Trockenheit, Marktkapriolen, veganer Ernährungstrend, neue Schädlinge, Wirkstofflücken. Das sind nur einige der Herausforderungen, mit denen Landwirte sich im Ackerbau konfrontiert sehen. Das muss nicht immer schlecht sein, denn jede Veränderung bietet auch Chancen.
Die entscheidende Frage ist: Wie gelingt es, die Chancen wahrzunehmen, ohne bewährte Strategien gegen die Wand zu fahren?
Turbulenzen auf dem Markt
Grundsätzlich geht Marktexperte Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen davon aus, dass bewährte Kulturen wie Raps und Weizen weiter gute Deckungsbeiträge erzielen können – trotz hoher Produktionskosten und Unsicherheiten am Absatzmarkt. „Weizen war schon vor dem Beginn des Ukraine-Krieges knapp“, berichtete er vergangene Woche auf der DSV Ackerbautagung in Bad Sassendorf. Daher sei selbst bei erhöhten Exporten aus Osteuropa nicht zu erwarten, dass die Weizenpreise stark fallen.
„Zudem wird der Sog auf Mais zunehmen“, weil in den USA aktuell große Mengen an Mais zu Bioethanol verarbeitet würden, sodass die Amerikaner ggf. sogar Mais zukaufen müssten. „Auch der Rapspreis steht wegen einer guten Ernte in Nordamerika zwar aktuell unter Druck“, aber Dr. Hortmann-Scholten sei dennoch weiter positiv gestimmt, „weil die Nachfrage nach Raps die Produktionsmöglichkeiten übertreffen wird.“
Auch für nicht backfähiges Getreide sieht der Experte weiterhin gute Absatzmöglichkeiten: „Vom benötigten Getreide für Tierfutter in Deutschland erzeugen die Tierhalter rund 71 % auf den eigenen Flächen. Daneben werden aber noch rund 7,5 Mio. t Getreide jährlich für Mischfutter benötigt.“ Gleichwohl fiel ihm auf, dass der durchschnittliche Rohprotein-Gehalt in Weizenproben bei der LUFA Nordwest seit 2019 von 11,1 auf 9,7 % gefallen ist. Dieser Verlust als Folge strengerer Düngeverordnungen müsse durch andere Futtermittel substituiert werden.
Sicherheit geht vor
Insgesamt ist Dr. Hortmann-Scholten daher der Meinung, dass der Großteil der Ackerbauern gut damit fährt, bei bewährten Kulturen zu bleiben „und nicht auf jedes Pferd aufzuspringen“. Wer mit dem Anbau neuer Kulturen erfolgreich sein möchte, sollte sich unbedingt schon vor der Saat um die Vermarktung kümmern. Oft sei es schwierig, die Ware in kleinen Partien zu verkaufen oder das Angebot übersteige plötzlich die Nachfrage. So sei im Sommer 2022 beispielsweise der Dinkelanbau ohne Vertrag „ein Fiasko“ gewesen und selbst der Anbau von Sonnenblumen in Folge weggebrochener Produktionsflächen in Osteuropa sei nicht immer erfolgreich gewesen.
Im Bezug auf den Anbau von Nischenkulturen für die vegane Humanernährung gab der Experte zu bedenken, dass er die Entwicklung dieses Marktes kritisch sieht: „Soja und andere Fleischersatzprodukte werden Fleisch so schnell nicht ersetzen.“ Als Indiz, dass er mit dieser These Recht behalten könnte, führt er den Einbruch der Beyond Meat-Aktie an. Der Aktienwert des US-amerikanischen Herstellers von pflanzenbasierten Fleischersatzprodukten ist innerhalb der vergangenen rund zwölf Monate um etwa 90 % gefallen. „Der Vegan-Hype ist in den USA schon vorbei“, folgert Dr. Hortmann-Scholten und plädierte daher an die anwesenden Landwirte: „Schuster bleib bei deinen Leisten. Oder prüfen Sie den Absatz der Ernte vor dem Anbau sehr kritisch.“
Fokus auf den Boden
Dass aber auch innerhalb bewährter Kulturen und Fruchtfolgen mitunter große Verbesserungspotenziale schlummern, zeigte Christoph Felgentreu von der IG gesunder Boden e. V. in seinem Vortrag auf. Er erinnerte die Landwirte vor allem daran, dass eine Nährstoffanalyse mit entsprechender Reaktion allein nicht ausreicht, um Böden optimal zu versorgen. Vielmehr sei es wichtig, auch Bakterien und Pilze im Boden zu fördern, weil diese nicht nur beim Zersetzen von organischer Masse eine wichtige Rolle spielen.
„Neben der Fähigkeit zum Auslösen von Nährstoffen trägt das Bodenleben massiv zum Humusaufbau bei“, so der Experte. Demnach sind 90 % des Humus auf abgestorbene Mikrobiologie zurückzuführen. Neueste Erkenntnisse zeigen Felgentreu zur Folge auch, dass Pflanzen dazu in der Lage sind, sich von Mikroben-Zellwänden zu ernähren. Demnach geben die Pflanzen sogar die Information, welcher Nährstoff gerade benötigt wird, an die Bakterien weiter.
Mehr Gülle, weniger Verlust
Damit es gelingt, Bodenleben zu fördern und Nährstoffe vor Auswaschung zu schützen, setzt Felgentreu auf artenreiche Zwischenfrucht-Mischungen. Diese haben den Vorteil, dass die verschiedenen Pflanzenarten um Nährstoffe konkurrieren, sodass sie viel Wurzelmasse bilden. Auch im Bezug auf die Stickstoff-Fixierung schneiden standortangepasste Mischungen demnach sehr gut ab.
Kontraproduktiv sei dagegen der reine Anbau von Gelbsenf, betont der Experte. Hierbei sei in Versuchen sogar zu beobachten gewesen, dass der Anbau einen negativen Effekt auf die Stickstoff-Bilanz hatte. Dies sei unter anderem mit hohen gasförmigen Verlusten nach dem Abfrieren der Pflanzen zu begründen. In diesem Zeitraum konnte eine wissenschaftliche Studie „signifikant höhere Lachgas-Emissionen“ als bei alternativen Zwischenfrucht-Mischungen nachweisen.
„Der teuerste Dünger ist der, der verloren geht.“ In diesem Punkt sind sich beide Experten einig. Mit Bezug auf die hohen Kosten für mineralischen Dünger plädiert Dr. Hortmann-Scholten daher für einen „vorsichtigen Umgang mit Gülle“. Aus seiner Sicht ist es nach wie vor sinnvoll, die Kulturen mit Stickstoff auszudüngen, um hohe Erträge zu erzielen. Aus Kostengründen sei es aber sinnvoll, die Verluste bei der Gülledüngung zu minimieren, um sie auf mehr Fläche verteilen zu können.
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