Den größten Nährstoffbedarf haben Zuckerrüben – ähnlich wie Mais – erst einige Wochen nach der Aussaat. Doch anders als beim Mais ist die Gülledüngung im wachsenden Bestand noch sehr wenig verbreitet. Dass es hierfür jedoch gute Gründe und praxistaugliche Lösungen gibt, zeigen Praktiker aus Ostwestfalen-Lippe.
Der optimale Termin
Auf etwa 20 % der Zuckerrüben-Anbaufläche rund um die Fabrik in Lage bringen die Anbauer erst zum Reihenschluss Gülle in ihren Beständen aus. So auch Werner Lödige, der uns zusammen mit Markus Decker, Anbauberater bei Pfeifer und Langen in Lage, die Vorzüge dieser Art der Düngung erklärt hat.
Die Gülleapplikation vor der Aussaat von Zuckerrüben ist bewährt und hat natürlich auch ihre Vorteile: Die Nährstoffe können sofort in den Boden eingearbeitet werden und die Überfahrt beschädigt keine Kulturpflanzen. „Trotzdem sind wir davon überzeugt, dass die Vorteile einer späteren Gülledüngung überwiegen“, erklärt Decker. Der optimale Zeitpunkt zur Gülleapplikation sei der Reihenschluss, in den meisten Jahren also um Anfang Juli, erklärt Lödige. „Zur Aussaat dünge ich nur eine Startgabe von 25 bis 30 kg/ha Stickstoff. Je nach Ertragserwartung fahre ich dann mit Gülle noch bis zu 100 kg/ha Stickstoff in den Bestand“, so der Praktiker. Zudem sieht er auch das Einarbeiten der Gülle vor der Aussaat kritisch, da jede Bodenbewegung die Verdunstung von Wasser fördert – gerade in trockenen Jahren ein echtes Problem.
Durch die große Blattmasse der Zuckerrüben zum Reihenschluss ist auch die Ammoniakausgasung sehr gering, sind sich die Experten sicher: „Man kann fast nicht riechen, dass auf den Flächen Gülle ausgebracht wurde“, so Decker. Außerdem ist der Boden zum Zeitpunkt der Applikation bereits über 20 °C warm. Gerade bei dünner Schweinegülle, die schnell in den Boden einzieht, beobachteten die Praktiker in den vergangenen Jahren eine Art Harnstoffeffekt. Schon drei Tage nach der Gülleapplikation waren die Pflanzen demnach deutlich dunkler und kräftiger als vor der Düngung.
Nicht zuletzt spielt auch die Verfügbarkeit von Gülle eine Rolle: Während viele Landwirte ihren Lagerraum im zeitigen Frühjahr zur Düngung von Winterungen entleeren, ist bis zur späten Düngung von Zuckerrüben wieder mehr Gülle verfügbar.
Auswirkung auf den Boden
In vielen Jahren spricht auch die bessere Befahrbarkeit der Ackerflächen für eine späte Gülledüngung. Schwere Güllefässer auf nassen Flächen vor der Aussaat rufen nicht selten Schadverdichtungen hervor. Im Juni und Juli können Landwirte dagegen meist mit sehr gut abgetrockneten und damit schadlos befahrbaren Böden rechnen. Schalten sie beim Legen der Zuckerrüben mit 45 cm Reihenabstand je eine Reihe ab, um Fahrgassen zu erstellen, ist es auch mit breiten Reifen (750 mm) möglich, Gülle in den Bestand zu applizieren.
Zur Ausnutzung des Stickstoffs gibt es bereits erste Versuchsergebnisse: Selbst in den vergangenen beiden Trockenjahren, in denen die Experten von Pfeifer und Langen die Düngungsversuche mit 25 m³/ha Gärsubstrat (3,5 kg/m³ N) – einmal vor der Saat und einmal in den Bestand ausgebracht – durchführten, wiesen die Böden nach der Ernte vergleichbare Nmin-Werte auf.
Zudem haben Zuckerrüben erst ab Juli den größten Nährstoffbedarf, „dementsprechend bergen Güllegaben vor der Saat besonders in feuchteren Jahren die Gefahr, dass sich Stickstoff in tiefere Bodenschichten verlagert oder auswäscht“, gibt Lödige zu bedenken.
Vom Einsatz einer Hacke nach der Gülleapplikation raten Decker und Lödige ab. Aufgrund der großen Blattmasse der Zuckerrüben halten sie die mögliche, zusätzliche Reduzierung der Ammoniakausgasung hierdurch für sehr gering. Darüber hinaus sei auch die Gefahr, die Pflanzen ertragswirksam zu schädigen, in diesem späten Stadium zu hoch. Dies würde nicht nur den Ertrag gefährden, sondern auch das Blätterdach öffnen und so im schlechtesten Fall sogar zu einer erhöhten Ausgasung von Ammoniak führen.
Schuh oder Schlauch?
Entscheiden sich Zuckerrübenanbauer für eine späte Gülledüngung, sollte auch eine geeignete Applikationstechnik zur Verfügung stehen. „Mit Schleppschuhen haben wir keine guten Erfahrungen gemacht. Durch ihren hohen Bodendruck und die geringe Elastizität haben sie die Blätter oder ganze Pflanzen regelrecht aufgeschnitten“, warnt Decker. Dementsprechend seien Schleppschläuche das Mittel der Wahl.
Die Breite des Schleppschlauchverteilers sollte dabei mit der der Pflanzenschutzspritze übereinstimmen, um die Verluste durch zusätzliche Fahrgassen im Rahmen zu halten. Apropos Verluste: Auch wenn überfahrene Pflanzen unmittelbar nach der Güllegabe auf den ersten Blick schlimm aussehen können und große Verluste erwarten lassen, sind die Schäden zu vernachlässigen – da sind sich Lödige und Decker einig. Überfahrene Pflanzen gebe es ohnehin nur an den Schlagenden „und diese stehen – dank der breiten Bereifung – größtenteils schon einige Tage später wieder auf“, beschreibt Decker. Spätestens nach fünf Wochen seien optisch keine Überfahrschäden mehr zu erkennen, ergänzt Lödige.
„Entscheidend für den Erfolg der Maßnahme ist auch die Fähigkeit des Fahrers“, ist sich der Praktiker sicher und verdeutlicht damit die große Bedeutung einer zielgenauen Applikation. Um die Gülle tatsächlich unter den Blättern der Kulturpflanzen abzulegen, darf die Geschwindigkeit nicht zu hoch sein. Gerade dickflüssige Dünger wie zum Beispiel Gärreste bleiben sonst zu lange auf den Pflanzen liegen und ziehen nicht schnell genug in den Boden ein.
Ertrag und Qualität
Bleibt noch die entscheidende Frage nach Ertrags- und Qualitätsunterschieden: In den vergangenen beiden (Trocken-) Jahren konnten die Versuche keine statistisch belastbaren Ertragsunterschiede feststellen. Doch die geringere Gefahr der Nährstoffauswaschung lässt die Experten vermuten, dass die spätere Güllegabe im Schnitt der Jahre zu tendenziell höheren Erträgen und höheren Nährstoffeffizienzen führen sollte.
Auch die sonstigen Qualitätskriterien will Decker noch nicht abschließend bewerten, hat jedoch „noch nie erlebt, dass ein Anbauer Abzüge für einen zu hohen Amino-Stickstoffgehalt bekommen hat“.