Zu starkes Einkürzen kostet Ertrag. Zu wenig Wuchsregulierung führt zu Lager und damit zu Qualitätsverlusten und Schwierigkeiten bei der Ernte.
Das Problem dabei: Die optimale Dosis unterscheidet sich nicht nur zwischen Kulturen und Sorten, sondern auch von Jahr zu Jahr.
Ausgangssituation
Vor der Saat von Wintergerste sammelten sich um Soest, Münster und Höxter rund 30 bis 40 mm Niederschlag, Richtung Borken und Rheinland regnete es etwa doppelt so viel. Die Niederschläge zogen sich bis Ende September durch, sodass je nach Region um 100, teils bis zu 180 mm zusammenkamen. Um den Monatswechsel zum Oktober bestellten die meisten Landwirt ihre Gerste. Folgender Regen, oft weniger als 5 mm, wurde bis in den November bei Sonne und um 20 °C vielfach „vom Winde verweht“.
Erst ab dem 23. Oktober lieferten einzelne Schauer neue Feuchtigkeit. Die lange warme Herbstwitterung förderte ein langes kontinuierliches Vorwinterwachstum und führte insbesondere bei Frühsaaten zu einer starken, teils überwachsenen Entwicklung.
Nach einer ungewöhnlich warmen Silvesternacht und der folgenden Nässeperiode zeichnete sich Ende Januar aufgrund der hohen Wärmesummen ein Vegetationsvorsprung von zwei bis drei Wochen ab. Wechselfröste im Februar bremsten diesen aus, sodass in NRW aktuell sehr gute bis üppig entwickelte Bestände vorliegen, in denen die Andüngung zum Teil bereits erfolgt ist.
Jetzt entscheiden der Vegetationsstart und die folgende Frühjahrswitterung. Bei mildem Winter und anhaltend wüchsig, feuchter Witterung müssen Getreideanbauer den Wuchs intensiver regulieren als bei spätem Vegetationsstart und trockener Frühjahrs-Witterung.
Da diese Faktoren jetzt noch nicht vollständig abzuschätzen sind, lässt sich noch keine abschließende Strategie fixieren. Gut verwurzelte, etablierte Bestände und eine wassergesättigte Situation im Oberboden bilden jedoch die Grundlage für flottes Wachstum.
Grundlagen der Wuchsregulierung
Getreideanbauer sollten den Einsatz von Wachstumsregulatoren nicht als jährliche Standardmaßnahme ansehen. Zur Absicherung der Standfestigkeit stehen acker- und pflanzenbauliche Ansatzpunkte an erster Stelle. Hier hat neben der Vorfrucht und dem Saattermin besonders die Sortenwahl einen deutlichen Einfluss. In der Bestandesführung bleibt die Stickstoffdüngung einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Standfestigkeit.
Nicht vom Bewirtschafter beeinflussbar sind dagegen die Wasserverfügbarkeit und Witterung. Starke Jahresunterschiede machen den Einsatz so herausfordernd. Die klimatischen Grundbedingungen und die Bodenart sind die Grundlage für unterschiedliche Intensitäten beim Wachstumsreglereinsatz.
Mittlerweile sind viele Wachstumsregler am Markt, oft mit gleichen Wirkstoffen oder bekannten Wirkstoffkombinationen, aber mit unterschiedlicher Zulassung. Vermehrt werden aber auch spezielle Splittinganwendungen über die Zulassung abgedeckt. Jedes Produkt kann bedingt durch die Formulierung je nach Witterungskonstellation unterschiedlich reagieren. Deshalb empfiehlt es sich, vornehmlich Strategien mit in Versuchen und in der Praxis getesteten Produkten zu verfolgen.
Gerste gekonnt kürzen
Der erste Behandlungstermin in Wintergerste ist vielfach in BBCH 31/32 gesetzt. Auch wenn viele neuere Zulassungen Trinexapac-haltiger Produkte einen früheren Einsatz ab BBCH 29 möglich machen (z. B. Moddevo/Moddus Start oder Terplex), fällt die Entscheidung meist auf den Schossbeginn. In der Regel herrschen hier günstigere Witterungsbedingungen – Einkürzungsleistung sowie Halmwandverdickung sind dann sicherer.
