Mehr Geld für Zucker und Rüben bedeutet, dass der Anbauer mehr Geld vom Hektar bekommt. Gleichzeitig sind aber auch die Anbaukosten gestiegen. Was bedeutet das für die Attraktivität des Rübenanbaus – auch im Vergleich zu anderen Kulturen? Und welche Lösungen bietet die Branche, wenn herbizide und fungizide Wirkstoffe wegfallen?
Über 40 €/t? „Muss auch!“
Diese Themen diskutierten Landwirte aus dem Westmünsterland vergangene Woche auf einem Zuckerrübenfeldtag in Velen-Holthausen mit Anja Keuck, Pflanzenbauberaterin bei der Landwirtschaftskammer NRW in Borken, sowie Vertretern von Pfeifer und Langen und weiteren Experten aus der Branche.
„Aktuell erwarten wir für die kommende Kampagne Zuckerverkaufserlöse von mindestens 600 €/t“, berichtete Tim Wischmann, Anbauberater und Werksbeauftragter bei Pfeifer und Langen in Appeldorn. Das würde für Lieferanten im Flexpreismodell bei Pfeifer und Langen bedeuten, dass Erzeugerpreise von über 40 bis 45 €/t Rüben sehr realistisch sind.
„Und das muss auch so sein“, ergänzt Wischmann, „denn auch die Erzeugerpreise für Alternativkulturen haben deutlich angezogen.“ Zudem seien aber auch die Anbaukosten durch höhere Diesel- und Düngerpreise deutlich gestiegen. Daher hofft man bei Pfeifer und Langen auf weiter steigende Zuckerpreise, die dem Unternehmen Erzeugerpreise von deutlich über 45 €/t Rüben ermöglichen. Spätestens dann sieht man die Rübe bei Pfeifer und Langen „auf Augenhöhe mit anderen Kulturen“, wie Wischmann betont.
„Lohnt sich das auch?“
Bei den aktuell bewegten Marktlagen – sowohl für Zucker als auch für Alternativkulturen – könne man natürlich erst nach der Ernte sagen, ob sich der Rübenanbau im Vergleich zu anderen Kulturen tatsächlich gelohnt hat, meint Heinz Leipertz, Regionsleiter für das Rheinland und Münsterland bei Pfeifer und Langen.
„Wenn der Rübenpreis am Ende bei 45 €/t landet, können die Anbauer im Vergleich zum Erzeugerpreis von 32 €/t im Vorjahr mit deutlichen Mehrerträgen rechnen, die die um etwa 400 bis 500 €/ha höheren Anbaukosten deutlich übertreffen“, so Leipertz. Seiner Einschätzung nach handele es sich bei der Prognose von 600 €/t Zucker zudem um eine „fast konservative Schätzung“.
Kampagne gesichert
Entgegen einiger Befürchtungen müssten Anbauer sich keine Sorgen machen, dass die Zuckerrüben gar nicht verarbeitet werden können, betonte Wischmann in Velen. „In Appeldorn arbeiten wir zwar schon seit 2010 – wie es langfristig für alle Werke geplant ist – mit Gas, aber sowohl der Ofen als auch die Tanks für den Heizölbetrieb sind noch vor Ort.“ Aktuell lässt das Unternehmen die Öltanks befüllen und plant damit schon fest mit dem kurzfristigen Umstieg.
Auch in den weiteren Werken des Unternehmens sei die Produktion nicht gefährdet. In Jülich ist das einzige Werk, in dem kurzfristig keine Alternative zu Gas bestehe, „daher können wir die gesamte verfügbare Gasmenge für Jülich einplanen“, so Wischmann.
Neues aus der Branche
Auf dem Feldtag konnten die Landwirte sich außerdem von Innovationen rund um die Zuckerrüben überzeugen. Dazu zählten neben Sortendemonstrationen mit Resistenzen gegen Schädlinge, Blattkrankheiten und viröse Erkrankungen besonders Maschinen für die mechanische Unkrautkontrolle. Ebenso wie Pfeifer und Langen beschäftigt sich auch Keuck mit diesem Thema.
Die Mechanik könne nicht nur Wirkstofflücken schließen, sondern auch die Mineralisation anregen, wodurch der Bestand eher eine vollständige Bodenbeschattung erreicht. Neben der Kombination aus Hacke und Feldspritze sowie dem autonom arbeitenden „Farming GT“ (siehe Wochenblatt-Ausgabe 22/2022 ab Seite 26), war auch das Konzept des Unternehmens Zauberzeug im Einsatz. Die Entwickler wollen die Arbeit der Hacke ergänzen, indem ihr Roboter die in der Kulturreihe verbliebenen Unkräuter zielgenau entfernt. Dabei bohrt das Gerät nur die Unkrautpflanze aus dem Bestand und lässt den übrigen Boden unberührt, um dem Neuauflauf von Pflanzen vorzubeugen und die Erosionsgefahr zu mindern.
Landtechnik-Hersteller Volmer präsentierte Geräte zur Unterfußdüngung per Gülle bzw. Mineraldünger. Die Rüben sollen dadurch eine schnellere Jugendentwicklung und damit Bodenbeschattung erreichen und am Ende höhere Erträge erzielen. Versuchsergebnisse hierzu stehen noch aus.
Mehr Zucker aus dem Westmünsterland?
Eine anspruchsvolle Kultur mit schlechten Preisen: Die Zuckerrübe hatte zuletzt gerade in weiteren Entfernungen zu Zuckerfabriken einen schlechten Ruf. Jetzt steigt der Preis, und damit die Attraktivität auch in diesen Regionen?
Weil parallel zu den Erzeugerpreisen für alle Kulturen auch die Düngerkosten extrem angestiegen sind, sieht Tim Wischmann die Zuckerrübe gerade im Westmünsterland im Vorteil, „da sie durch ihren späten Stickstoffbedarf zur Zeit der meisten Mineralisation sehr gut in die viehstarke Region mit viel organischem Dünger passt.“
Zudem könne sie als Sommerung viele Fruchtfolgen sinnvoll erweitern und die Möglichkeiten im Unkrautmanagement erweitern, betont Anja Keuck. Um die Attraktivität des Anbaus zu steigern, hat Pfeifer und Langen die Vertragsmodelle nach eigenen Angaben verbessert. Dazu gehört, dass die Verträge jährlich gekündigt oder angepasst werden können. Interessant für viele Anbauer im Westmünsterland sei außerdem, dass die Frachtkostenbeteiligung für Entfernungen zwischen 60 und 120 km zur Fabrik auf aktuell 1,80 €/t Rüben gedeckelt ist.
Lesen Sie mehr: