Vier Szenen von ein und dem selben Tag zeigen, wie unterschiedlich Akteure und am Rand Beteiligte die Mähdruschernte wahrnehmen:
- Landwirt Josef B. hat in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Heute wird er mit dem Drusch der Wintergerste starten. Auf den größten Schlag hat er in diesem Frühjahr den ersten Stickstoff zu spät ausgebracht. Der Bestand blieb deshalb zu dünn, die Ertragsaussichten sind übel. Der Mähdrescher wird heute zeigen, wie viel Geld er tatsächlich verloren hat.
- Klaus W. fährt gut gelaunt mit seinem Mähdrescher zu dem ersten Auftrag der neuen Saison, endlich geht es los. Auf den mittlerweile acht Jahre alten „Kasten“ kann er sich verlassen, der technische Zustand ist tadellos. Nur eins macht ihm Sorgen: Er kennt die Fläche genau und weiß, dass er das 8 m breite Schneidwerk auf der Straße anbauen muss, wenn er mit dem Lafettenlaufwerk nicht alles platt fahren will. Aber vielleicht haben die Autofahrer Geduld.
- Daniela H. muss mit ihrer Tochter zu einem Zahnarzttermin, sie ist spät dran und wählt eine Abkürzung durch die Bauerschaft. Doch nach der ersten Kurve weiß sie, dass das keine gute Idee war. Ein Mähdrescher mit Schneidwerkswagen zockelt vor ihr her. Die tief hängenden Äste der Straßenbäume schlagen immer wieder gegen die große Maschine, der Fahrer fährt entsprechend vorsichtig, sie wird zu spät kommen.
- Gabriele und Tonius S. freuen sich auf einen Nachmittag im Garten. Das Wetter kann gar nicht besser sein. Der laue Wind weht vom benachbarten leise knisternden Gerstenfeld herüber. Die Tochter kommt mit den Enkelkindern zu Besuch, Planschbecken und Kaffeetafel sind vorbereitet. Doch dann nähert sich ein Röhren, eine dichte Staubwolke wabert durch die Siedlung.
Die Liste ließe sich noch um etliche Beispiele verlängern, doch eins ist klar: Der Stress mit der Ernte kann Einzelpersonen stark, sogar nachhaltig belasten, und unter Umständen viel Ärger verursachen. Doch genauso offensichtlich ist, dass sich dieser verhindern oder stark reduzieren lässt, wenn die Erntearbeiten gut vorbereitet sind. Der Einblick nimmt verschiedene Einzelaspekte unter die Lupe und liefert praktische Tipps für den Erntealltag, die zur Entspannung beitragen können.
Ernte keine Überraschung
Wenn das Wetter nicht total verrücktspielt, lassen sich die Zeiträume für die fälligen Erntearbeiten in einem groben Raster relativ zuverlässig einordnen. Da sie in jedem Jahr wiederkehren, können sie Landwirte und Lohnunternehmer nicht wirklich überraschen. Sie verschieben sich natürlich witterungsabhängig, da sich Grasernte- und Mähdruscharbeiten gerade bei Sonnenschein von morgens bis abends und mäßigem bis kräftigem Wind besonders gut erledigen lassen. Im Durchschnitt benötigen Lohnunternehmer für das Dreschen der Wintergerste dann etwa sieben Tage, die Ernte von Winterraps benötigt je nach Anteil in der Fruchtfolge der Region drei bis vier Tage. Wegen des großen Flächenanteils zieht sich das Dreschen von Triticale und Weizen häufig über 14 Tage hin.
Dabei gibt es große Schwankungen zwischen einzelnen Jahren. In sehr trockenen Sommern geht die gesamte Mähdruschernte innerhalb von vier Wochen über die Bühne. Dann gibt es in der Nacht wenig Tau, die Drescher können morgens um 11 h starten und abends lange schneiden.
