Als Green Deal liegt die Forderung klar auf dem Tisch. Landwirte, Gärtner, Winzer sollen in absehbarer Zeit nur noch die Hälfte der bisherigen Wirkstoffmenge auf ihren Flächen ausbringen. Alternative stehen aber häufig noch nicht bereit. Deshalb läuft den Anwendern, aber auch den Produzenten der Präparate die Zeit davon.
Chemie ohne Alternative
Für Dr. Bernd Rodemann vom Julius-Kühn-Institut in Braunschweig ist chemischer Pflanzenschutz auch in Zukunft unverzichtbar, da er hilft, die Nahrungssicherheit zu gewährleisten. Die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln sieht er aber durch zunehmende Resistenzen gefährdet, da die Vielfalt der Wirkstoffe und Wirkmechanismen zu gering ist. Dies erfordert ein Neuausrichtung der Wirkstoffentwicklung.
Der Pflanzenschutzexperte weist während eines Fachsymposiums der Adama ausdrücklich darauf hin, dass im integrierten Pflanzenschutz erst alle anderen Werkzeuge wie ackerbauliche Maßnahmen, etwa Fruchtfolge oder Ackerhygiene, Pflanzenzucht und anderes eingesetzt werden muss, bevor chemische Präparate zum Einsatz kommen dürfen. Rodemann ist aber davon überzeugt, dass sich chemische und nicht chemische Methoden kombinieren lassen, um eine Wirkstoffübernutzung und Resistenzbildung zu verhindern. Dabei helfen auch digitale Tools und verlässliche Prognosemodelle, mit denen sich Mittel zielortgenau applizieren und dosieren lassen. Unnötige Behandlungen und Dosierungen sind unbedingt zu vermeiden. In dem Zusammenhang sind die Kenntnisse des Anwenders von der Biologie der Schadorganismen von entscheidender Bedeutung.
High-Tech oder Hackmesser
Tima Klemann, Leiter Produktlinie Pflanzenschutztechnik bei Amazone, verbindet zwar mit den high-tech-Lösungen ein großes Wirkstoffminderungs-Potential, doch ganz allein damit will auch er die Zukunft nicht meistern. Für ihn besteht zwischen High-tech und Hackmesser keine Konkurrenz, vielmehr ergänzen sich die beiden Bereiche, zumal heutige Hacken mit Kamerasteuerung auch mit High-Tech arbeiten.
Klemann unterscheidet bei der Applikation von Pflanzenschutzmitteln zwischen der Ausbringung auf der Fläche, in der Reihe und der punktgenauen Einzelpflanzenbehandlung. Für alle Anwendungen gibt es bereits heute ausgereifte technische Lösungen. Einzeldüsenabschaltungen, um die Überlappung zwischen Fläche und Vorgewende-Ausläufern auf ein Minimum zu reduzieren, gibt es schon lange. Außerdem ist es heute möglich, dass mit Mehrfach-Düsenköpfen ausgestattete Spritzbalken mit dem üblichen Düsenabstand flächig spritzen, aber mit anderen Düsen und 35 cm Applikationshöhe im Band spritzen, vorausgesetzt die Maschinensoftware ist entsprechend ausgestattet.
Eine in der Hacke integrierte Bandspritzung ist nach Meinung von Klemann zwar sehr präzise, aber der Anwendungszeitpunkt für das Hacken und für das Spritzen passen nicht immer gut zusammen.
Eine Weiterentwicklung ist das sogenannte Spotspraying. Damit lassen sich Einzelpflanzen mit einem Düsenbalken behandeln, wenn eine Kamera Unkräuter erkennt und einzelne Düsen gezielt schaltet.
Zukünftig werden Roboter im Pflanzenschutz Aufgaben übernehmen und so weitere Mitteleinsparungen ermöglichen.
Alternative Biostimulanzien
Biostimulanzien wird häufig nachgesagt, dass sie Pflanzenschutzmittel ersetzen können. Pia Skroch vom Industrieverband Agrar hält dieses Erwartungsniveau aber für unrealistisch. Sie ist davon überzeugt, dass Biostimulanzien Betriebsmittel zwar nicht ersetzen, aber durchaus positiv ergänzen können, vor allem wenn es darum geht, abiotischen Stress zu mindern. Sie sind besonders dort effektiv, wo Standort und Umweltbedingungen nicht optimal sind. Für Skroch ist klar, dass Biostimulanzien jetzt richtig durchstarten. Kleine, mittelständische, aber auch große Unternehmen forschen intensiv in dem Bereich. Nachweislich wirksame Produkte werden die Akzeptanz der Anwender verbessern.
Dr. Rodemann ordnet Biostimulanzien nicht dem integrierten Pflanzenschutz zu, da sie in der Regel vorbeugend wirken, aber sie spielen für ihn trotzdem im Pflanzenbau eine wichtige Rolle.
Keine Panikmache
Markus Grimm, Geschäftsführer Adama Deutschland GmbH, schätzt die Versorgungslage der Pflanzenschutzmittel für die kommende Saison wie folgt ein:
- Fast alle Wirkstoffe sind drastisch teurer geworden, das Bild ist aber heterogen, außerdem sind viele chinesische Provinzen energetisch reguliert, was die Produktion unzuverlässig macht.
- Die Vorlaufzeit für Container beträgt aktuell drei Monate. Grimm mochte aber trotz der komplizierten Lage keine Panik verbreiten, empfahl aber, die Mittel für lange planbare Maßnahmen frühzeitig zu ordern.
Lesen Sie mehr: