Herr Andresen, Tierrechtsaktivisten sind offenbar in einen Ihrer Sauenställe eingedrungen, haben Videos gedreht, diese der Organisation Ariwa überlassen, die das Material dem „Spiegel“ zugespielt hat, der dann über vermeintliche Tierwohl-Missstände berichtete. Dieses Vorgehen hat es schon bei mehreren Landwirten gegeben, die sich für ihren Berufsstand engagieren. Haben Sie damit gerechnet, dass es auch Sie trifft?
Zunächst: Wir prüfen gerade, ob alle Fotos und Videos tatsächlich von dem Betrieb aus Mecklenburg-Vorpommern stammen, an dem ich Anteile halte. Ausschließen kann ich es aktuell nicht. Das bedaure ich sehr. Die Aufnahmen sollen zwei Monate alt sein, gelangen aber ausgerechnet jetzt an die Öffentlichkeit, wo die politischen Diskussionen zur Landwirtschaft, an denen ich mich beteilige, wieder Fahrt aufnehmen. Das hat schon ein Geschmäckle.
"Einen Streiter für die Bauern zum Schweigen bringen"
Welches?
Dass aus politischen Gründen gezielt ein Streiter für die Rechte der Bauern zum Schweigen gebracht werden soll. Die Bilder könnten aus jedem anderen Betrieb mit Schweinehaltung in Deutschland stammen. Der Bericht hat somit mit seriösem Journalismus nichts zu tun. Ich fordere den „Spiegel“ aber auch alle anderen Medien stattdessen auf, mehr Raum für eine lösungsorientierte gesellschaftliche Debatte über das Tierwohl und die Zukunft der deutschen Bauern zu schaffen.
Wie geht der Fall jetzt weiter?
Wir haben umgehend das zuständige Veterinäramt informiert. Sie sollen nochmals prüfen, ob wir alle tierschutzrelevanten Vorgaben einhalten. Das ist mir ein großes Anliegen. Das weitere Prozedere läuft über meinen Anwalt, deshalb kann ich nicht mehr sagen.
Die Fotos bzw. Videos zeigen Sauen in Kastenständen sowie Ferkel. Zu erkennen sind z.T. Verletzungen und tote Ferkel. Ihre Einschätzung dazu?
Ein Kastenstand war defekt, deshalb hatte die Sau eine Verletzung. Das haben wir bereits behoben. Zudem lassen wir die Vorrichtung zum Fixieren der Sauen gerade abbauen. Wir nutzen sie lediglich zum Besamen der Sauen, auf den Fotos war sie allerdings im Einsatz. Wir können nicht sagen, ob unsere Mitarbeiter vergessen haben sie zu lösen oder die Stalleinbrecher sie bewusst eingesetzt haben.
Der Bundesrat hat Anfang Juli den Ausstieg aus dem Kastenstand beschlossen. Wegen solcher Bilder? Wie schätzen Sie das ein?
Für die Sauenhalter in Deutschland wird es jetzt noch schwieriger. Schon jetzt gibt es nur noch 7000 Sauenbetriebe, die Zahl dürfte noch weiter schrumpfen. Und schon jetzt muss Deutschland ein Drittel seiner Ferkel importieren, das dürften künftig noch mehr werden. Eine zukunftsfähige Entwicklung ist das nicht.
"Brauchen gesellschaftlichen Konsens zur künftigen Landwirtschaft"
Was fordern Sie?
Wir brauchen gesellschaftlichen Konsens, wie die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland aussehen soll. Landwirte müssen höhere Anforderungen finanziell ausgeglichen bekommen. Die Vorschläge der Borchert-Kommission liefern erste Ideen, es gibt sicherlich noch weitere.
Künftig wollen Sie politisch in der ersten Reihe mitmischen. Sie kandidieren für die CDU im Wahlkreis Flensburg – Schleswig für den Bundestag. Wie kam es zu dem Entschluss?
In Berlin treffen viele Menschen Entscheidungen für die Landwirtschaft, die keine Kernkompetenz in der Landwirtschaft haben. Diese Berufspolitiker sind eine Gefahr. Deshalb muss der Berufsstand in Berlin vertreten sein und bei diesen Entscheidungen direkt mitwirken. Ich weiß, wie man zum Beispiel Ferkel kastriert und spreche mir die nötige Kernkompetenz zu.
"Bekomme ich das Bundestagsmandat, trete ich bei LsV zurück"
Passt das zum LsV-Versprechen, parteiunabhängig zu sein?
In der Tat ist das an der Grenze von dem, was man machen kann und darf. Ich bin allerdings seit 30 Jahren in der CDU, auch andere im LsV engagieren sich politisch. Klar ist aber: Bekomme ich das Bundestagsmandat, trete ich als LsV-Sprecher zurück. Aktuell gehe ich aber nicht davon aus, dass ich das Direktmandat hole.
Vom 30. August bis 1. September treffen sich die EU-Agrarminister in Koblenz. LsV plant Proteste. Was haben Sie genau vor?
An allen drei Tagen sind Demos angemeldet. Am Sonntag wollen mehrere LsV-Vertreter mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprechen. Am Montag wollen die Agrarminister mit einem Schiff fahren, das wir auf vielfältige Weise begleiten werden. Und am Dienstag haben wir eine Kundgebung geplant. Wir erwarten eine erhebliche Teilnahme, da auch viele Landwirte mit dem Autor oder Zug anreisen. Koblenz ist nicht groß, wir werden stark präsent sein.
Was fordern Sie von den EU-Agrarministern?
Dass sie ihren Job machen! Große Themen wie Farm-to-Fork-Strategie, Mercosur-Handelsabkommen oder europäischen Tierwohlkennzeichen stehen im Raum. Hier brauchen wir Perspektiven. Wir fordern vergleichbare Standards in der Europäischen Union und eine konsensfähige Landwirtschaft für Europa.
Nur wenige Tage später am 7. September tagt die Zukunftskommission Landwirtschaft erstmals. Was erwarten Sie?
Wir sollten uns einigen, welche Themen wir bearbeiten. Aus meiner Sicht muss das neben Tier- sowie Umweltschutz auch die Wirtschaftlichkeit sein. Landwirte müssen auch Geld verdienen mit dem, was sie tun. Das muss mehrheitsfähig sein. Aber dafür müssen wir Landwirte auch selbst Angebote, Vorschläge und Konzepte machen. Klar ist ebenfalls: Dafür müssen wir alte Pfade verlassen und neue gehen.
"Wir werden die Massen wieder mobilisieren"
Im vergangenen Jahr nahmen die Bauernproteste im Herbst richtig Fahrt auf. Erwarten Sie das dieses Jahr auch?
Ja! Wir werden die Massen wieder mobilisieren. Denn der Dialog ist noch nicht abgeschlossen. Viele Landwirte sind über die bisherigen Entwicklungen sauer und enttäuscht.
Dirk Andresen ist Sprecher von „Land schafft Verbindung (LsV) – Deutschland“. Der studierte Landwirt führ einen Betrieb in Schleswig-Holstein und ist an einem Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern beteiligt, aus dem offenbar das Video- sowie Fotomaterial stammt.