Ludger Schulze Pals bewies nicht nur, dass er ein Experte in Sachen Landwirtschaft ist, sondern auch etwas vom Fußball versteht. Denn die Botschaft des Geschäftsführers des Landwirtschaftsverlages beim Adventsgespräch der KLJB Münster am Montagabend lautete: „Das Spiel wird in der Offensive gewonnen!“
Doch was heißt das für die deutsche Landwirtschaft? Welche Chancen hat sie eigentlich noch? Darüber sprach er mit knapp 30 Teilnehmern der Veranstaltung, die coronabedingt erstmals digital stattfinden musste.
Mut zur Selbstkritik
Unter Offensive versteht Schulze Pals nicht die zahlreichen Treckerdemos und Blockaden der vergangenen Monate. Für ihn geht es vielmehr darum, dass die Landwirte und ihre Interessenvertreter selbst definieren müssen, wie sie sich eine Landwirtschaft in Zukunft vorstellen.
Das übernehmen zurzeit meist andere, seien es NGOs, Journalisten oder Politiker. Die landwirtschaftliche Branche halte lieber am Bestehenden fest. „Deshalb wird sie immer stärker zum gesellschaftlichen und politischen Blitzableiter!“, sagt der langjährige Chefredakteur des Fachmagazins top agrar.
Düngeverordnung: Viel zu lange untätig
Wie sich das politisch entwickelt, sehe man an der Düngeverordnung. Fast ein Jahrzehnt seien Politik und Interessenvertreter nahezu untätig gewesen. „Zeit war da, um dosierte Anpassungen vorzunehmen“, sagt Ludger Schulze Pals, der den politischen Betrieb nicht nur als Journalist, sondern auch als Mitarbeiter in verschiedene Ministerien auf Bundes- und Landesebene erlebt hat.
Mit der neuen Düngeverordnung entlade sich die aufgeschobene Entscheidung geballt und treffe auch viele unschuldige Landwirte. In eine ähnliche Richtung entwickelten sich die Debatten um den Kastenstand und das Insektenschutzgesetz. Die Branche bleibe der Getriebene.
„Es mangelt an Selbstkritik, Transparenz und Geschlossenheit, um überhaupt eine klare Vorstellung von der Zukunft zu entwerfen, geschweige denn sie zu kommunizieren“, urteilt Schulze Pals. So sind sich zum Beispiel die einzelnen Landesbauernverbände nicht einig. Zu oft verständigten sie sich nur auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Landesverbände wie in Westfalen-Lippe, die mit der „Offensive Nachhaltigkeit“ nach vorne preschten, würden als Nestbeschmutzer verunglimpft.
Die Gruppierung „Land schafft Verbindung“ habe sich bis dato vor allem auf den Protest beschränkt. Zukunftskonzepte aus ihren Reihen seien noch Mangelware.
Fachlich sieht der promovierte Agrarwissenschaftler die deutsche Landwirtschaft allemal in der Lage, selbst zu agieren. Das zeigten die Erfolge der vergangenen 20 Jahre in Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit. „Das Know-How ist da. Doch die Landwirtschaft hat keine überzeugende Strategie für die Zukunft. Deshalb wird sie die Kritik nicht los.“
Ludger Schulze Pals hat vielmehr den Eindruck, dass kritische Signale der Gesellschaft nicht hinreichend ernst genommen würden und Vertreter der Landwirtschaft sich eher in eine gedankliche Wagenburg zurückzögen.
Ein neues Bild muss her
Notwendig sei ein neues Selbstverständnis der Landwirte. Ludger Schulze Pals führte dazu eine Studie des Rheingold-Salons aus dem Jahr 2020 an. Sie besagt, dass Landwirte und Verbraucher am ehesten eine gemeinsame Basis bei dem Bild vom „Landwirt als Zukunftsgestalter“ finden.
Nur so ließe sich der Landwirt als wirtschaftender Manager, ausgezeichneter Experte und somit als Teil der Allgemeinheit anerkennen. Und nur so ließen sich veraltete Vorstellungen der Verbraucher von der Landwirtschaft modernisieren.
Um dieses neue Bild mit Leben zu füllen, brauche es Geschlossenheit und Überzeugungsarbeit nach innen, so Schulze Pals. Nach außen seien eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit sowie Partner und Verbündete in der Wertschöpfungskette nötig. Nur so lasse sich ein neues, zukunftszugewandtes Bild in der Öffentlichkeit festigen und die moderne Landwirtschaft in Deutschland erhalten.
KLJB als Brückenbauer
Ludger Schulze-Pals zeigte sich etwas irritiert, dass KLJB und der Bund der deutschen Landjugend (BDL) auch uneins sind. Er nahm Bezug auf den unterschiedlichen Umgang mit Gruppen aus der Klimabewegung wie "Fridays for Future". Die KLJB hat einen gemeinsamen Brief mit ihnen zur Agrarreform der EU veröffentlicht. Der BDL sieht das durchaus kritisch.
Dass die KLJB mit Fridays for Future und anderen Gruppen aus der Klimabewegung gemeinsam Position zur GAP bezieht, hält Schulze Pals nicht für verwerflich. Es sei sinnvoll, frühzeitig mit diesen Gruppen im Gespräch zu sein, damit auf Dauer kein tiefer Graben entstehe wie mit vielen, in den 1980er Jahren entstandenen Umweltschutzbewegungen, sagte Schulze Pals. Der Landwirtssohn aus dem Kreis Coesfeld betonte, dass die KLJB als Brückenbauer zwischen Landwirtschaft und den Menschen im ländlichen Raum dienen müsse. Denn ihre Ortsgruppen setzten sich aus Junglandwirten, mittlerweile aber mehrheitlich auch aus Nichtlandwirten zusammen.
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