Zu trocken, zu heiß, zu sonnig. Diese Zusammenfassung fällt vielen Landwirten, die man nach dem Jahr 2022 fragt zu erst ein. „Perfekt“, scheint die Meinung einiger Freibad-Fanatiker und Radiomoderatoren gewesen zu sein. Aber nicht überall in NRW waren die Bedingungen gleich – in einigen Regionen haben die Landwirte besser geerntet als gedacht.
Mild, nass und grau
Nach meist ordentlichen Startbedingungen für das Wintergetreide im vergangenen Herbst zeigte sich der Winter über weite Strecken von seiner schäbigsten Seite. Mit 142 Stunden in den drei Wintermonaten schien die Sonne gut 20 Stunden weniger als im langjährigen Mittel (1991-2020) und es regnete 250 l/m2.
Der Winter war aber besonders eines: Zu warm. In Köln lag die niedrigste Temperatur im gesamten Winter gerade einmal bei -0,6 °C und es gab nur zwei Frosttage. Eistage, also Tage mit Dauerfrost, gab es in ganz NRW nur an wenigen Orten. Die durchschnittliche Temperatur lag im NRW-Schnitt bei 4,5 °C – und damit 1,8 °C über dem langjährigen Schnitt und sogar 2,8 °C über dem Mittel von 1961-1990. Damit war der Winter 2021/22 der fünfte in Folge, der (viel) zu warm ausfiel.
Weil neben strengem Frost aber auch übermäßig warme, wüchsige Temperaturen ausblieben, kamen die Winterkulturen gesund und weitestgehend normal entwickelt aus dem Winter.
Früher Start in die Saison
Der Umbruch vom Winter in das Frühjahr war hart: Nach dem überwiegend nassen Februar kamen in den fünf Wochen von Ende Februar bis zum 30. März oft weniger als 10 l/m2 Regen zusammen. Gleichzeitig blieb es Anfang März aber noch kühl mit regelmäßigem Nachtfrost.
Für Landwirte bedeutete das einen frühen Start in die Saison. Auch auf schweren Böden war es schon Anfang März trocken genug, um Gülle ausbringen zu können und die Bodenbearbeitung zu frühen Sommerungen wie Zuckerrüben und Kartoffeln konnte unter guten Bedingungen erfolgen.
Aufgrund des zunächst verhaltenen Wachstums und des feuchten Winters war Wassermangel in den Winterkulturen zunächst aber kein Thema – auch wenn der März mit 244 Sonnenstunden (langjähriges Mittel: 122 Stunden) als mit großem Abstand sonnenreichster März seit Beginn der Aufzeichnung 1951 in den Büchern steht.
Weniger sonnig, dafür aber sehr regnerisch war dann die erste Aprilhälfte. In Kombination mit einem deutlichen Temperaturanstieg ab dem 12. April und der zuvor erfolgten Düngung führte das zu zügigem Wachstum der Winterungen. Gleichzeitig mussten Landwirte aber auch Schädlinge und Krankheiten im Auge behalten.
Für die Sommerungen verlief der Start nicht immer gut. Zuckerrüben mussten nach Starkniederschlägen teils großflächig neu gedrillt werden, Kartoffeln hatten mit den kühlen Nächten rund um den Monatswechsel März/April zu kämpfen.
Am richtigen Ort
In der zweiten Aprilhälfte stellte sich dann erneut trockenes Wetter mit Tageshöchsttemperaturen, die verbreitet konstant über 15 °C lagen, ein. So kam das Mais-Saatgut vielerorts in oberflächlich zu trockene oder zu klutige Oberböden und lief entsprechend schlecht oder verzettelt auf. Der Trend setzte sich im Mai fort: 236 Sonnenstunden waren zu viel, 14,6 °C rund 1,3 °C wärmer als das langjährige Mittel und 47 l/m2 Niederschlag deutlich zu wenig.
Dabei zeigte sich aber schon im Mai, dass der Regen nicht gleichmäßig über NRW verteilt war. Während die Wetterstation in Aachen in diesem Monat gerade einmal 20,5 l/m2 aufzeichnete, waren es in Bad Neuenahr 84,7 l/m2. Entsprechend unterschiedlich waren die Bedingungen zur Blüte und Kornfüllung von Getreide- und Rapsbeständen. Viele Kartoffelanbauer in den trockenen Gebieten mussten mit dem Beregnen beginnen, während die Wachstumsbedingungen an anderen Orten besser waren, erste Hitzetage traten aber landesweit auf.
Der erste Grassilo-Schnitt fiel recht verbreitet gut aus. Die frühe Düngung, mäßig warme Temperaturen sowie ausreichend Wasser und Sonne bis Anfang Mai haben den Beständen in die Karten gespielt. Ab dem zweiten Schnitt waren die Erträge und Qualitäten dann – abhängig von der Witterung – extrem unterschiedlich.
Sommer der Rekorde
Auch in den drei Sommermonaten Juni, Juli und August lohnt sich ein differenzierter Blick auf die Zahlen. Mit 790 Sonnenstunden (langjähriges Mittel: 605 Stunden), 113 l/m2 Regen (238 l/m2) und 19,1 °C (17,5 °C) war der Sommer in NRW im Schnitt deutlich zu sonnig, zu trocken und zu warm und landete in allen Kategorien auf dem Treppchen: Seit 1951 schien die Sonne nie so viel – auf Platz 2 liegt der Sommer 2011 mit 100 Sonnenstunden weniger. Seit 1881 hat es nur einmal (1911) weniger geregnet, selbst 2018 waren es immerhin 3 l/m2 mehr. Für die Temperatur hat es zusammen mit dem Sommer 2019 für Platz 3 gereicht. Seit 1881 waren nur die Sommer von 2018 und 2003 (19,5 bzw. 19,3 °C) noch wärmer.
Aber Achtung: Die Wasserversorgung der Kulturen hätte unterschiedlicher kaum sein können. Die 160,1 l/m2 in Bad Lippspringe liegen zwar immer noch deutlich unter dem langjährigen Mittel, sind aber über die drei Monate recht gut verteilt gefallen und haben die Bestände „am Leben gehalten“. Die Wetterstation am Flughafen Münster/Osnabrück registrierte dagegen im gleichen Zeitraum nur 87,6 l/m2 und damit weniger als einen Liter pro Tag.
In allen Kulturen und an fast allen Standorten in NRW sorgten die vielen Hitzetage für Einbußen. Gerade bei fehlendem Wasser kam spätes Getreide wie Weizen zur Notreife und konnte weder ertraglich noch qualitativ den Ansprüchen gerecht werden.
Kartoffel- und Zuckerrübenbestände brachen zusammen, Mais stockte oder vertrocknete sogar mancherorts schon im Längenwachstum. Den größten Hitzestress erlebten die Kulturen, von denen die meisten Winterungen zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr standen, aber um den 19. Juli. Temperaturen von 40 °C erwischten viele Maisbestände genau zur Blüte – schlecht bis gar nicht befruchtete Kolben waren die Folge.
Gewinner und Verlierer
Wie in den vorherigen Dürrejahren zählten die früheren Kulturen und Sorten sowie tief wurzelnde Pflanzen zu den Gewinnern. Beispielsweise Wintergerste und Winterraps erzielten im diesjährigen Sommer oft sehr gute Erträge. Selbst auf sandigen Böden erreichte die Wintergerste in den Landessortenversuchen in NRW im Schnitt 90,8 dt/ha. Winterraps schaffte sogar eine Rekordernte, wobei auch hier frühblühende Sorten deutlich im Vorteil waren.
Im Grünland war in vielen Regionen spätestens ab Juli kaum noch Wachstum zu erkennen. In der Hoffnung auf immer wieder angekündigte Schauer führten viele Bewirtschafter teils mehrere Pflegeschnitte durch – um dann doch vergeblich auf Regen zu warten. Gegen Ende Juli/Anfang August fielen dann Regenschauer, die zumindest in einigen Regionen Mais- und Grünlandbestände retteten. An anderen Orten waren sie nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, brachten aber ein weiteres Problem mit sich: Durch- und Zwiewuchs in Kartoffeln.
Holpriger Start für Raps
Nach der früh abgeschlossenen Getreideernte stellte sich vielerorts die Frage, ob und wie eine Zwischenfrucht etabliert werden soll. Wo es mithilfe von ausreichend Bodenwasser gelang, den Bestand schnell zu etablieren, konnte er früh große Mengen Reststickstoff binden. Vielerorts, gerade nach Bearbeitungsgängen, brauchten die Zwischenfrucht-Mischungen aber bis weit in den September, um den Boden zu beschatten.
Ähnlich gestaltete sich die Situation zur Rapsaussaat: Nach den im NRW-Schnitt 18 l/m2 Regen im August und damit verbundenen Bodenwasser-Vorräten im Allzeit-Tief warteten viele Anbauer den am 8. September einsetzenden Regen ab, um kurz vor- oder nachher zu säen. Die Auflaufbedingungen nach der späten Saat waren somit verbreitet gut, weil Starkregenereignisse nur regional auf frisch gesäten Flächen niedergingen.
Mit 14,2 °C traf der September exakt das langjährige Mittel und war mit 111 l/m2 (langjähriges Mittel: 71 l/m2) der 11. regenreichste seit Beginn der Aufzeichnung. Doch während viele Wetterstationen bis zum Ende des Monats wieder nutzbare Feldkapazitäten von 100 % in den obersten 60 cm meldeten, fehlte in anderen Regionen weiter Wasser. In Werl kamen beispielsweise nur 62,4, in Altenberge 62,6 l/m2 zusammen.
Währenddessen lief die Ernte von Mais und die Zuckerwerke sind nach und nach in die Kampagne gestartet. Trotz des frühen Erntebeginns war die Silomaisernte von deutlich zu hohen Trockenmassegehalten geprägt. Schon am 2. September prüften Experten der Landwirtschaftskammer NRW an allen Versuchsstandorten (außer Höhenlagen) Sorten mit Trockensubstanz-Gehalten von über 50 % in der Gesamtpflanze. Selbst späte Sorten hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die 40 %-Marke überschritten. Die Erträge von Silo- und Körnermais sowie Zuckerrüben waren insgesamt stark von der Wasserverfügbarkeit beeinflusst, konnten die Erwartungen aber nur an wenigen Orten in NRW erfüllen.
Viel zu warmer Herbst
Der Oktober und die erste Novemberhälfte stellten wieder neue Rekorde auf. Hohe Temperaturen, sonnige Tage und die Feuchtigkeit aus dem September sorgten aber zunächst für gute Saat- und Auflaufbedingungen des Wintergetreides. Auch Raps- und Zwischenfrucht- konnten ihren Wachstumsrückstand größtenteils kompensieren.
Mit 13,0 °C, 139 Sonnenstunden und 36 l/m2 Regen war der Oktober aber wieder ein viel zu warmer, sonniger und trockener Monat (langjähriges Mittel: 10,1 °C, 105 Std., 73 l/m2). Dieser Trend setzte sich bis zum 15. November fort, sodass die Bestände noch lange deutliches Wachstum zeigten. Wo die Feuchtigkeit aus dem Vormonat ausreichte, brachten späte Grasschnitte noch lohnenswerte Erträge. Raps- und Gerstenbestände gehen hier jedoch teils stark überwachsen in den Winter. Wo der September trockener ausfiel, bremste Wassermangel das Wachstum mitunter früh.
Aufgrund der Trockenheit waren die Bedingungen für Bodenherbizide schlecht. Gepaart mit den hohen Bodentemperaturen führte das zu massivem Auflaufen von Ungräsern. Auf einigen Flächen war eine späte Neusaat bei immer noch guten Bedingungen im November die sinnvollste Option. Nichtsdestotrotz gibt es auch viele Winterungen, die gut entwickelt in die Vegetationsruhe starten.
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