Der Erste Bodenzustandsbericht Landwirtschaft war 2018 eine Premiere in Deutschland: Zum ersten Mal wurde deutschlandweit und repräsentativ mit einer Inventur der landwirtschaftlich genutzten Böden begonnen. Für den Bericht wurden im Zeitraum von 2012 bis 2018 über 120.000 Bodenproben an über 3000 Beprobungspunkten genommen und analysiert.
Boden: bedrohlicher Zustand
In den Medien wurde vor allem über die hohen Summen an Humus berichtet, die insgesamt in den Böden Deutschlands gespeichert sind. Diese Betrachtung verschleiert jedoch den bedrohlichen Zustand, in dem wir uns landwirtschaftlich befinden, denn da Moor- und Grünlandböden mit eingerechnet sind, die sehr hohe Humusgehalte aufweisen, verschleiert die Gesamtzahl den Humusverlust in Ackerböden.
Dr. agr. Andrea Beste ist Agrarwissenschaftlerin und Diplom-Geografin, leitet das „Büro für Bodenschutz und Ökologische Agrarkultur“ in Mainz und ist seit 2008 in der Beratung tätig für den Bundestag und das EU-Parlament in den Bereichen Umwelt-, Agrar- und Lebensmittelpolitik. Seit 2017 ist sie Mitglied der beratenden Expertengruppe zum Ökolandbau der EU-Kommission.
Schon laut einer Auswertung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus dem Jahr 2008 wiesen 34 % der Ackerböden einen Humusgehalt von unter 2 % auf. Auch für Europa gilt: Bei 45 % der europäischen Böden liegt der Gehalt an Organischer Substanz unter 2 %.
Das ist für eine nachhaltige Nahrungsmittelversorgung und die Aufrechterhaltung von Ökosystemleistungen bedrohlich. Nach Ansicht der Agrarwissenschaftler des Europäischen Boden-Netzwerks (ESBN) befinden sich Böden mit einem Gehalt an Organischer Substanz von weniger als 3,6 % im Vorstadium der Wüstenbildung. So zeigen denn auch 35 % der Böden in Europa Verdichtungserscheinungen. 17 % gelten als degradiert.
Meine eigenen Begutachtungen von insgesamt über 450 Standorten in Europa haben diesen alarmierenden Zustand vieler Böden ebenfalls bestätigt. Um für vermehrt auftretende Trockenphasen, aber auch Starkregenfälle gewappnet zu sein, reicht das bei Weitem nicht.
Mineraldünger sind Humusfresser
Was man heute aus der Grundlagenforschung weiß: Mineraldünger sind nicht nur ein großer Humusfresser, sondern schaden auch direkt den für die Boden- und Pflanzengesundheit so wichtigen Mykorrhiza-Pilzen im Boden. Diese sterben nach und nach ab. Die Böden verdichten und emittieren mehr Lachgas, welches 300-mal klimaschädlicher ist als CO2.
Was unsere Böden dringend brauchen, sind organische Dünger wie Kompost und eine vielfältige Durchwurzelung, die Bodenorganismen füttert. Förderlich sind auch Fruchtfolgeerweiterungen und intensiver Zwischenfruchtanbau mit vielfältigen Mischungen. Das sind Maßnahmen, die im Ökologischen Anbau generell angewendet werden, die aber auch im konventionellen Anbau umgesetzt werden könnten. Damit kann ein aktiver Humusaufbau und eine Erhöhung der biologischen Aktivität in Böden geleistet werden.
Den Pflug beiseite stellen?
Einfach nur den Pflug beiseite zu stellen, reicht nicht, denn hier ergibt sich kein Humusaufbau, sondern nur eine Entmischung der Horizonte und das dann häufig zum Einsatz kommende Glyphosat schädigt Bodenorganismen weitaus stärker als eine flache technische Unkrautbehandlung.
Würde die Bodenstruktur auf diese Weise verbessert, profitiert die Aggregatstabilität, und Erosion wird verhindert. Die Wasserspeicherung, Wasserreinigung und Grundwasserneubildung profitiert gleichermaßen, und für Trockenphasen stünde mehr gespeichertes Wasser zur Verfügung.
Noch weiter kommt man mit Agroforstsystemen (Kombination von Acker mit Bäumen), die vor Erosion schützen, Nährstoffe aus tiefen Bodenschichten mobilisieren, das Mikroklima verbessern, die Artenvielfalt fördern und – nach ein paar Jahren – auch noch mehr Wertschöpfung auf der Fläche generieren.
Mehr fördern und forschen
Die Umstellung auf diese Anbausysteme, ihre Erforschung und Verbreitung müssten dringend besser gefördert werden. Die in der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene diskutierten Eco-Schemes böten dafür Möglichkeiten. Wichtig wäre aber auch die Erhöhung der auf agrarökologische Methoden ausgerichteten Forschungsmittel auf mindestens 20 % (statt 1,5 %, wie aktuell).
Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Anbausysteme überlebensfest machen. Dauerhaft erfolgreich und nachhaltig kann nur eine Bewirtschaftung sein, die den höchsten Ertrag pro Einheit gesundes Ökosystem produziert und dafür brauchen wir vor allem: Mehr Humus im Boden und mehr Bodenleben.
Für die Rubrik "Kontrovers" bittet das Wochenblatt Gastautoren um ihre Sicht auf aktuelle Fragen der Landwirtschaft. Die Beiträge geben die Meinung des Autors, nicht unbedingt die der Redaktion wieder.