Gülle stinkt. Stunk muss es aber nicht geben. Familie Hanke führt einen Schweinebetrieb in Kalletal, Kreis Lippe. Die Landwirte informieren ihre Nachbarn immer frühzeitig über größere Arbeitseinsätze auf dem Betrieb wie Ernte oder Güllefahren.
Die Duftnote zieht ins Fenster
Dass Gülle riecht, liegt hauptsächlich an dem Schwefelwasserstoff in der Gülle. Und wenn diese „Duftnote“ vom angrenzenden Feld durch das geöffnete Fenster in die Küche weht oder sich in der frisch gewaschenen Wäsche an der Leine festsetzt, rümpft jeder die Nase, auch Ulrike und Klaus Eickmeier.
Unseren Schwerpunkt zum Thema "Gülle: Umweltfreundlicher Dünger mit Konfliktpotential" finden Sie hier.
Das Ehepaar wohnt in Kalletal, Kreis Lippe. Ihr Haus steht im Grünen und ist umgeben von landwirtschaftlichen Flächen. Nun ist die 15.000-Einwohner-Gemeinde in Ostwestfalen nicht wie das Münsterland oder die niedersächsischen Kreise Vechta und Cloppenburg für intensive Tierhaltung und damit hohe Gülleaufkommen bekannt. Trotzdem weht hier einigen Einwohnern hin und wieder eine gehörige Brise Landluft von Nachbars Schweinen um die Nase.
Konventionell und Kreislaufwirtschaft
In Kalletal gab es mal viele Landwirte, in jedem Ort waren es sogar mehrere Kuh- und Sauenhalter. Jetzt sind es noch fünf hauptberufliche Schweinehalter. Einer von ihnen ist Dirk Hanke. Er ist ein Nachbar von Ulrike und Klaus Eickmeier. Die Gülle seiner Tiere landet auf den Feldern, die direkt an das Grundstück der Eickmeiers grenzen.
Dirk Hanke und seine Frau Astrid führen einen konventionellen Betrieb. Sie sind seit 25 Jahren mit Herzblut dabei und immer im Gespräch mit den Kalletalern, genau wie ihre Tochter. „Uns geht es darum, die Menschen mitzunehmen und ihnen zu zeigen, wie moderne Landwirtschaft funktioniert“, sagt Anna-Lena. Die 24-jährige Agrarbetriebswirtin übernimmt in ein paar Jahren den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern.
Schon heute arbeiten Vater und Tochter als Team eng zusammen. Gemeinsam mästen sie Schweine und vermarkten diese regional. Dazu bauen sie Weizen, Gerste, Triticale, Ackerbohnen und Raps an. Der konventionelle Betrieb verfolgt das Prinzip der Kreislaufwirtschaft. Alles, was an Futter von den eigenen Flächen ins Tier reinkommt, kommt auch irgendwann wieder aus dem Tier raus und wird als Dünger aufs Feld gebracht, damit die Pflanzen wachsen und die Tiere Futter haben.
Gülle-Neujahr beginnt am 1. Februar
Auch auf dem Betrieb Hanke fällt am 1. Februar der Startschuss in die Güllesaison. „Wir bringen die Gülle komprimiert aus. Dann riecht es zwar ein paar Tage. Doch das ist immer noch besser, als wenn wir die Gülle intervallartig über mehrere Wochen fahren“, erklärt Dirk Hanke. Ein paar Tage bevor Anna-Lena dann auf den Schlepper steigt, sagen Hankes ihren Nachbarn Bescheid. „Wenn man sich begegnet oder am Haus vorbeikommt, hält man eben an und wechselt drei, vier Worte. Das macht eine gute Nachbarschaft aus und so bleibt man mit den Nachbarn in Kontakt“, berichtet Astrid Hanke. „Uns ist es wichtig, dass die Infos vorab in den Haushalten ankommen. Wir wissen selbst, dass es nicht schön ist, wenn man morgens die Wäsche raushängt, dann zur Arbeit fährt und abends alles nach Gülle riecht, weil der Landwirt von nebenan Gülle gefahren hat“, ergänzt die Bäuerin.
Tipps zum stressfreien Güllefahren
- Hankes legen ein besonderes Augenmerk auf die Streckenplanung.
- Aus Rücksicht auf die Nachtruhe und Lärmbelästigung fahren die Landwirte in der Nähe der Häuser tagsüber.
- Abends bzw. nachts sind die Flächen außerhalb der Siedlungen dran.
Diese Flexibilität trägt Früchte. Für Ulrike und Klaus Eickmeier ist die „Landluft“ vom Hof Hanke ein Teil ihres Lebens in Kalletal wie die weite Natur, die Felder und die Rübenlaster und kein Grund, mit ihrem Nachbarn Stunk zu machen.
Gülle rasch einarbeiten
„Wir empfinden das nicht als Geruchsbelästigung, sondern sehen, dass Dirk immer sehr viel Rücksicht auf uns und andere Anwohner nimmt. Er arbeitet die Gülle immer möglichst schnell ein, sodass die erst gar nicht lange vor sich hin stinkt. Oder wenn er sieht, dass wir Gäste haben und feiern, fährt er die Gülle auf die Felder weiter weg von uns“, berichtet das Ehepaar.
Eine gute Nachbarschaft
Schlechte Erfahrung mit ihren Nachbarn oder Stress mag es woanders geben, hier jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil, dass der Nachbar Landwirt ist und dementsprechend große Maschinen bedienen kann, hat auch Vorteile, bemerken Eickmeiers. Einmal mussten sie eine große, sperrige Tanne auf ihrem Grundstück schlagen. Für das Ehepaar eine nahezu unlösbare Aufgabe. Aber Dirk Hanke war sofort mit Schlepper und Säge zur Stelle. „Das ist eben das Schöne. Unsere Nachbarschaft funktioniert“, bringt es Ulrike Eickmeier auf den Punkt.
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