EU-Kommission und viele EU-Parlamentarier scheinen klare Vorstellungen zu haben, wie sich der Pflanzenschutz bis 2030 entwickeln soll: Minus 50 %. Doch dann ist es mit der Klarheit vorbei. Das Geschacher um die Einzelheiten ist in vollem Gange.
Was bedeuten -50 %?
Zu den Zielen der Farm-to-Fork-Strategie gehört nach Dr. Mark Winter, Leiter Pflanzenschutz beim Industrieverband Agrar (IVA), dass Gesamteinsatz und Risiko chemischer Pflanzenschutzmittel um 50 % (Harmonised Risk Indicator, HRI 1) reduziert werden. Gleichzeitig soll sich der Einsatz gefährlicherer Pflanzenschutzmittel (Fokus auf Reduktion von sogenannten Substitionskandidaten, CfS), gemessen an der Absatzmenge, um 50 % bis 2030 verringern.
Mehr Abhängigkeit
Wie Winter während der Generalversammlung des Acker- und Saatbauvereins Soest-Hellweg kürzlich ausführte, haben verschiedene Institutionen die Folgen untersucht. Dabei haben sie unter anderem festgestellt, dass mit dem Programm in der derzeitigen Fassung beispielsweise die Biodiversität nicht zunehmen wird. Gleichzeitig ist mit einigen deutlich negativen Folgen wie der Zunahme von Importabhängigkeiten zu rechnen.
Nach Aussage des Experten des IVA will die EU-Kommission aus der bisherigen Richtlinie für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden eine europaweit verbindliche Verordnung (SUR, Sustainable Use Regulation) machen. Das dafür notwendige Gesetzgebungsverfahren hat die Kommission bereits am 22. Juni 2022 eröffnet.
Ein für deutsche Landwirte besonders schwerwiegendes Problem stellt die eher großzügige Ausweisung sensitiver Gebiete dar. Es sind etwa 2,5 Mio. ha oder 25 % der Fläche betroffen. Der IVA fordert, die bisher unscharfen Definitionen neu zu diskutieren.
In Deutschland schon viele Ziele erreicht
Auf deutscher Ebene gibt es schon seit 2013 den nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP). Das Ziel der Risikominderung wird im NAP an 39 Indikatoren festgemacht, viele davon sind bereits erreicht. Auch EU-weite Untersuchungen belegen, dass die deutschen Landwirte sehr verantwortungsbewusst mit Pflanzenschutzmitteln umgehen.
Die Kommission zeigt sich gesprächsbereit. Der Ministerrat fordert weitere Studien zur Folgenabschätzung. Noch ist unklar, welcher Referenzzeitraum für die Reduktionsziele gelten soll.
Lücken im Pflanzenschutz erwartet
Der IVA geht davon aus, dass sich die Anzahl der zugelassenen Wirkstoffe bei den hohen Zulassungshürden bis 2030 auf 150 fast halbieren wird. Gerade für kleinere Kulturen ergeben sich dann Lücken im Pflanzenschutz.
Lesen Sie mehr: