Für Prof. Dr. Paul Schulze-Lefert, einer der vier Direktoren des Max-Planck-Institutes für Pflanzenzüchtungsforschung, ist völlig klar, dass der Pflanzenbau möglichst schnell den Verbrauch an synthetischem Stickstoff und an Pflanzenschutzmitteln reduzieren sollte. Diese Forderung richtet der Wissenschaftler aber nicht an die Landwirte. Er spannt sich bewusst selbst vor diesen Karren, die Forderung ist Antrieb für seine tägliche Forschungsarbeit. Er sieht aber auch mögliche Lösungen.
Einzigartige Merkmale
Um seine Forderung zu belegen, schaut Schulze-Lefert in das Jahr 1934 zurück. Zu dem Zeitpunkt war die Lupine die wichtigste Eiweißpflanze in Europa. Doch heute fristet die Leguminose ein Nischendasein, obwohl sie mit den an ihren Wurzeln assoziierten Knöllchenbakterien wenigstens ein Stückweit das Stickstoffproblem lösen könnte. Der Grund sind unbeherrschbare Krankheiten, die lange immer wieder zu drastischen Ertragsausfällen bis zu Totalverlusten geführt haben.
Max-Planck-Gesellschaft
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) wurde 1948 in Göttingen als Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gegründet. Von ihr übernahm die MPG sowohl den Auftrag, Grundlagenforschung in eigenen Instituten zu betreiben, als auch fundamentale Prinzipien und Strukturen der Forschungsförderung. Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) war 1911 in Berlin gegründet worden und hatte sich dank ihrer überragenden wissenschaftlichen Erfolge national und international rasch etabliert. Wegen der Nähe zum NS-Regime drangen die West-Alliierten nach 1945 darauf, die KWG aufzulösen. Unter dem Namen des international renommierten und politisch unbescholtenen Physik-Nobelpreisträgers Max Planck gelang 1948 der Neuanfang. Die MPG entwickelte sich zu einer tragenden Säule im Wissenschaftssystem der BRD. Nach der Wiedervereinigung kamen zahlreiche Institute im Osten Deutschlands hinzu.
„Um dem vorzubeugen, müssen wir die agronomischen Eigenschaften verstehen und dann gezielt verbessern“, so der Forscher. Der erste Schritt dazu ist für ihn das Entschlüsseln des Genoms, um zu verstehen, warum eine Pflanze ihre Merkmale so ausprägt, wie sie es eben tut. Dazu zählen beispielsweise die Gestalt des Blattes, seine Stellung zur Triebachse, ob eine Pflanze einjährig wie Getreide, Körnerleguminosen oder mehrjährig wie Rüben oder ausdauernd wie viele Gräser wächst.
Selbst innerhalb einer Art unterscheiden sich die Eigenschaften teilweise überraschend deutlich. Doch diese Unterschiede beruhen auf einer natürlich genetischen Vielfalt. Diese wiederum liefert das Rohmaterial für die Pflanzenzüchtung.
Effektive Infektionsabwehr
Zu den Merkmalen einer Pflanze gehört auch, inwieweit sie in der Lage ist, die Infektion einer Krankheit abzuwehren. Schulze-Lefert erklärte den Besuchern einer Fachtagung der Bayer Crop Science Deutschland GmbH, dass sich auch Pflanzenkrankheiten pandemisch ausbreiten können. Nur wird das von der Öffentlichkeit in der Regel nicht wahrgenommen.
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Als Beispiel führte er den Schwarzrost, eine Unterart das Schwarzen Stängelrostes, an. Sie kommt nur in einigen Regionen Afrikas und des Nahen Ostens vor, kann dann aber die gesamte Ernte eines Landes vernichten. Nachdem es gelungen war, resistente Sorten zu züchten, galt der Schwarzrost lange als besiegt. Doch 1998 breitete sich die Krankheit wieder explosionsartig aus. Der Grund war eine hochvirulente, neue Variante – Ug99. Sie kann etwa 80 % der Weizensorten befallen.
Bekannt ist, dass das Protein Sr35, nur der Einkorn kann es bilden, Getreide eine Resistenz gegen Ug99 verschafft. Langwierige Kryo-Elektronenmikroskopie klärte die Funktion auf: Die resistenten Pflanzen lassen die Zellen rund um die Infektionsstelle absterben, sodass sich der Eindringling nicht weiter vermehren kann.
Offen für neue Technologien
Schulze-Lefert ist davon überzeugt, dass die Landwirtschaft vor einem radikalen Wandel steht. Trotzdem ist sie seiner Meinung nach in der Lage, die Herausforderungen, die etwa die wachsende Bevölkerung oder der Klimawandel bereithalten, zu meistern. Dazu gehört dann aber, dass die Gesellschaft das Nutzen der zur Verfügung stehenden Technologien akzeptiert, was für ihn Genom Editing unbedingt einschließt.
Der Wissenschaftler erwartet, dass der Anteil der globalen Erntemengen, die sich ursächlich auf eine erfolgreiche Pflanzenzucht zurückführen lässt, weiter steigen wird. Dabei lässt sich trotzdem die Effizienz des Ressourceneinsatzes verbessern, wenn Verfahren wie CRISPR Cas in der Pflanzenzucht zum Einsatz kommen.
Noch weitgehend unbekannt
Um Nutzpflanzen in der Zukunft resilienter zu machen gegenüber starken Veränderungen des Lebensraumes, ist es für Schulze Lefert unabdingbar, die Aktivitäten des Bodenbioms, der Gesamtheit aller im Boden lebenden Mikroorganismen, zu verstehen und dann gezielt auch für die Pflanzenzüchtung zu nutzen.
Doch in dem Bereich muss die Forschung noch viele Fragen klären. So lassen sich heute mit molekularbiologischen Methoden mikrobielle Lebensgemeinschaften im Boden und deren Assoziation zu Kulturpflanzen aufdecken.
Damit ist teilweise klar, welche Bakterien, welche Pilze, eine Rolle für das Gedeihen von Kulturpflanzen spielen. Eine solche mikrobielle Lebensgemeinschaft kann unter Umständen schon zehn Tage nach der Aussaat entstehen.
Die spannende Frage ist jetzt, wie sich diese ersten Erkenntnisse für die Pflanzenzüchtung nutzen lassen, um die Effektivität der Nutzpflanzen noch weiter zu steigern. Es gibt noch viel zu tun.
Mit Genom Editing arbeiten
In der EU sind Freilandversuche mit Pflanzen, die durch beispielsweise CRISPR Cas entstanden sind, verboten. Viele andere, für die Lebensmittelversorgung wichtige Staaten haben sich offener positioniert, in einigen ist es mehr oder weniger die Standardmethode. So ist unklar, nach welchen Regeln der Warenverkehr zukünftig abgewickelt wird.
Die Forschenden des Max-Planck-Institutes haben sich zwar in die Diskussion eingebracht, diese ist aber längst nicht beendet. Schulze-Lefert bedauert das, da die chirurgisch feinen Eingriffe durch CRISPR Cas nachweislich zu Erfolgen, zu Pflanzen mit besseren funktionellen Eigenschaften führen. Er hofft, dass keine Chance vertan wird.
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