Pflanzenschutzmittel in der Luft?

Pflanzenschutzmittel sollen sich durch die Luft verteilen. Das sagen der Münchener Verein "Umweltinstitut" und das "Bündnis für enkeltaugliche Landwirtschaft". Das Bundesamt für Risikobewertung widerspricht.

Der Verein "Umweltinstitut e.V." in München prangert mit dem Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft die weiträumige Verbreitung von Pflanzenschutzwirkstoffen durch die Luft an. In einer Studie habe das Forschungsbüro „TIEM Integrierte Umweltüberwachung“ zwischen 2014 und 2019 an 163 Standorten in Deutschland Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln fernab von Acker und Grünland gefunden. Insgesamt seien 138 Stoffe nachgewiesen worden, von denen 30 % nicht mehr oder noch nie zugelassen gewesen seien. Vage blieben sie allerdings hinsichtlich der tatsächlichen Gefährdung, die von den gemessenen Werten ausgeht.

Karl Bär, Agrarreferent im Umweltinstitut, sieht ungeachtet dessen die Verbreitung von Pflanzenschutzmitteln durch die Luft als nachgewiesen an und wirft der ­Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vor, diesen Verbreitungsweg bei der Zulassung der Wirkstoffe ignoriert zu haben.


Was ist das "Umweltinstitut"?

Das „Umwelt-Institut München e.V.“ ist kein universitätsnahes Forschungsinstitut, wie der Name vermuten lassen könnte, sondern ein Verein mit derzeit rund 9000 Mitgliedern. Er entstand 1986 in Folge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und engagiert sich in Fragen des Naturschutzes. Das "Institut" besitzt und betreibt also selbst kein Labor, in dem Umweltfragen mit wissenschaftlichen Analysemethoden geklärt werden können. Vielmehr ist das "Umweltinstitut“ ein regionaler Interessenverband, manche würden auch sagen: ein Ökolobbyist.

Verbot bis 2035

Der Vorsitzende vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, Boris Frank, konstatierte, dass die Studie belege, dass Pestizide über die Luft auch auf biologisch bewirtschaftete Äcker gelangten. Bislang trage die Biobranche die Kosten für die aufwendigen Kontrollen ihrer Produkte und für belastete Ware weitgehend selbst. Die Organisationen forderten das sofortige Verbot der fünf Wirkstoffe Glyphosat, Pendimethalin, Prosulfocarb, Terbuthylazin und Metolachlor, den Ausstieg aus dem Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel bis 2035 und die Entschädigung von Biobauern bei Nachweis solcher Wirkstoffe in ihren Erzeugnissen.

Der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Prof. Dirk Messner, begrüßte die Studie, relativierte aber die Gefahren für die Natur.

UBA: Keine direkte Gefahr

Nach Messners Einschätzung liefert die Untersuchung wertvolle und deutschlandweite Daten zur Verbreitung von Pflanzenschutzmitteln über die Luft. Was die Umweltauswirkungen angeht, muss man laut dem UBA-Präsidenten jedoch differenzieren: Die jetzt im Rahmen der Studie weiter entfernt gefundenen Rückstände würden zumindest unmittelbar keine Gefahr für Tiere und Pflanzen bergen, da die nachgewiesenen Konzentrationen ganz überwiegend deutlich unter dem lägen, was das UBA im Nahbereich zulassen würde.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung stellte fest, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen bei sachgerechter und bestimmungsgemäßer Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unwahrscheinlich seien. Dies gelte auch im Falle von Abdrift, Verflüchtigung und Verfrachtung von Wirkstoffen.

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