Dr. Kremer-Schillings, was war der konkrete Anlass für den Offenen Brief?
Mir fehlen in dem Abschlussbericht Botschaften, die Mut machen und die für den normalen Landwirten aufzeigen: Leute, es geht vorwärts, ihr müsst keine Sorgen haben, wir wollen euch nicht verlieren und wir stehen an eurer Seite. Wir unterstützen euch, ihr habt eine Zukunft! Stattdessen ist von Düngersteuer, von Pflanzenschutzmittelsteuer, von Ordnungsrecht, und auf fast jeder Seite des Papiers von „Transformation“ die Rede. Das Gremium heißt Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), liest sich aber wie ein Forderungspapier der Nicht-Regierungs-Organisationen bzw. das Parteiprogramm der Grünen.
Was hätten die landwirtschaftlichen Organisationen in der ZKL besser machen sollen?
Ein guter Kompromiss ist der, mit dem niemand zufrieden ist. Der „Agrar-Block“ wird das sicher nicht sein. Die Jubel-Arien des „Schützer-Blocks“ sind mir etwas arg laut. Zum Teil wird offen von diesen kommuniziert „dass wir unsere Vorstellungen durchsetzen konnten“. Bei aller Kompromiss-Bereitschaft ist die „Berechnung“, wieviel Schaden die Landwirtschaft verursacht, einfach unterirdisch. Diese Studie, die meines Wissens vom WWF in Auftrag gegeben wurde und an der Herr Krüger vom NABU mitgearbeitet hat, ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die jedem Morgen aufstehen und die Ernährung der Menschen sichern. Bei 90 Mrd. Schaden und 16,7 Mio. landwirtschaftliche Nutzfläche soll man mir und meinen Berufskollegen die rund 5.300 € pro Hektar bezahlen und ich bleibe morgens im Bett.
Also sind die 190 Seiten das Papier nicht wert, auf dem sie stehen?
Wenn man den Bericht aufmerksam liest, sind da noch einige Punkte, die uns auf die Butterseite fallen und aus denen wir was machen können. Zum Beispiel, dass Naturschutz wie ein Betriebszweig behandelt werden soll. Das finde ich gut, dann kann ich damit kalkulieren. Wichtig finde ich den Satz, dass „Produktionsverlagerungen in europäische und außereuropäische Regionen mit geringeren sozialen und ökologischen Standards entgegengewirkt werden soll.“ Schöner wäre gewesen, dort hätte „unterbunden“ gestanden. Positiv ist auch, dass man bei Agrar- und Umweltmaßnahmen auf Kooperationen setzt. Damit wären kleinkarierten Verwaltungs-Hürden aus dem Weg geräumt.
Womit ich überhaupt nicht zurechtkomme, ist die Kostenkalkulation für die Landwirtschaft. Also die Frage, was die Landwirte erhalten sollen. Ich bin kein Mathematik-Genie, aber die Annahmen, die dort getroffen werden, sind für mich nicht nachvollziehbar. Wenn da zum Beispiel für die Wiedervernässung von Mooren 250 € pro Hektar veranschlagt werden, weiß ich nicht, wer so was kalkuliert hat. Dass eine Halbierung der Pflanzenschutzmittel-Aufwendungen und eine Reduzierung der Düngung um 20 % nur zu einem Ertrags-Rückgang von 17 % führen soll, kann nicht stimmen. Und wer mir erzählt, dass man Humus aufbauen kann, bei gleichzeitiger Reduktion der Nährstoffversorgung, hat schlichtweg keine Ahnung vom Ackerbau.
Wie geht es jetzt weiter?
Bei allen Bedenken ist ein Ergebnis für mich das Wichtigste: Dieses Papier wurde von allen Beteiligten einstimmig unterschrieben. Wenn die „Schützer“-Seite es wirklich ernst meint, muss sie jetzt ernsthaft mit uns Landwirten zusammen an Lösungen arbeiten. Die Zeiten des Bauern-Bashing sollten dann endgültig der Vergangenheit angehören. Diese Hoffnung habe ich jetzt. Und die angeschriebenen vier Organisationen haben sich direkt gemeldet. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir und die Landwirte zeitnah Antworten auf die Fragen bekommen.