Landessortenversuche Wintergerste

Gerste auf Rekordniveau

Wintergerste brachte in diesem Sommer oft gute Erträge und Qualitäten. Zu den guten Ergebnissen haben auch einige neue Sorten beigetragen.

Die Anbaufläche von Wintergerste in Nordrhein-Westfalen zur Ernte 2022 ist auf etwa 130.000 ha gefallen – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren. Dieser lässt sich sicherlich auch auf die nur durchschnittliche Ernte 2021 zurückführen. Als gut vermarktungsfähiges Futtergetreide wird Wintergerste aber sowohl in den viehhaltenden als auch in ackerbaulich geprägten Regionen intensiv angebaut.

Die beste Ernte aller Zeiten?

Mit gemeldeten Erträgen von bis zu 85 dt/ha auf schwächeren Böden und bis zu 130 dt/ha auf guten Böden mit ausreichender Wasser- und Nährstoffversorgung ist zu erwarten, dass NRW eine der besten Wintergerstenernten der vergangenen Jahre erzielt hat. Die Gesamternte dürfte aufgrund der geringeren Anbaufläche zwar niedriger ausfallen als 2019, die bisher bekannten Hektarerträge liegen aber deutlich über dem mehrjährigen Ertragsdurchschnitt.

Noch nicht ganz klar ist, wie sich die aufgrund der hohen Düngemittelkosten oft reduzierte Stickstoffdüngung und die zumindest regional begrenzte Wasserversorgung zur Kornfüllungsphase auf die breite Praxis ausgewirkt hat.

Anders als im Vorjahr profitierte die Wintergerste jedoch von einem insgesamt günstigen Witterungsverlauf: Die Aussaat im Herbst 2021 verlief meist erfolgreich und die Bestände konnten sich bei milden und sonnigen Bedingungen gut entwickeln ohne zu überwachsen. Der Blattlausdruck und damit das Risiko für eine Infektion mit Gelbverzwergungsviren blieb erstaunlich gering. Die ausgiebigen Niederschläge im Februar trugen besonders auf guten Böden zu einem hohen Wasservorrat für die Vegetationsphase bei.

Im warmen Frühling wurden oft große Stickstoffmengen mineralisiert, die die rasche Entwicklung der Bestände begünstigten. Anders als im Vorjahr mangelte es nicht an Sonnenschein und auch die wechselhaften Bedingungen im April führten bei der Wintergerste kaum zu Problemen – sofern kein überzogener Wachstumsreglereinsatz erfolgte.

Aufgrund der meist trockenen Witterung blieb der Krankheitsdruck gering, nur gegen Zwergrost mussten Anbauer teils frühzeitig behandeln. Aufgrund der insgesamt weit fortgeschrittenen Entwicklung der Bestände wirkte sich der 18. Juni als einzelner Hitzetag – anders als die mehrtägige Hitzewelle im Vorjahr – nicht negativ auf die Kornfüllung aus. Lager trat auch zur Ernte nur selten auf und die meisten Bestände ließen sich früh und bei trockenen Bedingungen dreschen. Die gemeldeten Hektolitergewichte lagen überwiegend deutlich über 62 kg.

Ergebnisse LSV 2022

Die insgesamt sehr gute Wintergerstenernte zeigt sich auch in den Landessortenversuchen 2022 der Landwirtschaftskammer NRW. Mit durchschnittlich 100,3 dt/ha auf Haus Riswick, Kleve und bis zu 129,9 dt/ha auf Haus Düsse, Ostinghausen, wurden im Vergleich zu den Vorjahren überwiegend deutlich höhere Kornerträge ermittelt. Allein in den Versuchen im südlichen Rheinland fiel die Ernte im Vergleich zu 2019 etwas schwächer aus.

Abhängig vom Standort und dem tatsächlichen Lager- und Krankheitsdruck zeigten die unbehandelten Varianten in den zweistufigen Versuchen durchschnittliche Ertragsverluste von nur 4 % in Greven und bis zu 21 % auf Haus Düsse. Diese resultierten überwiegend aus Befall mit Zwergrost oder frühem Lager und ermöglichten eine gute Differenzierung der Sorten.

Die durchschnittlichen Hektolitergewichte reichten von 62,4 kg auf Haus Riswick bis zu 73,0 kg in Greven. Die Ergebnisse der acht Landes­sortenversuche in NRW wurden für die mehrjährige Auswertung um weitere Daten aus Niedersachsen und Hessen ergänzt, um eine möglichst zuverlässige Sortenbewertung auch für die länderübergreifenden Anbaugebiete zu erhalten.

Empfehlungen zur Aussaat 2022

Der anhaltende Zuchtfortschritt führt auch in der Wintergerste zu einem ständigen Sortenwechsel und zu einer Anpassung der Sortenempfehlungen. Bereits mehrjährig im Anbau befindliche Sorten können zwar oft noch von guten Ergebnissen aus den Vorjahren profitieren, diese sollten Landwirte aber nicht davon abhalten, ihr Anbauspektrum durch neu empfohlene Sorten zu ergänzen.

SU Jule erzielte 2022 zwar nicht mehr ganz das Ertragsniveau der neueren Sorten, wird als zuver­lässig standfeste und strohstabile Wintergerste aber weiter für den Anbau und besonders für die Mittel- und Höhenlagen empfohlen. Auf die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mehltau ist zu achten.

KWS Orbit hat sich viele Jahre als Standardsorte bewährt, erreicht mittlerweile aber nur noch durchschnittliche Ertragsleistungen bei nicht überragender Standfestigkeit und mäßiger Blattgesundheit. Mit einem entsprechenden Pflanzenschutzeinsatz hat sich die Sorte als sehr ertragsstabil erwiesen.

SY Galileoo (Hy) konnte auch in der Ernte 2022 mit deutlich überdurchschnittlichen Ertragsleistungen in allen Anbaugebieten überzeugen und bleibt daher die Hauptempfehlung bei den Hybridsorten. SY Galileoo ist insbesondere im Hinblick auf Mehltau überdurchschnittlich blattgesund, erfordert aber einen etwas höheren Wachstumsreglereinsatz. Bei den aktuell hohen Preisen...