Kaum Kontakt zu den Mitstudierenden, viel Lernen am Bildschirm und Wechselunterricht – das gehörte für den diesjährigen Abschlussjahrgang der sechs Fachschulen für Agrarwirtschaft in NRW dazu. Während die ersten Monate der zweijährigen Vollzeit-Fortbildung noch normal verliefen, begann mit dem Lockdown im März 2020 eine außergewöhnliche Zeit.
Von heute auf morgen mussten sich Lernende wie Lehrende umstellen. Gleich blieb aber das Ziel: Den Studierenden das nötige Rüstzeug vermitteln, um selbstständig einen landwirtschaftlichen Betrieb zu leiten. Nach zwei Jahren starten 26 staatliche geprüfte Agrarbetriebswirtinnen und 228 Agrarbetriebswirte in die Zukunft. Vier Absolventen der Fachschule Münster-Wolbeck stellen ihre Pläne vor.
Der Hofladen als zweites Standbein
André Laumann und sein Vater Ansgar sind sich einig: 200 Kühe reichen erstmal. „An der Milchleistung lässt sich noch leicht was drehen. Aufstocken ist zurzeit aber nicht drin“, sagt der 22-Jährige. Ab dem nächsten Jahr führt er den elterlichen Milchviehbetrieb in Glandorf im Landkreis Osnabrück nahe der Grenze zu NRW gemeinsam mit seinem Vater in einer GbR. Zwar melken drei Roboter die Kühe, doch Arbeit hat der frischgebackene Agrarbetriebswirt schon jetzt genug. Die Laumanns wirtschaften an vier Standorten und ackern auf 150 ha, von denen 45 ha Grünland sind.
In diesem Jahr möchten Vater und Sohn etwas Neues wagen und in die Direktvermarktung einsteigen. André hat sich an der Fachschule mehr und mehr mit dem Thema befasst. „Wir wollen zeigen, wer hinter den Produkten steht“, erklärt er. Einen Mobilstall für Hühner haben sie selbst gezimmert und bieten Eier am Hof an.
Jetzt wartet das Duo auf einen 6 x 3 m2 großen Fertigcontainer. In ihm wollen sie einen kleinen Hofladen einrichten, um Eier und Milch zu verkaufen. Kartoffeln und Gemüse wollen sie als Wiederverkäufer vertreiben. Mit einer mobilen Käserei stehen sie im Kontakt. Sie soll ihre Milch verarbeiten, damit es im Laden auch Käse gibt. Erste Versuche, aus den eigenen Eiern Nudeln zu machen, laufen schon.
Dabei setzt das Gespann auf Automaten im Verkauf. „Sie müssen nur morgens und abends befüllt werden“, sagt André. Die beiden sehen eine Chance für ihre Direktvermarktung in Glandorf. Bisher gibt es dort kaum Hofläden. Regionale Lebensmittel haben aber durch Corona einen Boom erfahren. Daher blicken sie optimistisch auf ihr neues Standbein.
Die Landwirtschaft wiederbeleben
Der Hof der Familie Lohmann liegt direkt zwischen Münsters Innenstadt und dem Stadtteil Hiltrup. Der Vater von Janina Lohmann entwickelte aus dem einstigen Gemischtbetrieb eine Pferdepension mit 20 Plätzen. Die Flächen waren verpachtet. „Auf Dauer ist das zu klein für einen Pensionsbetrieb“, meint die 24-Jährige. Sie möchte deshalb die Landwirtschaft wiederbeleben. Auf den verpachteten Flächen rund um den Hof baute ein Direktvermarkter in den vergangenen Jahren Erdbeeren und Spargel an.
2019 startete Janina selbst mit einem 1 ha großen Erdbeerfeld zum Selbstpflücken. „Unsere Lage in der Großstadt ist dafür ideal“, beschreibt sie. Mittlerweile hat sie auch drei Mobilställe mit knapp 600 Hühnern. Sie verkauft die Eier direkt, lose und unsortiert auf dem Hof. Hühner passen zur Direktvermarktung am Stadtrand. „Im Freiland brauchen sie deutlich weniger Platz als zum Beispiel Schweine“, sagt Janina.
Dabei setzt sie nicht auf Automaten, sondern die Kunden müssen sie auf dem Hof erwischen oder klingeln. „Die Eier werden mir regelrecht entrissen. Die Nachfrage übersteigt das Angebot“, berichtet sie. Pro Ei nimmt sie 35 Cent. Auf dem Hof kaufen junge Familien und Rentner, Vegetarier und Fleischesser. Die Eltern und Kinder schauen sich gerne die Tiere an.
