Je nach Witterung, Schädlingsbefall und Krankheitsvorkommen bringen Frühjahrsfungizide im Raps entweder kaum oder sogar sehr deutliche Mehrerträge. Doch wie lässt sich der Mehrwert einer Maßnahme im Frühjahr 2023 abschätzen?
Ausgangssituation
Der vergangene Herbst war im Vergleich zu den Vorjahren ungewöhnlich warm – Anfang September, kurz nach der Rapssaat, herrschten teilweise noch Temperaturen von über 30 °C. Auch der Folgemonat reihte sich in die Liste der „goldenen Oktober“ ein. Lediglich Mitte bis Ende September brachten Niederschlagstage etwas Wasser in die Böden, sodass sich der Raps insgesamt dennoch sehr gut entwickelte und im Herbst bereits zum Teil üppige Bestände vorzufinden waren.
Dies führte dazu, dass viele Landwirte ihre Bestände einkürzen mussten. Vielfach arbeiteten sie hierzu mit Carax, Toprex oder einer Mischung aus Carax oder Tilmor. Erfahrungen aus den vergangenen Jahren haben jedoch gezeigt, dass ein Einkürzen im Herbst nicht pauschal zu Mehrerträgen führt. Vielmehr muss von Jahr zu Jahr und schlagspezifisch entschieden werden (siehe Grafik).
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Phoma als Problem?
Der aufgetretene Befall mit der Wurzelhals- und Stengelfäule (Phoma lingam) ist in diesem Winter durch die milden Temperaturen überdurchschnittlich hoch ausgefallen. In der Regel muss ein stärkeres Auftreten mit Phoma behandelt werden, um die Pflanzen gesund zu halten und Erträge zu sichern.
Die Behandlung mit Fungiziden kann eine Phoma-Infektion auf den Blättern allgemein reduzieren, nicht selten sind Wirkungsgrade bis zu 50 % möglich. Der Phoma-Pilz wächst von den Blättern aus über die Blattstiele in den Wurzelhals hinein. Eine sehr frühe Infektion mit dieser Krankheit im Herbst – also in der Phase, in der das fünfte Blatt noch nicht entwickelt ist – kann in der Regel unbeachtet bleiben. Diese Blätter altern sehr schnell und sterben in der Regel meist noch vor dem Winter ab, sodass der Pilz nicht die Entwicklungszeit hat, bis in den Wurzelhals zu wachsen und mit den abgestorbenen Blättern abfällt. So ist eine Fungizidbehandlung in normalen Jahren auch erst ab dem 6-Blatt-Stadium sinnvoll.
In diesem Jahr stellt sich die Situation anders dar: Aufgrund der sehr günstigen Bedingungen kann der Pilz im Winter auf einzelnen Schlägen bereits in die Stängel gewachsen sein. Von einer direkten, pauschalen Behandlung ist jedoch abzuraten. Vielmehr sollten Anbauer die kommende Witterung abwarten und beobachten.
Sollte es ein feucht-nasses Frühjahr werden und sich der Phoma-Pilz weiter ausbreiten, dann ist eine Behandlung sinnvoll. Hierfür können unter anderem 0,5 bis 1,0 l/ha Carax, 0,35 bis 0,5 l/ha Toprex oder 0,5 bis 1,0 l/ha Folicur zum Einsatz kommen.
Sollten wir jedoch ein trockenes Frühjahr – ähnlich wie 2022 – bekommen, wird eine Behandlung nicht empfohlen, da sich der Pilz dann nicht weiter ausbreiten kann.
Biostimulanzien als Fungizid-Alternative?
Seit einigen Jahren stehen verschiedene biologische Präparate unter anderem für den Raps zur Verfügung. Die neue Produktgruppe der Biostimulanzien soll, wie aus dem Namen bereits hervorgeht, die Entwicklung und das Wachstum der Pflanzen über Enzyme und Phytohormone stimulieren und so die Stresstoleranz dieser gegenüber abiotischen und biotischen Stress (z. B. Pilzkrankheiten) verbessern.
Für Raps stehen Produkte wie Megafol, Utrisha oder Sealicit zur Verfügung. Sicherlich wird das Angebot in Zukunft noch zunehmen.
Die Wirksamkeit der Produkte in der Praxis kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Vielversprechende Ergebnisse aus Versuchen im geschützten Bereich sind nicht 1 : 1 auf das Freiland zu übertragen, weil äußere Umwelteinflüsse einen wechselnden Einfluss auf Pflanzen nehmen. Weitere Versuche hierzu wird die Landwirtschaftskammer NRW in den nächsten Jahren vorstellen.
Es ist aber bereits abzusehen, dass Biostimulanzien aufgrund einer geringeren Wirksamkeit im Vergleich zu Fungiziden – entgegen zahlreicher Werbeversprechen der Anbieter – vielmehr eine Ergänzung sein werden. So können sie bestehende Fungizide nicht ersetzen, sondern allenfalls deren Einsatz reduzieren.
Einkürzen im Frühjahr
Die im vergangenen Jahr extrem hohen Rapspreise haben in der Vorsaison zum vermehrten Einsatz von Fungiziden geführt, da die wirtschaftliche Bekämpfungsschwelle hierdurch früher erreicht war. Bereits im vergangenen Jahr lagen aber Versuchsergebnisse vor, die belegen, dass der Einsatz von Frühjahrsfungiziden in feuchteren Jahren deutlich wirtschaftlicher ist als in trockenen Jahren.
Das eher feuchte Jahr 2021, in dem deutliche Mehrerträge erzielt werden konnten (siehe Grafik), belegt die Wirtschaftlichkeit bei feuchter Witterung. Aus den Versuchsergebnissen von 2022 geht hervor, dass sich durch das trockene Frühjahr keine nennenswerten Mehrerträge aus dem Einkürzen ergaben – weder durch die Frühjahrseinkürzung noch aus dem Herbsteinsatz. Lediglich die Doppelbehandlung ergab einen geringen Mehrertrag. Betriebe, die ihre Bestände im Herbst bereits eingekürzt haben, sollten mit einer Frühjahrsbehandlung dennoch zurückhaltend sein und die Witterung genau beobachten.
Anders sieht es bei den Betrieben aus, die im Herbst noch keine Behandlung durchgeführt haben und zudem sehr früh gesät haben: Sollten sich diese Bestände bereits in einem sehr üppigen Wachstum befinden oder – wie auf einzelnen Schlägen zu beobachten ist – überwachsen sein, ist eine Behandlung sinnvoll und geboten.
Die Nährstoffversorgung, die Andüngung im Herbst sowie die organische Nachlieferung bzw. Strohabfuhr der Vorfrucht sind hierbei zu beachten, denn hiernach richtet sich aufgrund der Nährstoffverfügbarkeit im Boden das weitere Wachstum der Pflanzen. Für die Behandlung bieten sich Produkte wie 0,5 bis 1,0 l/ha Carax, 0,8 l/ha Tilmor oder 0,35 bis 0,5 l/ha Toprex an. Alternativ können Anwender auch mit zum Beispiel 0,2 bis 0,3 l/ha Tokyo + 0,5 l/ha Orius arbeiten.
Vorzugsweise sollte die Behandlung vor längeren Regenperioden durchgeführt werden, um die Pflanze in dieser Phase optimal zu schützen.
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