Hitze, wochenlange Trockenheit, Dürre und Missernten. Die folgen des Klimawandels sind bekannt und zumindest dessen Vorboten haben sich in den vergangenen Jahren auch in NRW bemerkbar gemacht.
Dass es wichtig ist, Veränderungen anzustoßen, um die Entwicklung aufzuhalten, ist unbestritten. Immer größer wird daher auch der gesellschaftliche Druck auf eine vergleichsweise kleine Berufsgruppe: die Landwirte. Zu Recht?
Mehr als Klimaschutz
Die Landwirtschaft bewegt sich in einem besonderen Spannungsfeld. In erster Linie muss sie die Ernährung sichern, seit einigen Jahren auch mehr und mehr Energie erzeugen und jetzt soll sie auch einen großen Teil zum Klimaschutz beitragen. Doch wie groß ist der Hebel über Veränderungen in der Flächenbewirtschaftung?
„Klar ist, dass Landwirtschaft ohne Treibhausgasemissionen schlicht nicht möglich ist“, betonte Caroline Labonte, Referentin für Ressourcenschutz und Regionalplanung bei der Landwirtschaftskammer NRW, neulich bei einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse Pflanzliche Erzeugnisse und Umwelt des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV). Im Fokus steht bei den Emissionen der Landwirtschaft weniger Kohlenstoffdioxid (CO2), sondern vor allem Methan und Lachgas, so Labonte. Diese Gase entstehen unweigerlich unter anderem bei der Verdauung von Wiederkäuern sowie bei der Güllelagerung und Stickstoffdüngung.
Das Problem dabei: Umgerechnet auf den Faktor CO2-Äquivalent, mit dem die Wirkung auf das Klima beschrieben wird, „wird jedes Methan-Molekül mit dem Faktor 28 bewertet“, erklärt Labonte. Bei Lachgas sei es sogar der Faktor 265. Diese Faktoren sind wiederum nicht messbar, sondern werden errechnet. Sie wurden nach neuesten Forschungen und Berechnungen um rund 10 % nach oben (Methan) bzw. unten korrigiert. Kommen künftige Berechnungen aber zu dem Ergebnis, dass die Gase doch klimaschädlicher seien, könnte sich die Bewertung landwirtschaftlicher Emissionen verändern.
Branche übertrifft Ziele
„Bislang müssen landwirtschaftliche Betriebe keine einzige konkrete Maßnahme mit unmittelbarem Bezug auf den Klimaschutz umsetzen“, verdeutlicht die Expertin, dass der Druck aktuell tatsächlich eher von der Gesellschaft als aus der Politik kommt. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Landwirtschaft die im Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele zuletzt deutlich übertreffen konnte.
So hätte der Sektor Landwirtschaft in Deutschland im Jahr 2020 „70 Mio. t CO2-Äquivalent emittieren dürfen. Tatsächlich waren es aber nur 66 Mio. t CO2-Äquivalent“, berichtet Labonte. Das entspricht einem Anteil von etwa 8 % an den gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland. In NRW liegt der Anteil der Landwirtschaft sogar bei nur 3,1 %.
Dennoch seien Minderungsmaßnahmen nötig, um das für 2030 festgeschriebene Ziel von 56 Mio. t CO2-Äquivalent zu erreichen. Zudem appelliert Labonte dafür, sich nicht auf dem aktuell recht geringen Anteil an den Emissionen auszuruhen: „Der gesellschaftliche und auch politische Druck wird steigen, wenn der Anteil der Landwirtschaft in den kommenden Jahren größer wird.“ Und dass er das tun wird, gilt als sicher. Ist der Braunkohleabbau sowie das Verstromen von Kohle in NRW bis zum Jahr 2030 Geschichte, werden die Gesamtemissionen deutlich sinken und der landwirtschaftliche Anteil daran somit deutlich steigen.
Diskussion anders führen
Aus diesem Grund plädieren Labonte und die WLV-Ausschussmitglieder dafür, die Klimawirkung der Landwirtschaft transparent und offen zu kommunizieren.
Wie eingangs beschrieben, lassen sich viele Emissionen in der Landwirtschaft nicht reduzieren oder Einsparungen stehen im Konflikt mit dem Oberziel Ernährungssicherung. So lautete der Konsens unter den Mitgliedern der WLV-Ausschüsse: „Natürlich könnten wir Rinder abstocken oder weniger düngen. Damit kommen wir aber unserer Hauptaufgabe, ausreichend und sichere Nahrungsmitteln zu produzieren, nicht nach.“ Der Aufwuchs klassischer Grünlandstandorte sei nur über den Umweg „Wiederkäuer“ für den Menschen nutzbar. Darüber hinaus berücksichtige die alleinige Betrachtung der Emissionen nicht, dass die Landwirtschaft auch dazu in der Lage ist, CO2 zu speichern.
CO2-Fußabdruck pro kcal?
Auch die Berechnung vieler Statistiken ist für Labonte nicht nachvollziehbar. So werben Unternehmen und Organisationen beispielsweise damit, „dass der CO2-Fußabdruck von Hafermilch deutlich geringer ist als der von Kuhmilch“ – allerdings pro Kilogramm. Betrachte man dagegen den CO2-Fußabruck pro Kalorie, sei der Wert mit 11 bzw. 12 g/kcal fast genau identisch. Jetzt gelte es, diese lebensnäheren Rechenwege in die Öffentlichkeit zu tragen. Hierzu arbeitet die Landwirtschaftskammer NRW aktuell an faktenbasierten Rechenmodellen.
Im Bezug auf den Ackerbau heißt das konkret: „Wir müssen der Öffentlichkeit zeigen, wie effektiv die Landwirtschaft ist, indem wir immer den Input und Output betrachten“, so die Expertin. In eigenen Berechnungen auf Grundlage von Stickstoff-Steigerungsversuchen konnte sie nachweisen, dass der CO2-Fußabruck eines Kilogramms Weizen von vielen verschiedenen Faktoren wie Boden oder Witterung abhängt. Der Standort hat dadurch einen großen Einfluss auf den CO2-Fußabdruck.
Das heißt: Je weniger Stickstoff ein Landwirt düngt, desto weniger Lachgas emittiert er. Gleichzeitig erntet er aber auch weniger Weizen, sodass sich der CO2-Fußabruck pro Kilogramm Weizen nicht zwingend verringert.
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