Wochenblatt: Herr Müller, im Mühlenkreis Minden-Lübbecke haben Sie und weitere Landwirte die „Interessengemeinschaft Gerechte Messstellen“ gegründet. Der Name lässt vermuten, dass sich die IG gegen etwas „Ungerechtes“ richtet. Was treibt Sie und die Berufskollegen um?
Heiner Müller: Die Ausgangslage zum Jahreswechsel war so, dass Petershagen und Umgebung sich großteilig als „rotes Gebiet“ darstellte und außerdem noch die Messstelle mit den schlechtesten Werten in NRW hatte. Wir fühlten uns als dreckigste Region in OWL zu Unrecht an den Pranger gestellt und das hier in einer von bäuerlicher Landwirtschaft geprägten Gegend.
Anstatt zu resignieren, wurde jetzt Ursachenforschung betrieben, da bei näherem Hinsehen gerade die „roten Messstellen“ Fragen nach Herkunft der Nitratwerte aufwarfen. Wir zweifeln nicht die Analysen der untersuchten Stoffe an, wohl aber die Eignung der Messstellen. Dabei dreht es sich um Standort, historische Belastungen und den korrekten Ausbau der Messstellen. Die dort vorherrschenden hohen Nitratwerte hauptsächlich der Landwirtschaft zuzuschreiben, empfanden wir in vielen Fällen als ungerecht. Da das Melden der unserer Ansicht nach fehlerhaften Pegel an das Ministerium nicht den erwarteten Erfolg gezeigt hat, fanden wir uns zu einer Interessengemeinschaft von derzeit mehr als 100 Personen bzw. Familien zusammen.
Welches sind Ihre Hauptkritikpunkte? Was muss sich aus Ihrer Sicht unbedingt ändern?
Sicherlich sehe ich den blinden Aktionismus seitens der Bundespolitik, nach den Androhungen aus Brüssel als größten Fehler in diesem Verfahren. Man hat, anstatt das Ergebnis aus der Düngeverordnung (DÜV) von 2017 abzuwarten, mit immer mehr Regelungen und Beschränkungen versucht, ein schnelles Ergebnis zu erzielen, was faktisch unmöglich war. Wie soll zum Beispiel eine rote Messstelle, welche eine externe, nicht aus der Landwirtschaft kommende Verschmutzung aufweist, beispielsweise durch Einschränkungen der landwirtschaftlichen Praxis wieder grün werden? Die externe Ursache ist ja nicht beseitigt!
Alle Beiträge zum Thema "Rote Gebiete in NRW" haben wir Ihnen hier gebündelt.
Aber auch landwirtschaftliche Belastungen aus der Vergangenheit benötigen im trägen Körper des Bodens Zeit, um sich zu normalisieren. Verbesserungen in kurzer Zeit funktionieren nicht.
Also gehört das Nitrat-Bewertungssystem insgesamt noch einmal auf den Prüfstand?
Mit der neuen Regelung wurde ein außerordentlich kompliziertes System erdacht, welches an der Praxis weit vorbeigeht. Wie kann nur eine einzige Messstelle ein Verfahren nach sich ziehen, welches viele korrekt arbeitende Betriebe abstraft? Wir fordern ein Sondieren von fraglichen Messstellen, unter Abstimmung zwischen LANUV und Landwirtschaftskammer unter Einbindung des Geologischen Dienstes. Dieses Vorgehen wird derzeit vom Umweltministerium NRW mit der Aussage geblockt: „Wir brauchen die gesamte Kapazität des Geologischen Dienstes für uns.“ Das ist Verhinderung, auch vor dem Hintergrund von bundesweit nur 697 EU-Nitratmessstellen. Das deutsche Prinzip für die Bemessung nach Wasserrahmenrichtlinie mit derzeit nur einer EU-Messstelle auf 250 km² ist in meinen Augen gescheitert. Eine Messstellenlotterie auf dem Rücken von Unschuldigen darf es nicht geben.
Sehen Sie „Bewegung“ in das Thema kommen? Immerhin konnten einige IG-Mitglieder kürzlich an einer Messstellen-Funktionsüberprüfung teilnehmen und mit den Fachleuten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) diskutieren …
In der Diskussion mit Frau Dr. Bergmann wurde uns klar, dass wir in den Kernpunkten wie zum Beispiel sauberes Grundwasser und Nachhaltigkeit nicht weit auseinanderliegen. Auch das LANUV hätte sich dem Vernehmen nach eine andere Umsetzung der DÜV gewünscht. „Bewegung“ kann nur dann in das Thema kommen, wenn sich die Politik ohne Einflüsse von außen und mit dem Willen zur Korrektur diesen Bereichen noch einmal fachlich stellt. Wir jedenfalls bewegen uns weiter und lassen dabei unsere Grundwasserkörper und Messstellen extern durch einen Hydrogeologen überprüfen. Bei einer vernünftigen finanziellen und personellen Ausstattung der staatlichen Organe wäre sicherlich auch mehr Bewegung behördlicherseits möglich. Wer ein anfälliges und kompliziertes System wählt, muss es auch handlungsfähig machen.
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