Corona und die Folgen

Arbeitsschutz in der Fleischwirtschaft: Koalition ist sich einig

Die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD haben sich geeinigt: In der Fleischindustrie werden Werkverträge und Zeitarbeit verboten. Nur in der Fleischverarbeitung bleibt Zeitarbeit erlaubt – unter bestimmten Vorgaben.

Nach wochenlangem Gezerre haben sich CDU/CSU und SPD auf ein Arbeitsschutzkontrollgesetz und einen Zeitplan für die parlamentarischen Beratungen verständigt. Das teilen beide Bundestagsfraktionen heute mit. Das Gesetz werde noch Mitte Dezember in die abschließende 2. und 3. Lesung im Bundestag gehen. Anfang 2021 soll es in Kraft treten können.

Ausnahmen für die Fleischverarbeitung

Laut dem Kompromiss werden ab Januar 2021 Werkverträge und ab April 2021 Zeitarbeit beim Schlachten und Zerlegen komplett und in der Fleischverarbeitung weitgehend verboten. Bei der Fleischverarbeitung soll es zur Abdeckung saisonaler Produktionsspitzen möglich sein, Zeitarbeit – nicht aber Werkverträge – tarifvertraglich in begrenzten Umfang zu ermöglichen. Dies soll bei gleicher Bezahlung wie im Bereich der Stammbelegschaft und bei vollumfänglicher Geltung der Arbeitsschutzvorschriften erfolgen, berichtet der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Gröhe.

Eine fälschungssichere Aufzeichnung der Arbeitszeit und deutlich verstärkte Kontrollen auch bei Mindeststandards für Gemeinschaftsunterkünfte sollen dafür sorgen, dass die neuen Vorgaben konsequent durchgesetzt werden, so Gröhe weiter.

Handwerk darf Verkaufspersonal herausrechnen

Das Fleischerhandwerk nimmt der Bundestag nun noch weitgehender von den Verschärfungen aus. Neu hinzu kommt, dass bei Metzgerbetrieben mit mehreren Verkaufsfilialen das Verkaufspersonal und Auszubildende beim Schwellenwert von 49 Mitarbeitern herausgenommen werden darf, berichtete der sozial- und arbeitsmarktpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Stephan Stracke. Die Bundesregierung hatte in ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf das Fleischerhandwerk mit bis zu 49 Beschäftigten von den Regelungen befreit.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben 94 % der Unternehmen in der Wirtschaftsklasse „Schlachten und Fleischverarbeitung“ weniger als 49 Beschäftigte. Sie erwirtschaften 22% des Gesamtumsatzes in der gesamten Wirtschaftsklasse und stellen 38% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Wirtschaftsklasse.

SPD drängt auf Tarifbindung

Die SPD ist erleichtert über den Kompromiss. „Die Fleisch-Lobby, die das Gesetz verhindern wollte, hat sich getäuscht und zu früh gefreut. Werkverträge werden im Kernbereich der Fleischindustrie genauso verboten wie die Leiharbeit beim Schlachten und Zerlegen“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast.

Auch in der Fleischverarbeitung gelte ab 2021 ein grundsätzliches Verbot der Arbeitnehmerüberlassung. „Nur per Tarifvertrag können in engen Grenzen und auf drei Jahre befristet Vereinbarungen getroffen werden. Das stärkt die Tarifbindung in einer Branche mit wenigen Tarifverträgen und baut deshalb die Rechte der Arbeitnehmer aus“, sagte Mast.

Zur Vorgeschichte der jetzigen Regelung

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte nach den vielen Corona-Fällen in Schlachtbetrieben im Frühjahr das Werkvertragsverbot für die Branche und weitere gesetzliche Vorgaben für den Arbeitsschutz der Mitarbeiter vorangebracht. Im Juli einigte sich das Bundeskabinett auf einen Entwurf für das Arbeitsschutzkontrollgesetz. Damals verhandelte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) eine Vergrößerung der Ausnahmen für das Fleischerhandwerkt auf von 30 auf 49 Beschäftigte mit in den Entwurf ein.

Die Fleischwirtschaft hatte massiv gegen Teile des Vorhabens protestiert. Dabei zielte sie vor allem auf das Verbot der Leiharbeit ab. Auch im Bundestag waren einige Abgeordnete von CDU/CSU nicht einverstanden mit den Verschärfungen im Gesetz. Deshalb wurden die Beratungen im Bundestag darüber mehrfach vertagt.

Eine Reihe von Schlachtunternehmen hatten nach Ankündigung der Gesetzesverschärfungen im Laufe des Jahres verkündet, freiwillig ab 2021 aus den Werkverträgen auszusteigen. Dazu gehören unter anderem Tönnies, Westfleisch, Westcrown, Willms, PHW und Danish Crown.

NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann gilt als „harter Hund“. Die Corona-Auflagen in den Schlachthöfen will er trotz Schlachtstau nur bedingt lockern. Auch die Bauern nimmt er in die Pflicht.

Werkverträge adé

Tönnies übernimmt 6000 Mitarbeiter

von Mareike Schulte

Das Schlachtunternehmen Tönnies will bis Ende des Jahres 6.000 Mitarbeiter in die Stammbelegschaft übernehmen. Zudem fordert der Branchenprimus einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag.