Kürzere Zeitfenster mit besten Bedingungen und stark gestiegene Düngerpreise erhöhen den Druck, organische Dünger möglichst gut zu nutzen. Gerade Grünlandflächen werden oft organisch gedüngt, sodass das Einsparpotenzial für Stickstoff (N)-Verluste hier groß ist.
Emissionen weiter senken
Viele Landwirte beschäftigen sich seit einigen Jahren verstärkt mit verschiedenen verfahrenstechnischen und (bio-)chemischen Möglichkeiten, um vor allem die Ammoniakemissionen als größte N-Verlustquelle zu reduzieren. Im Bereich der Ausbringung von Gülle und Gärresten ist bereits seit vielen Jahren bekannt und vielfach nachgewiesen, dass bodennahe Applikationstechniken, und hier insbesondere das Injektions- bzw. Scheibenschlitzverfahren, ein sehr großes Ammoniak-Minderungspotenzial von 75 bis 90 % gegenüber der Breitverteiltechnik aufweisen.
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Durch das Separieren von Gülle verbessert sich dessen Fließeigenschaft durch das Abscheiden eines Teils der Faser- und Schleimstoffe. Die Gülle infiltriert daher schneller in den Boden, wodurch ebenfalls weniger Ammoniakemissionen entstehen. Bei der separierten, festen Phase von Gärresten ist aber zu bedenken, dass diese meist hohe pH-Werte von bis zu über pH 9 aufweisen. Dadurch steigt das Risiko gasförmiger Stickstoffverluste (NH3) der festen Güllefraktion nach dem Separieren stark an.
Aber wie sieht es mit Güllezusatzstoffen aus, von denen eine chemische oder biochemische Wirkung zur Minderung von Ammoniakemissionen ausgehen soll?
Mineralien und Kohlen
Gesteinsmehle, Bentonin, Leonardit, Dolomit sowie Aktivkohlen gelten als Bodenhilfsstoffe. Die Wirkungsweise erfolgt möglicherweise nach dem Absorptionsprinzip. Dabei kommt es zu einer Anreicherung von Stoffen aus Gasen oder Flüssigkeiten (etwa Ammoniak bzw. Gülle) an der Oberfläche eines Festkörpers. Möglicherweise liegt auch eine ureaseinhibatorische Wirkung vor. Derzeit sind die genauen chemischen bzw. biochemischen Wirkungsmechanismen aber nicht ganz klar.
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Auf Basis labortechnischer Untersuchungen, unter anderem an der TU München und der LfL Bayern sowie dem LLH (Hessen), konnten Wissenschaftler weder Gesteinsmehlen oder Tonmineralien noch Holzkohle oder Effektiven Mikroorganismen einen nennenswert positiven Effekt im Hinblick auf die Reduktion von NH3-Emissionen nachweisen (siehe Grafik).
Darüber hinaus sind auf dem Markt Güllezusätze erhältlich, die nach dem Prinzip der „feinstofflichen Informationsübertragung“ wirken sollen. Hier geht es sinngemäß darum, bestimmte Eigenschaften von Elementen durch „gebündelte kosmische Energie“ und durch Schwingungen auf andere Elemente (wie Gülle) zu übertragen. Solche Wirkungsweisen sind mit üblichen physikalischen oder chemischen Messmethoden schwer zu erfassen, weswegen sich die Wissenschaft weniger mit diesen Theorien beschäftigt.
Verdünnung mit Wasser
Durch die Zugabe von mehr oder weniger hohen Wassermengen zur Gülle erhöht sich dessen Fließfähigkeit, wodurch das Substrat besser und schneller in den Boden infiltriert. Daraus resultiert, wie beim Separieren, eine Verminderung der Ammoniakemissionen. Zudem erhöht sich durch die Wasserzugabe die Löslichkeit für Ammoniak in der Gülle. Der Effekt: Es entstehen weniger Ammoniakemissionen, dafür bleibt mehr Ammonium in der Lösung.
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Die potenzielle Ammoniakminderung hängt maßgeblich vom Verdünnungsgrad ab. Nach Untersuchungen an der TU München (siehe Grafik) konnte das Verdünnen der Gülle mit Wasser im Verhältnis 1 : 1 die Ammoniakemissionen um etwa 50 % reduzieren.
Trotz des beachtlichen Verlustminderungspotenzials sind der Zugabe von Wasser wirtschaftliche Grenzen gesetzt, da die Applikationskosten proportional zur zugesetzten Wassermenge steigen. Ausgehend von Gülleausbringungskosten von 3,75 €/m³, aktuellen Stickstoffpreisen und der Annahme, dass sich die Ammonium-Effizienz bei einem Gülle-Wasser-Verhältnis von 1 : 0,3 von 50 auf 70 % verbessert, ist die Wirtschaftlichkeitsgrenze bei diesem Verhältnis erreicht.
Eine weitere Erhöhung der Wassermenge ist dann nicht wirtschaftlich – selbst wenn die Ammonium-Effizienz weiter steigen würde – weil die Mehrkosten der Gülleausbringung den Wert des kalkulatorisch verlorenen Stickstoffs übersteigen.
Ansäuern von Gülle
Seit einigen Jahren bieten verschiedene Lohnunternehmen das Ansäuerungsverfahren von Gülle und Gärresten auch in NRW an. Bei diesem Verfahren führen sie dem Güllestrom beim Ausbringen Schwefelsäure zu. Das derzeit bekannteste und weitverbreitete Verfahren im Bereich der Gülletechnik ist das SyreN-System.
Ziel ist es, die Ammoniakverluste durch das Absenken des pH-Wertes der Gülle zu reduzieren. Entsprechend chemischer Gesetzmäßigkeiten steigen die NH3-Verluste mit steigenden pH-Werten. Entsprechend der sogenannten Reaktionsgeschwindigkeit-Temperatur-Regel (RGT-Regel) erhöhen auch hohe Temperaturen die NH3-Verluste während und nach der Applikation organischer Dünger.
Senkt man den pH-Wert von Gülle oder Gärresten dagegen von 7,0 beispielsweise auf 6,0 oder weniger, springen verstärkt Wasserstoff-Ionen der sogenannten Oxonium-Ionen (H3O+) auf NH3 über und es entstehen Ammonium (NH4) und Wasser (H2O). So bleibt mehr Ammonium in der Gülle, wodurch weniger Ammoniak gasförmig entweichen kann.
Das Wissen über den Effekt der pH-Wert-Absenkung von Gülle mittels Säurezugabe zur Reduzierung von Ammoniakverlusten ist im Grunde nicht neu. Wissenschaftler und Pionierlandwirte haben sich bereits vor 25 bis 30 Jahren mit dem Thema beschäftigt, ohne dass sich das System durchgesetzt hat. Zusatzaufwendungen und Herausforderungen im Hinblick auf Logistik, Verfügbarkeit von Säuren, fehlende Technik bei Gülleausbringung mit starken Säuren und letztlich die Kosten bzw. die fehlende Wirtschaftlichkeit sprachen dagegen.
Wie groß ist der Effekt?
Sowohl im Labor als auch in Feldexperimenten verschiedener Forschungsanstalten ließ sich nachweisen, dass die verfahrensbedingten NH3-Emissionen allein durch eine deutliche pH-Wert-Absenkung nahezu vollständig vermieden werden konnten (siehe Grafik). Dagegen waren bei der Ausbringung mit Schleppschläuchen ohne Ansäuerung noch nach drei Tagen erhöhte NH3-Verluste festzustellen.
Im Rahmen eines Feldversuchsprojektes der Universitäten Aarhaus, Kiel und Lüneburg kamen die Forscher zu folgendem Ergebnis: Das Absenken des pH-Wertes von Rindergülle auf 6,0 – mit Schleppschläuchen ausgebracht – im Vergleich zu nicht angesäuerter Gülle mit derselben Ausbringungstechnik, reduzierte die kumulierten Ammoniakverluste im Grünland um 34 kg/ha N. Selbst gegenüber dem Injektionsverfahren (bei 17,5 cm Scharabstand) betrug die Einsparung 18 kg/ha N.
Auch Wissenschaftler der TU München bestätigen im Rahmen labortechnischer Untersuchungen das große Potenzial zur Minderung von Ammoniakverlusten durch eine pH-Wert-Absenkung von Gülle (hier Rindergülle) mit Säuren. Wie die Grafik zeigt, konnten sie die Verluste bei einer pH-Wert-Absenkung auf 5,2 um rund 80 % reduzieren. Aber bereits durch eine weniger tiefe pH-Absenkung kam es zu deutlich verminderten Ammoniakemissionen.
Grundsätzlich können Gülle neben anorganischen auch organische Säuren wie Essig-, Zitronen-, Propion- oder Milchsäure zugegeben werden, um den pH-Wert zu senken. Auch die Zugabe von Molke ist denkbar. Der chemische Effekt ist im Grunde immer derselbe.
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Die Zugabe von Zuckerrübenmelasse kann den pH-Wert senken, indem die Melasse hierbei die Nahrungsgrundlage für die natürlicherweise in Gülle vorkommenden Milchsäurebakterien darstellt. Die Grafik zeigt, dass die verstärkte Bildung von Milchsäure durch Zugabe von Melasse ins Güllelager den gleichen Effekt hat wie die Zugabe anderer Säuren. Allerdings benötigt man für eine effektive pH-Wert-Absenkung beispielsweise von Rindergülle auf pH 5,5 etwa 50 kg Melasse pro m3. Die Umsetzung dieses Verfahrens stellt, wie bei den genannten organischen Säuren, sehr hohe Anforderungen an Verfügbarkeit, Logistik, Lagerung, Arbeitsaufwand und Kosten und ist bestenfalls in einzelnen Betrieben zu realisieren.
Aufgrund der Tatsache, dass die Ammoniakemissionen auch mit zunehmender Temperatur steigen, ist der Effekt des Ansäuerns bei trockener und warmer Witterung größer als unter kühlen und feuchten Bedingungen.
So viel Schwefelsäure
Wie viel Schwefelsäure das Ansäuerungsverfahren benötigt, hängt zum einen vom Ausgangs-pH-Wert des Wirtschaftsdüngers und zum anderen vom Ziel-pH-Wert ab. Schweinegülle und Gärreste haben mit etwa 7,0 bis 9,0 einen deutlich höheren pH-Wert als Rindergülle. Nach Untersuchungen der LfL Bayern benötigt man durchschnittlich 1,4 l/m3 Schwefelsäure, um den pH-Wert von Rindergülle auf 6,4 abzusenken. Für pH 5,5 braucht es demnach 3,3 l/m3. Die Werte für Schweinegülle und Gärreste liegen demnach bei 2,9 und 6,2 l/m3 bzw. 3,5 und 6,4 l/m3.
Grundsätzlich gibt es aufgrund der logarithmischen Funktion des pH-Wertes aber keine lineare Beziehung zwischen der Beimengung von Säure und dem pH-Wert, sodass eigene Messungen unverzichtbar sind.
S-Düngung durch Säure
Die mit der Ansäuerung ausgebrachte Schwefelmenge kann und sollte grundsätzlich auch wie eine „normale“ Schwefeldüngung gesehen und angerechnet werden. Denn die mit der Gülle ausgebrachte Schwefelsäure enthält Schwefel in Sulfatform (H2SO4) und ist somit unmittelbar pflanzenverfügbar. Je nach Grad der pH-Wert-Absenkung sind die Schwefelmengen nicht unerheblich (siehe Tabelle). Die Werte in der Tabelle orientieren sich am oben genannten, durchschnittlichen Bedarf zur pH-Wert-Absenkung.
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Streben Bewirtschafter möglichst niedrige pH-Werte an, können die ausgebrachten Schwefelmengen den Bedarf – selbst von intensiv genutztem Grünland – deutlich übersteigen. Bei einer Absenkung von Gärresten auf pH 6,0 oder 5,5 kann die ausgebrachte Menge den Bedarf um das Doppelte übersteigen.
Nach Erfahrungen von Lohnunternehmern erfolgt die Anwendung des Ansäuerungsverfahrens mit Schwefelsäure auf Grünland primär im Frühjahr zum ersten Aufwuchs, weil mit der Schwefelsäure auch gleich eine anrechenbare und wirksame Schwefeldüngung erfolgt. Je nach Säuremengen kommen bei einer Güllemenge von 25 m³/ha etwa 14 bis 20 kg/ha Schwefel auf die Fläche. Ziel sollte es aber auch bei diesem Verfahren sein, Schwefel nicht deutlich über dem Bedarf auszubringen.
Allerdings ist der Effekt der Verlustminderung nach Folgeschnitten durch die oft trockenwarme Witterung oft deutlich größer. Um das System zu optimieren und die Ammoniakemissionen zu minimieren, kann das SyreN-System auch mit einer mobilen Wetterstation ausgestattet werden. In Abhängigkeit von Lufttemperatur, Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung passt sich die applizierte Säuremenge dann automatisch an.