Nebenbei macht Janina eine Fortbildung zur Bauernhofpädagogin. Sie möchte später Grundschulkindern die Landwirtschaft näherbringen. Doch Ziel Nummer eins bleibt der Ausbau der Direktvermarktung, damit sie sich irgendwann ganz auf die Landwirtschaft konzentrieren kann. Denn zurzeit jobbt sie parallel noch in einem Seniorenheim.
Spielraum wie ein eigener Chef
Kein aktiver Betrieb wartet auf Kai Kotthoff aus Lippetal-Hultrop im Kreis Soest. Die Familie wirtschaftete zuletzt nur noch im Nebenerwerb. Daher war es für den 22-Jährigen schon früh klar, dass er Arbeitnehmer wird. „Eine Hofnachfolge ohne aktiven Betrieb ist schwierig“, meint er. Zwar gebe es Wege für eine außerfamiliäre Hofübernahme, aber in einer Anstellung sei er nicht so abhängig von den Erzeugerpreisen und gehe nicht so ein großes finanzielles Risiko ein.
Kai schätzt, dass allein in seiner Klasse an der Fachschule mehr als die Hälfte keinen eigenen Betrieb mehr zu Hause hat. Auf der anderen Seite suchen große Betriebe immer mehr leitende Mitarbeiter. „Sie wollen Arbeitskräfte, die fachliche Kenntnisse haben, die betriebliche Zusammenhänge verstehen und selbstständig arbeiten können“, beschreibt er. Diesen Praxisbezug vermittelt seiner Meinung nach die Fachschule besser als die FH oder Uni. „Mit einem Bachelor an der FH ist man hingegen breiter aufgestellt“, vermutet er.
Ab Frühjahr 2022 steigt er als Betriebsleiter auf einem reinen Ackerbaubetrieb im Kreis Coesfeld ein. Die Zwischenzeit möchte er noch nutzen, um sich weiterzubilden. So plant er, unter anderem den Hauptkurs an der Landvolkshochschule in Freckenhorst zu besuchen. Bis dahin hilft er in der Ernte bei seinem zukünftigen Arbeitgeber und kümmert sich eigenverantwortlich um den Ackerbau seines ehemaligen Ausbilders.
Naturschutz als Einnahmequelle
Eine Nische besetzt Johannes Große Kleimann aus Beckum. Der 22-Jährige hält 350 Mutterschafe. Zum 1. Juli übernahm er die Wanderschäferei seiner Eltern. Zu ihr gehört eine EU-zugelassene Schlachtstätte. Dort schlachten sie die Lämmer und vermarkten sie als ganzen Schlachtkörper. Während der Corona-Pandemie haben sich die Preise erholt. „Es wird wieder mehr auf regionale Produkte gesetzt“, bemerkt der gelernte Landwirt. Viele seiner Kunden haben einen Migrationshintergrund und leben in der Umgebung oder im nahen Ruhrgebiet.
In diesem Jahr hat sich Johannes eine weitere Einnahmequelle schlossen, deren Erlös nicht so schwankt. Er betreibt für die Stadt Ahlen naturnahen Hochwasserschutz. Mit einem Teil der Herde pflegt er die Regen- und Hochwasserrückhaltebecken der Stadt. „Sonst würden die Nester der Kiebitze beim Mähen zerstört. Die Schafe verschonen sie“, sagt er. Johannes beweidet mit knapp 200 Schafen insgesamt 10 ha auf sechs von der Stadt eingezäunten Teilflächen.
Je nach Größe bleiben die Schafe zwei bis fünf Tage auf einer Fläche. Bis in den Winter hinein weiden die Tiere auf den Flächen. Dann geht es zum Lammen in den Stall. Die Stadt zahlt ihm einen Pflegezuschuss. „Das Ausmulchen käme teurer. Für beide Seiten ist das eine Win-win-Situation und es wird etwas für den Naturschutz getan “, erklärt er.
Gerne würde er weitere kommunale Flächen beweiden. Denn Johannes möchte die Schafhaltung so lange, wie es geht, aufrechterhalten und ausbauen. Der Wolf bereitet ihm hier noch keine schlaflosen Nächte. Der Agrarbetriebswirt betreibt die Schäferei im Nebenerwerb. Seine Eltern unterstützen ihn dabei kräftig. Zusätzlich arbeitet Johannes auf seinem ehemaligen Lehrbetrieb dem „Biomassehof Everswinkel“ im Vertrieb.
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