Dagegen ist das Dreschen in regenreichen Sommern eine Quälerei für Mensch und Technik. Erst im Tagesverlauf stellt sich heraus, ob überhaupt gedroschen werden kann. Dann gleicht das Dreschen eher einem nervenaufreibenden Haschen mit vielen unkalkulierbaren Unterbrechungen. Auch eventuell notwendige Helfer warten „Gewehr bei Fuß“ auf ihren Einsatz, der dann vielleicht gar nicht erforderlich ist und sich auf einen der nächsten Tage verschiebt.
Da das schon jahrelang nicht vorgekommen ist, vergessen viele, dass in wenigen Sommern das Wetter so schlecht war, dass einige Landwirte ihre Ernte nicht komplett einfahren konnten.
Dreschen gut vorbereiten
Die Gespräche mit Lohnunternehmern haben bestätigt, dass die Fahrer die Mähdrescher vor der Ernte akribisch auf mögliche Defekte untersuchen, um Ausfälle in der Ernte unbedingt zu vermeiden. In fast allen Betrieben hat sich bewährt, dass ein fester Fahrer und ein Aushilfsfahrer sich um „ihren“ Drescher kümmern, den sie nach intensiven Schulungen in und auswendig kennen. So wissen sie im Fall des Falles sofort, was zu tun ist, um die Unterbrechung so kurz wie eben möglich zu halten. Dafür brauchen sie aber im wahrsten Sinne des Wortes viel Erfahrung.
Selbst nach langen Arbeitstagen bestehen viele Chefs darauf, dass die Fahrer die Drescher vor dem Feierabend noch grob mit Druckluft reinigen und auftanken. Morgens erledigen die Fahrer nur noch das „Feintuning“ wie Abschmieren, Reinigen der Kabine oder im Verdachtsfall Leeren der Steinfangmulde.
Getreide transportieren
Auf den Höfen läuft die Vorbereitung ähnlich intensiv ab. Der Schwerpunkt liegt aber eher auf der Logistik, wenn der Lohnunternehmer sie nicht auch erledigt.
Da die großen Drescher in guten Getreidebeständen unter günstigen Bedingungen bis zu 30 t/h ernten, muss die Transportkette entsprechend leistungsfähig sein und darf nie zum begrenzenden Faktor für den Drescher werden.
Der Eindruck vieler Verkehrsteilnehmer, dass die Anhänger der Landwirte und Lohnunternehmer im Laufe der Zeit mit den Dreschern gewachsen sind, lässt sich durchaus mit Zahlen belegen. So zeigt die Auswertung der Anlieferungsmengen einer regionalen Genossenschaft, dass sich der Anteil der kleinen Anhänger mit weniger als 5 t Zuladung abnehmen, selbst Anhänger mit bis zu 10 t werden weniger eingesetzt. Dafür steigt der Anteil der großen Gefährte deutlich an. Bei in der Tendenz nur leicht steigenden Erträgen bedeutet das aber auch, dass die Anzahl der Fahrten zu den Betriebsstellen der Genossenschaften und Landhändler abnimmt. Außerdem fährt etwa ein Drittel der Landwirte das gedroschene Korn direkt zum Hof ins Lager, um es von dort im Laufe des Jahres an ihre Tiere zu verfüttern und zu verkaufen.
Nicht zu früh dreschen
Eine immer wiederkehrende Herausforderung ist das Finden des richtigen Druschbeginns. Klar ist: Für den Verkauf muss die Restfeuchte der Körner 15 % unterschreiten, sonst ist die Partie nicht verkehrsfähig und muss getrocknet werden. Doch es gibt gute Gründe dafür, da genauer abzuwägen. Denn, auch wenn das Ergebnis der Probe bei 14,5 % liegt, kann die Spreizung bei Einzelkörnern bei notreifen Beständen zwischen 11 und 17 % schwanken. Nach Aussage eines Lohnunternehmers kann sich das besonders bei Triticale zu einem Problem auswachsen. Deshalb rät er dazu, solche Partien ausreichend zu belüften.
Mit ganz anderen Schwierigkeiten ist an sehr heißen Druschtagen zu rechnen. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit für Bruchkorn dann deutlich höher und der Drescherfahrer muss die Einstellung von Trommeldrehzahl und Dreschkorbweite gefühlvoll anpassen, um den Bruchkornanteil im Rahmen zu halten. Zum anderen muss bei der Einlagerung dafür gesorgt werden, dass die Hitze aus dem bis zu 40° C heißen Korn kommt, um zu verhindern, dass sich später Kondenswasser bildet. In großen Lagern läuft das häufig über eine maschinelle Kühlung, sonst über eine Belüftung. Wenn das Getreide in einer Halle abgekippt wird, sollten Landwirte dieses umlagern, unter Umständen mehrmals.
Wenn alle dreschen wollen
In trockenen Sommern sind die Arbeitstage zwar lang, aber die Nervenbelastung ist relativ gering, da sich nicht erledigte Arbeiten problemlos auf den kommenden Tag verschieben lassen.
In nassen Sommern mit sehr wenigen guten Druschtagen ist die Gefühlslage eine ganz andere. Korn und Stroh sind noch etwas feucht, die Tagesleistung der Drescher ist sehr gering und einige Landwirte fürchten vielleicht gar um ihre Ernte. Bei hohen Pachtzahlungen wird es dann auch wirtschaftlich eng. In diesen Fällen ist die Stimmung auf den Höfen schnell gereizt und es wird schon mal etwas lauter.
Dann kommt es ab und an vor, dass ein Kunde im Büro des Lohnunternehmers droht, die Nerven zu verlieren. Mitarbeiter am Telefon fühlen sich dann wie Blitzableiter, auch wenn sie selbst die missliche Lage überhaupt nicht zu verantworten haben. Die Lohnunternehmer suchen dann gezielt das Gespräch, erklären dem verzweifelten Landwirt, dass alle Kunden mal drankommen müssen. Das heißt aber auch, dass sich selbst bei bestem Willen und professioneller Vorbereitung nicht alle Terminwünsche erfüllen lassen.
Ein Gesprächspartner betonte, dass in solchen Krisensituationen nie der Dreschfahrer zum Sündenbock gestempelt werden darf. Deshalb erledigt er in der Zeit den „Full-Time-Job“ Telefondienst selbst, um schnellstmöglich die Wogen zu glätten und Lösungen zu organisieren. Dabei kommt ihm der intensive Kontakt mit den Fahrern zugute. Sobald sie Aufträge erledigt haben oder wegen zu nassem Boden abbrechen müssen, melden sie sich im Büro, damit der Chef entscheiden kann, welche Fläche er dann dreschen soll, ohne lange Fahrzeiten zu vergeuden. Das Büro informiert daraufhin umgehend den Kunden, damit dieser den Transport des Getreide organisieren kann. Wenn alle Beteiligten gut Hand in Hand arbeiten, können die Drescher nach Erfahrung einiger Lohnunternehmer mehr Fläche erledigen, als man zunächst erwartet hätte.
Die in diesem Zusammenhang gelegentlich auftauchende Mär: „Erst die Großen, dann die Kleinen“ führt bei Lohnunternehmern zu Kopfschütteln. Denn sie wissen genau, dass dem Kunden mit 5 ha die Gerste genauso viel wert ist wie dem Landwirt mit 100 ha. Ein Lohnunternehmer, der das nicht beachtete, käme folglich schnell in Teufels Küche. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass sich kleinere Flächen oft gut in Arbeitstage einbauen lassen, wenn der Auftrag frühzeitig eingeht.
Was ist mit Nachtarbeit?
Wenn Landwirte voller Elan auch am späten Abend ihre Ernte einfahren, gibt es dafür viel Verständnis. Doch nach dem Gesetzt sollte ab 22 Uhr, in Ausnahmefällen ab 23 Uhr Schluss sein, damit die Nachtruhe der Anwohner nicht gestört wird. So können auch sie ausgeruht ihrer Arbeit nachgehen.
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