Präsident, dass es neue Partnerschaften im Markt brauche. Wertschöpfung müsse bei allen in der Kette ankommen, auch bei den Erzeugern. Das sei allerdings eine „Herkulesaufgabe“, die neu geschaffene Koordinationszentrale, bei der Erzeuger, Verarbeiter und Handel an einem Tisch sitzen, stimme ihn aber hoffnungsvoll.
Nach innen gerichtet, zeigte Rukwied Verständnis, wenn einige Mitglieder fragen würden: „Was tut der DBV eigentlich?“ Als Erfolg des Verbandes bezeichnete der Präsident, dass im vergangenen Jahr zu Beginn der Corona-Pandemie trotzdem rund 40 000 Saisonarbeitskräfte nach Deutschland einreisen und die Betriebe unterstützen durften. Und der DBV habe die Auflagen zu Düngeverordnung sowie Insektenschutz noch entschärfen können. Rukwied verdeutlichte aber, dass Kompromisse immer Gegebenheiten sowie Mehrheiten geschuldet seien.
Er bekräftigte nochmals, dass der DBV jünger und weiblicher werden müsse. „Wir müssen unsere Arbeit interessanter machen. Damit junge Menschen sagen: Da möchte ich mitmachen!“, sagte Rukwied. Einen Schlüssel dafür sieht er in digitalen Angeboten und einer klaren Kommunikation in die Mitgliedschaft.
Merkel: Bleiben Sie im Dialog mit der Gesellschaft
Zum Ende ihrer Amtszeit verdeutlichte Bundeskanzlerin Angela Merkel, wo sie bei der Agrarpolitik mitgeredet hat. Und war sichtlich um Ausgleich bemüht. „Ich nehme sehr ernst, wenn viele Landwirte klagen, dass sie nicht wissen, wie sie den hohen Erwartungen gerecht werden und zugleich im Wettbewerb bestehen können. Wir müssen sehen, dass auch die Gesellschaft Verantwortung trägt, in dem jeder und jede einzelne überprüft, ob das eigene Konsumverhalten den eigenen Erwartungen entspricht“, stellte sie klar.
Trotzdem nutzte Merkel den Bauerntag auch für ein Plädoyer zur Veränderung. Die Unterstützung der Gesellschaft, auch die finanzielle, gegenüber der Landwirtschaft stehe für sie außer Frage. Doch das schließe auch die Bereitschaft zur Veränderung ein. „Wir dürfen nicht so weitermachen wie bisher und müssen unsere Wirtschafts- und Lebensweisen ändern“, forderte Merkel auf. Das schließe auch die Landwirtschaft mit ein.
Als übergeordnete Herausforderung nannte die Regierungschefin den Klimawandel. Sie lobte den Kompromiss für das neue Klimaschutzgesetz, das der Bundestag vergangene Woche beschlossen hat als „tragfähig für die Land- und Forstwirtschaft“.
Auch zum Thema Tierhaltung stellte Merkel die gesellschaftliche Akzeptanz in den Mittelpunkt. Sie stellte sich hinter die Vorarbeiten der Borchert-Kommission zum Umbau der Tierhaltung. Um diesen umzusetzen, brauche es „rechtssichere, praktikable und politisch vermittelbare Lösungen“.
Zum Insektenschutz wendete Merkel ein, dass sie dazu persönlich viele Gespräche geführt habe. „Ich weiß dabei um die Emotionalität“, betonte sie. Auch hier verteidigte sie den nun gefundenen Kompromiss, nach dem bestehende Länderregelungen zum Naturschutz fortgeführt werden können und zusätzliche Mittel zur Förderung und zum Ausgleich von Einschnitten bei der Bewirtschaftung mobilisiert wurden. Ihr sei bewusst, wie umstritten das Insektenschutzpaket in der Landwirtschaft immer noch ist. Sie warnte aber vor einem Nichtstun. „Die Probleme würden noch drängender und noch weitreichendere Anpassungen erfordern“, erläuterte sie, das bringe den Landwirten keine Planungssicherheit. „Wir gewinnen nichts, wenn wir nötige Anpassungen in die Zukunft verschieben“, so die Bundeskanzlerin.
Merkel schloss ihre Rede mit dem Appell zum Dialog. „Behalten Sie den Dialog mit der Gesellschaft im Blick, es werden auch in Zukunft immer wieder neue Herausforderungen auf uns zukommen, auf die es in den Betrieben Antworten zu entwickeln gibt.“
Klöckner: Wölfe regulieren!
Sie wollte nochmals gut Wetter machen: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner dankte den Landwirten, dass sie täglich Lebensmittel produzieren. Und sie dankte dem Deutschen Bauernverband für die gute Zusammenarbeit, auch wenn man nicht immer einer Meinung sei, weil man verschiedene Rollen habe.
Die vergangenen knapp vier Regierungsjahre seien herausfordernd gewesen. Unterm Strich zog Klöckner für sich eine positive Bilanz als Agrarressortchefin. Die Situation sei aber in den vergangenen zehn Jahren nie so angespannt gewesen wie aktuell. Das liege zum einen an den Trockenjahren sowie der Corona-Pandemie, der Afrikanischen Schweinepest sowie der Vogelgrippe. Aber auch an der Diskussionskultur vor allem auf digitalen Plattformen. Es gebe fast nur noch extreme Zuspitzung mit „Schwarz-Weiß“.