Ein positiver Nebeneffekt des Ansäuerungsverfahrens ist zudem, dass die Phosphatverfügbarkeit organischer Dünger verbessert wird.
Was kostet das Verfahren?
Das Verfahren der Ansäuerung flüssiger Wirtschaftsdünger mit Schwefelsäure ist technisch anspruchsvoll. Die Spezialtechnik des SyreN-Verfahrens ist ein Patent des Dänischen Unternehmens Biocover. In Deutschland produziert der Gülletechnikhersteller Vogelsang GmbH & Co. KG dieses System in Lizenz. Es erfordert entsprechende Sicherheitsvorkehrungen, da es sich bei Schwefelsäure um einen Gefahrenstoff handelt.
Im Sinne des Arbeits- und Umweltschutzes sowie der Verkehrssicherheit ist eine ADR-Schulung für den Transport und Umgang mit größeren Mengen hoch konzentrierter Schwefelsäure für Anwender wie Agrarservicekräfte verpflichtend. Für die SyreN-Technik sowie für ADR-Schulungen und sonstige technische Maßnahmen in diesem Zusammenhang kommen schnell zusätzliche Investitionskosten von 100 000 € zusammen. Solche Investitionen kommen für Einzelbetriebe daher kaum infrage. Bislang sind es fast ausschließlich größere Lohnunternehmen mit dem Schwerpunkt Gülletechnik, die in diese Technik investieren.
Insgesamt ergeben sich neben den obligatorischen Kosten für die Gülleausbringung zusätzliche Systemkosten in Höhe von etwa 30 €/ha plus 15 bis 18 €/ha (jeweils netto) für die Schwefelsäure für beispielsweise Rindergülle. Sind höhere Schwefelsäuremengen etwa für Gärreste mit hohen pH-Werten erforderlich, steigen die Kosten für die Säure entsprechend.
Säure im Lager
Grundsätzlich ist die Ansäuerung von Gülle und Gärresten mit Schwefelsäure auch im Stallbereich oder im Güllelagerraum möglich. Aufgrund der starken Schaumbildung durch die chemische Reaktion darf der Güllebehälter dann nur zu maximal 75 % gefüllt sein. Diese Anwendung ist in Deutschland aber bislang kaum verbreitet, da es diesbezüglich noch offene Fragen gibt – insbesondere im Hinblick auf mögliche Korrosionsproblematik bei Beton. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft betreibt zu dieser Thematik derzeit noch intensive Forschungsarbeit.
Unabhängig davon ist zu beachten, dass mit Schwefelsäure behandelte Gülle gegebenenfalls nicht mehr in die Einstufung als „Jauche-Gülle-Sickersaft (JGS)“ im Sinne der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) fällt. Angesäuerter Wirtschaftsdünger kann daher in die Wassergefährdungsklasse eingestuft werden, wodurch sich die baulichen Auflagen erhöhen, die Kosten steigen und das Ansäuerungsverfahren mit Schwefelsäure im Stall bzw. Güllelager unwirtschaftlich werden kann.
Einfluss auf den Boden?
Bezogen auf die Bodenbiologie gilt es gegebenenfalls zu klären, ob – und wenn ja, welche – langfristigen Wirkungen ein regelmäßiger Einsatz von Schwefelsäure hat. Da der pH-Wert der Gülle aber nur moderat abgesenkt wird (maximal pH 6,0), sind wohl keine negativen Effekte auf das Bodenleben zu erwarten. Der pH-Wert angesäuerter Gülle entspricht schließlich etwa dem des Bodens.
Ob die Gülle-Ansäuerung künftig als alternatives Verfahren zur bodennahen Gülle-Applikation anerkannt wird, um Ammoniakemissionen deutlich zu reduzieren, ist aktuell nicht abzuschätzen. In Dänemark ist die Gülleansäuerung bereits seit einigen Jahren als alternatives Verfahren anerkannt.
Andererseits ist davon auszugehen, dass die Gülleansäuerung während der Ausbringung derzeit und künftig ausschließlich in Kombination mit großen Güllefässern und bodennaher Ausbringungstechnik (Schleppschlauch, Scheppschuh) angeboten wird. Eine Kombination von Breitverteiltechnik mit einer Schwefelsäuredosierung ist schwer vorstellbar.
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