Bedingt durch die kalte Witterung kommt das Getreide nur langsam voran. Was bedeutet das für die Bestandesführung?
Weizen: Die meisten Weizenbestände befinden sich momentan in BBCH 31/32. Oft ist das drittletzte Blatt halb geschoben. Nur wenige Frühsaaten sind etwas weiter entwickelt. Spätsaaten befinden sich oft erst in BBCH 30. Einige Sorten reagieren sehr stark auf die kalte Witterung – fast alle Sorten mit rötlich verfärbten Blattspitzen. Talent und Asory haben teils zusätzlich stark vergilbte Blätter, sodass die Symptome schnell mit Gelbrost zu verwechseln sind. Diese Symptome werden sich bei warmer Witterung schnell wieder auswachsen.
Detaillierte Informationen zur anstehenden Blattbehandlung mit Fungiziden im Weizen liefert der Beitrag „Wieder ein gesundes Jahr?“ ab Seite 32 der Wochenblatt-Ausgabe 18/2021 vom 6. Mai. Allgemein ist der Ausgangsbefall mit Septoria höher als in den Vorjahren, aber stark abhängig von der Niederschlagsintensität in den Regionen: In Ostwestfalen-Lippe zeigen sich die meisten Symptome, gefolgt von der Region um Soest. Im Münsterland ist deutlich geringerer Befall vorhanden und im Rheinland variiert er in Abhängigkeit vom Saattermin. Der Ausgangsbefall ist oft auch in gesünderen Sorten vorhanden. Die genetisch bedingte Anfälligkeit der Sorten kommt aber erst bei Neuinfektionen richtig zum Tragen: In gesunden Sorten führen Neuinfektionen zu deutlich geringerem Befall als in anfälligeren Sorten. Allerdings scheint die Einstufung bei der Sorte Chevignon mit APS 3 bei Septoria (sehr gesund) nicht unbedingt der Realität zu entsprechen.
Sollten die Bestände durch Schauerwitterung anhaltend feucht bleiben, müssen Anbauer gegen Ende der Woche eine Behandlung – schwerpunktmäßig gegen Septoria – einplanen.
Wo mehr Ausgangsbefall vorkommt und die Sorte eine Anfälligkeit von APS 5 oder mehr hat, sind Behandlungen mit sicher wirksamen Produkten und der längsten Kurativleistung angeraten. Die Landwirtschaftskammer empfiehlt den Einsatz von 100 g/ha des Wirkstoffs Mefentrifluconazol (Revysol). 1 l/ha Balaya kontrolliert neben Septoria auch Gelbrost gut.
In weniger für Septoria anfälligen Sorten können auch Alternativprodukte wie z. B. Input Classic, Input Triple (bei mehr Mehltau) oder Unix + Pecari (Schwerpunkt Halmbruch und DTR) zum Einsatz kommen. Wer im Herbst Viverda vorgekauft hat, kann hiermit vorzugsweise in diesen Sorten arbeiten.
Fallen nur geringe Niederschlagsmengen, werden Weizenanbauer nur dort behandeln müssen, wo erster Gelbrostbefall vorkommt.
Mit den Fungiziden kann auch der zweite Einsatz von Wachstumsreglern stattfinden. Einige Bestände sind üppig und sehr lang, sodass höhere Aufwandmengen von z. B. 0,5 bis 0,6 l/ha Medax Top notwendig werden. In vielen Beständen – besonders dort, wo die Landwirte vom 28. bis 30. März eingekürzt haben – hat der erste Wachstumsregler aber sehr gut geholfen. Hier sollten Anbauer vorsichtig nachlegen.
Triticale: Die meisten Bestände befinden sich in BBCH 33 und schieben das vorletzte Blatt. Auch wenn die Triticale nach wie vor meist sauber ist, sollten regelmäßige Kontrollen selbstverständlich sein.
Auf einigen Flächen zeigt sich Neubefall mit Gelbrost, oft an den Blattspitzen. Vereinzelt ist Gelbrost auch in Beständen, die vor vier Wochen mit Tebuconazol in Kombi mit CCC behandelt wurden, zu sehen. Wo nötig, können Anbauer die breit wirksame Kombination aus Unix + Pecari, oder sehr gut auch vorgekauftes Viverda einsetzen. Ebenso bietet sich Prothioconazol-Produkte wie 0,5 l/ha Tokyo + 1 l/ha Osiris bzw. + 0,6 l/ha Orius an. Ohne Halmbruchwirkung wäre auch Mercury Pro mit 1 l/ha geeignet. Bei Mehltauproblemen ist Input Triple das geeignete Produkt. Wenn eine Behandlung stattfindet, sollten Anwender ausreichend hohe Aufwandmengen wählen, um den Anschluss an die Abschlussbehandlung sicherzustellen.
Die Fungizide lassen sich mit dem letzen Wachstumsregler mischen. Bei kühler Witterung ist CCC + Moddus/Prodax geeignet. Zu beachten ist aber, dass Gexxo und Manipulator nach BBCH 37 die einzigen zugelassenen CCC-Produkte sind. Bei warmer Witterung über 18 °C ist Camposan mit Mengen von 0,25 bis 0,5 l/ha sehr gut geeignet.
Wo noch kein neuer Gelbrost vorkommt, hat die Fungizidbehandlung noch Zeit.
Roggen: Die meisten Bestände schieben das letzte Blatt, in weiten Beständen spitzt die Ähre. Braunrost hat noch keine Bedeutung. Bei Schauerwitterung ist eine Infektion von Rhynchosporium-Blattflecken zu erwarten. Wo stärkerer Befall vorkommt, können Anbauer mit preiswertem Prothioconazol wie 0,5 l/ha Tokyo behandeln, um in drei Wochen eine reduzierte Aufwandmenge von Elatus Era gegen Braunrost nachzulegen. Alternativ ist eine vorgezogene Abschlussbehandlung – dann aber mit voller Aufwandmenge von Elatus Era – möglich.
Bis BBCH 49, also kurz vor dem Grannenspitzen, kann Roggen letztmalig eingekürzt werden. Bei warmer Witterung, vielleicht Anfang nächste Woche, bietet sich Camposan an, bei kühler Witterung Prodax mit 0,2 bis 0,3 l/ha.
Gerste: Gerade auf Sandstandorten zeigen sich vielfach Sprenkel auf den Blättern. Grund hierfür ist in der Regel die kalte Witterung. Behandlungen mit Wachstumsreglern bei ungünstiger Witterung haben diesen Effekt eventuell verstärkt. Ebenso häufig sind struppige Bestände mit gelben Blättern. Auch diese Symptome sind oft auf zu hohe Aufwandmengen von Wachstumsreglern zurückzuführen.
Die Gerste steht in aller Regel sehr fest, hat sehr dicke Halme und schiebt momentan meist das zweitletzte Blatt, teilweise auch schon das Fahnenblatt. Nicht immer ist eine weitere Einkürzung notwendig – besonders auf Sandstandorten ist Vorsicht geboten. Bislang ungekürzte Bestände, die gut entwickelt sind, sollten noch vor der Abschlussbehandlung – bei sonniger Witterung ab 13 °C –mit 0,25 bis 0,5 l/ha Medax Top behandelt werden.
Die Gerstenbestände sind momentan ziemlich gesund, besonders auf besseren Standorten mit intakter Kapillarität müssen Anbauer jedoch mit Ramularia rechnen. Da Ramularia in der Regel erst spät auftritt, sollte die Abschlussbehandlung nicht zu früh durchgeführt werden. Wer Ramularia bestmöglich absichern möchte, sollte Revysol-Produkte zur Abschlussbehandlung einsetzen. Die maximale Leistung ist von einer Kombination aus 1,25 l/ha Balaya + 125 g/ha Prothioconazol (z. B. 0,5 l/ha Tokyo) zu erwarten. Alternativ bietet sich auch Revytrex + Comet in voller Aufwandmenge an.
Wo Ramularia meistens nur kurzweilig (vier Tage vor der Gelbreife) vorkommt, können auch Alternativprodukte mit enthaltenem Prothioconazol zum Einsatz kommen. Flüssige Schwefelprodukte können die Ramulariawirkung um 5 bis 10 % verbessern. Mit einem Zusatz von 5 l/ha sind sie in diesem Jahr aber relativ teuer, sodass eine Mischung mit Prothioconazol oft sinnvoller ist. So könnten Anwender z. B. 0,8 l/ha Ascra Xpro oder 0,6 l/ha Elatus Era/Gigant mit 0,4 l/ha Tokyo, Protendo 250 EC oder Traciafin aufmischen, um die Ramulariawirkung zu verstärken.
Grundsätzlich sollten die Behandlungen erst stattfinden, wenn die Temperaturen steigen. Ohne Wachstumsregler kann die Behandlung bis ins Ährenschieben (maximal 30 % der Ähren sichtbar) geschoben werden.