Die Ministerin verdeutlichte das am Beispiel Wolf. Niemand wolle ihn ausrotten. Aber weil der gute Erhaltungszustand in vielen Bundesländern erreicht sei, fordere sie ein Bestandsmanagement des Wolfes ein. Das sorge zum Teil für einen Aufschrei. Doch sie sage: Tierschutz gelte auch für Weidetiere, also Schutz vor Wolfsrissen.
Auch in der an-schließenden Podiumsdis-kussion stärkte Klöckner den Landwirten bewusst den Rücken. Zum Beispiel, als Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, Veränderungen einforderte, dass „es nur so quietscht“ und sich bei der künftigen Agrarpolitik unter anderem mehr Umschichtung und höhere Eco-Schemes-Anteile wünscht. Da sagte die Ministerin: „Das ist leicht zu sagen, wenn man einem Verband angehört, der da nicht von leben muss.“ Man müsse immer zwischen Forderungen und der Umsetzung unterscheiden. „Da quietscht nichts, die hören dann auf!“, so Klöckner.
Spitzenpolitiker debattieren über Agrarpolitik
Spitzenvertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien positionierten sich auf dem Bauerntag zur Agrarpolitik.
CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet bemühte sich, nah an den Landwirten zu sein. „Ohne Landwirtschaft ist kein Staat zu machen“, sagte er. Ein klares Bekenntnis gab der NRW-Chef zum Agrarexport. „Will Europa noch Lebensmittel exportieren? Ja, das wollen wir“, sagte er. Denn Lebensmittel würden in Europa unter besseren ökologischen, sozialen und Tierwohl-Standards hergestellt als anderswo in der Welt. Auf die Frage, wie er denn bei einer Regierungskonstellation mit den Grünen mit dem Landwirtschaftsministerium verfahren werde, sagte Laschet, er werde jetzt nichts ausschließen, der Union sei das Landwirtschaftsressort aber besonders wichtig. Auch ließ er sich nicht darauf festlegen, ob er die Zusammenlegung von Umwelt und Landwirtschaft in einem Ministerium oder die getrennte Fortführung der Ressorts präferiert.
Das ließ auch Grünen-Chef Robert Habeck offen. Wichtig sei, dass die Politik aus einem Guss sei, das ließe sich in Koalitionsverträgen regeln. Ansonsten versuchte Habeck, sich inhaltlich möglichst weit von Laschet und der Union abzugrenzen. „Die letzten vier Jahre waren für die Bauern verlorene Jahre“, meinte er. Der Grünen-Chef plädierte für eine Bindung der Agrarzahlungen an Extensivierung, eine verpflichtende Haltungskennzeichnung und eine Abgabe auf Pflanzenschutzmittel, aus deren Einnahmen Landwirte, die weniger einsetzen und Biodiversitätsmaßnahmen machten, honoriert werden sollen.
Auch FDP-Generalsekretär Dr. Volker Wissing versuchte Punkte zu machen. „Die öffentliche Debatte ist oft unfair gegenüber der Landwirtschaft, weil man sie zu oft als Problem darstellt“, erläuterte er. Wissing hielt ein Plädoyer für die Erforschung neuer Pflanzenschutzmittel, um für die Bekämpfung neuer Schädlinge gewappnet zu sein, der Klimawandel berge da neue Herausforderungen. Er stelle die Agrarpolitik ganz auf die EU-Ebene und sprach sich auch für eine europäische Tierwohlkennzeichnung aus.
Für die SPD warb Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus dafür, nach der Bundestagswahl in einen „Agri-Deal“ einzusteigen. Dieser solle das Ziel ausarbeiten, wie die Landwirtschaft 2040 aussehen wird. Backhaus lobte die Kompromisse, die die Agrarministerkonferenz im Frühling zur Umsetzung der EU-Agrarreform in Deutschland gefunden hat. Für den Umgang mit dem Wolf stellte Backhaus noch für diesen Sommer eine gemeinsame Reise mit dem Bundesumweltministerium nach Brüssel in Aussicht. Dort wolle er erreichen, dass eine Reihe von Bundesländern als biogeografische Region anerkannt werden, in der die Wolfspopulation im guten Erhaltungsstatus sei.
Ganz auf Deutschland gerichtet ist der Blick der AfD. „Als Heimatpartei ist die Landwirtschaft wichtig, denn die Heimat braucht den Bauern“, sagte Agrarsprecher Stephan Protschka. Er führte aus, dass die Partei aus der EU austreten und die Agrarpolitik komplett renationalisieren will. Er bezeichnete es als sinnvoller, auch auf Bundesländerebene Lösungen für die Agrarzahlungen zu finden. Zudem plädierte er für wolfsfreie Zonen und mehr Selbstversorgung von Obst und Gemüse.
Eine Zwischenposition suchte sich der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. Er rückte immer wieder die Lebensmittelkette in den Mittelpunkt. „Die zentrale Frage ist, was bleibt bei den Landwirten übrig und wie sind die Ketten organisiert“, sagte Bartsch. Er stellte sich hinter den EU-Binnenmarkt. Mehr zu produzieren und mehr zu exportieren wäre dennoch der falsche Weg, sagte Bartsch. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass es eher günstig ist, wenn man ein hohes Maß an Selbstversorgung betreibt.