Zuckerrübenanbau

Hinweise zur Notfallzulassung von Cruiser 600 FS

Die Notfallzulassung von Cruiser 600 FS wirft mit ihren Auflagen einige Fragen auf. Dr. Ellen Richter und Dr. Matheus T. Kuska von der Landwirtschaftskammer NRW fassen deshalb die wichtigsten Informationen zusammen.

Die Bekämpfung von Blattläusen als Virusüberträger in Zuckerrüben erfolgte in den beiden vergangenen Anbaujahren wieder wie früher mit Spritzbehandlungen im Feld. Die Behandlungserfolge fielen 2019 und 2020 sehr heterogen aus und zeigten eine gewisse Unsicherheit. Im gemeinsamen Blattlaus-Monitoring mit dem Rheinischen Rübenanbauerverband, dem Zuckerunternehmen Pfeifer & Langen und dem Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer NRW konnte deutlich erfasst werden, dass das Rheinland besonders von starkem Blattlausbefall und Viruserkrankungen betroffen ist.

Aufgrund dieser Untersuchungen geht der Pflanzenschutzdienst von einem hohen Virusreservoir für 2021 aus. Um eine weitere Ausbreitung der Viruserkrankungen einzudämmen, war und ist die Bestrebung, eine sichere Lösung im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes zu finden, sehr hoch. Auf Antrag des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eine Zulassung für Notfallsituationen im Pflanzenschutz gegen Blattläuse als Virusvektoren erteilt. Diese gilt für das Mittel Cruiser 600 FS mit den Wirkstoff Thiamethoxam - vom 01.01.2021 bis zum 30.04.2021 in Zuckerrüben.

Keine unmittelbare Gefahr für Insekten

Der Wirkstoff Thiamethoxam weist zwar eine vergleichsweise hohe Toxizität für Insekten aller Art auf und ist damit auch für Bestäuber (Honigbienen, Wildbienen, Hummeln) gefährlich. Eine Aufnahme des Wirkstoffs durch Bestäuber ist jedoch nur über Nektar, Pollen oder Guttationswasser möglich. Zuckerrüben, die für die Zuckerproduktion angebaut werden, werden schon im ersten Vegetationsjahr geerntet. Sie kommen nicht in die Blüte, weshalb sie für Bienen nicht attraktiv sind. Somit geht von der Beizung keine unmittelbare Gefährdung aus, da bei einer Saatgutbehandlung der Wirkstoff nur für junge Zuckerrüben und in einem minimalen „Hof“ um die Rübenpille verfügbar ist.

Dennoch bestehen auf zwei möglichen Wegen mittelbare Risiken für Bestäuber:

  • Auf dem Rübenfeld wachsen blühende Beikräuter, die den Wirkstoff über Wurzelkontakt mit der Rübenpille aufnehmen.
  • Reste des Wirkstoffs können im Folgejahr (2022) von blühenden Pflanzen aufgenommen werden, da der Wirkstoff Thiamethoxam im Boden vergleichsweise langsam abgebaut wird.

Abschließende Regelungen Mitte Januar

Grundlegende Informationen zum Umgang mit Saatgut, welches nach Art. 53 (Notfallzulassung) mit Thiamethoxam gebeizt ist, sind in der Fachmeldung vom BVL (14.12.2020) gegeben. Die umfassenden und detaillierten Risikominderungsmaßnahmen werden Mitte Januar in einer Verordnung des Landes NRW abschließend geregelt werden. Die umfangreichen Regelungen und Anwendungsauflagen vom BVL und des Landes NRW dienen dem Schutz aller Nicht-Zielorganismen.

Folgende Regelungen betreffen Landwirte, die behandeltes Saatgut nutzen:

  • Die Aussaatstärke ist auf maximal 1,1 Saatgut-Einheiten je Hektar beschränkt.
  • Im gleichen Jahr und im Folgejahr (Ernte 2022) dürfen keine bienenattraktiven Pflanzen - insbesondere Raps, Sonnenblumen, Mais, Leguminosen, Kartoffeln oder Sonderkulturen (z. B. Erdbeeren) – angebaut werden, sofern diese vor dem 01.01.2023 zur Blüte gelangen.
  • Blühende Beikräuter sind vor der Aussaat, sowie in der Kultur und in der Nachfolgekultur zu vermeiden.
  • Die betroffene Fläche darf folgend nicht als Brache oder Blühfläche genutzt werden.
  • Auf erosionsgefährdeten Flächen sind geeignete erosionsmindernde Maßnahmen zu ergreifen, bevor die Aussaat stattfindet, und bis zur Ernte aufrecht zu erhalten. Die Anforderungen gelten für Flächen, denen die Wassererosionsstufen CCWasser1und CCWasser2zugewiesen wurden (CC-Infobroschüre).
  • Sollte es dennoch zu einem Erosionsereignis kommen, ist die zuständige Behörde (Direktor der LWK NRW) zu benachrichtigen.
  • Die Aussaat des behandelten Saatguts darf nur mit mechanischen Sägeräten (dies beinhaltet elektrisch gesteuert und angetriebene Sägeräte) oder mit pneumatischen Sägeräten, die mit Unterdruck arbeiten und in der Liste der abdriftmindernden Sägeräten des JKIs aufgeführt sind, erfolgen.
  • Bei der Aussaat darf jeweils in der äußersten Reihe des zu bestellenden Ackers kein behandeltes Saatgut ausgebracht werden oder die Reihe wird freigelassen oder es ist ein Mindestabstand zum Feldrand von 45 cm einzuhalten.
  • Saatgut darf nicht offen liegen bleiben, verschüttetes Saatgut muss sofort entfernt werden.
  • Sollte ein Umbruch erfolgen oder Rüben auf Teilflächen schlecht auflaufen, sodass diese nachgesät werden müssen, darf nicht erneut mit Thiamethoxam gebeiztes Saatgut genutzt werden.
  • Behandeltes Saatgut darf nicht an Dritte weitergeben oder getauscht werden.
  • Nicht verwendetes mit Thiamethoxam gebeiztes Saatgut muss bis spätestens zum 1. Juni 2021 an die zuständige Ausgabestelle des Zuckerrüben verarbeitenden Betriebs zurückgegeben werden.
  • Die Aussaat ist unter der Angabe von Gemarkung, Flur, Flurstücknummer und Größe der für die Aussaat bestimmten Flächen mindestens drei Werktage vor der Aussaat schriftlich oder auf elektronischem Wege der zuständigen Behördeanzuzeigen.

    Über die praktische Vorgehensweise wird der Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer NRW zeitnah informieren!

Folgende Regelungen betreffen die Abgeber von Saatgut in NRW:

  • Die Saatgutbehandlung ist nur im geschlossenen System in einer vom JKI gelisteten Beizanlagen zulässig.
  • Saatgut darf in NRW ausschließlich an landwirtschaftliche Betriebe abgeben werden, die in den Vertragsgebieten der Zuckerfabriken Euskirchen, Jülich und Appeldorn sowie der Grafschafter Krautfabrik liegen und mit diesen einen Anbauvertrag abgeschlossen haben.
  • Die abgebenden Betriebe übermitteln der zuständigen Behörde, dem Direktor der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen als Landesbeauftragten, zum 15. März 2021 eine Liste der landwirtschaftlichen Betriebe samt der jeweiligen Menge des abgegebenen Saatgutes, an die Saatgut abgegeben wurde. Eine vollständige Liste dieser Betriebe mit den abschließend ausgegebenen Mengen übermitteln sie bis zum 15. Mai 2021.
  • Die abgebenden Betriebe übermitteln der zuständigen Behörde bis zum 1. Juli 2021 die Menge des jeweils von den landwirtschaftlichen Betrieben zurückerhaltenen Saatgutes.
  • Vor der Aussaat sind in geeigneter Weise die zuständigen Bienensachverständigen der regionalen Imkerverbände über den Zeitraum der Aussaat zu informieren. Der Imkerverband Rheinland und der Landesverband Westfälischer und Lippischer Imker e.V. wurden bereits über die Notfallzulassung durch den Pflanzenschutzdienst der LWK NRW informiert.

Verstöße gegen die oben genannten Regelungen sind bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeiten.

Rübenanbau 2021

NRW: Notfallzulassung für Neonicotinoide

von Julian Osthues

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