Ein Vorteil darüber hinaus: Ab BBCH 32 bilden die Pflanzen das drittletzte Blatt, sodass Anwender zu diesem Zeitpunkt mit einem Fungizid angepasst auf das Befallsgeschehen reagieren können. Sorten wie Galileoo, Higgins, Keeper, Teuto oder Melia zählen zu den stärker lagergefährdeten Sorten. Julia oder Viola besitzen eine geringere Lagerneigung.
Bei mindestens 12 °C und sonniger Wetterlage sind 0,3 bis 0,6 l/ha Moddus (oder andere zugelassene Trinexapacethyl-Produkte) zu favorisieren. Auch Prodax, was neben Trinexapacethyl auch Prohexadion enthält, hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Hier empfehlen sich fast gleiche Aufwandmengen wie bei Moddus.
Der Unterschied: Prodax hat etwas geringere Temperaturansprüche. Behandlungen sollten bei kühler Witterung um 10 °C aber auch nur stattfinden, wenn strahlungsreiches, sonniges Wetter vorherrscht.
Kommt das gut formulierte Produkt Calma zum Einsatz, kann und sollte die Aufwandmenge leicht reduziert werden. Versuchserfahrungen nach wirken auch 0,7 bis 1,5 l/ha Fabulis OD gut. Vorsicht gilt bei höheren Aufwandmengen. In Wintergerste ist Fabulis OD bis BBCH 39 mit Maximal 1,5 l/ha zugelassen.
CCC in Gerste?
Auch die reinen CCC-Produkte Gexxo/Manipulator (BBCH 21 bis 41) und Shortcut XXL (BBCH 21 bis 32) können zum ersten Termin zum Einsatz kommen – vorteilhaft vor allem dann, wenn es zu diesem Zeitpunkt noch kühler ist. Ein Soloeinsatz ist jedoch nicht zu empfehlen. Gute Versuchsergebnisse erzielte in den vergangenen Jahren die Kombination aus 0,5 l/ha Gexxo und 0,3 l/kg/ha Moddus/Prodax (wirkungsgleich zu 0,5 l/kg/ha Moddus/Prodax). Der Vorteil dieser Kombination liegt vor allem in der guten Verträglichkeit.
Erfolgt die erste Einkürzung, beispielsweise aufgrund von ungünstigen Witterungsverhältnissen, erst nach BBCH 32, hat sich der Einsatz von 0,4 bis 1,0 l/ha Medax Top und Turbo bewährt. In einer wärmeren Temperaturphase (um 20 °C) bzw. bei knapper Wasserverfügbarkeit sind untere Aufwandmengen zu wählen, um überzogene Wirkungen vorzubeugen und eine gute Verträglichkeit zu gewährleisten. Medax Top und Turbo wirken kürzer als die der Trinexapac-Produkte.
Bei höherem Lagerdruck – beispielsweise in sehr dichten, gut versorgten Beständen – müssen Anwender die Strategie ggf. intensivieren. Eine Vorlage von 0,25 bis 0,4 l/ha Moddevo/Moddus Start um BBCH 30 kann die erste Stabilisierung setzen. Diese Maßnahme bleibt aber den skizzierten Beständen vorbehalten, denn sie führt zu einer erhöhten, im Regelfall nicht erforderlichen, Intensität (drei statt zwei Maßnahmen) und benötigt gute Einsatzbedingungen, die zu diesem Termin nicht selbstverständlich sind. Wird erst im Schossen behandelt, verbessert das Zumischen von Ethephon zum Trinexapac ab BBCH 32 die Wirkung. In Abhängigkeit von Witterung und Sorte können 0,3 bis 0,5 l/ha Moddus + 0,15 bis 0,35 l/ha Cerone oder + 0,75 bis 1,25 l/ha Bogota Ge (Cycocel + Ethephon) ab BBCH 32 zum Einsatz kommen.
Vom Zumischen von Herbiziden zu Wachstumsregler-Fungizidmischungen ist abzuraten. Hiermit summiert sich die Stressintensität für die Pflanzen, sodass die Wirkung kaum zu kalkulieren ist.
Nach hinten absichern
Eine Nachlage in der späten Schossphase sichert die Vorlage ab. In Lagerjahren gab die Anschlussbehandlung letztlich den Ausschlag zur erfolgreichen Lagervermeidung. Gleichzeitig bietet der zweite Einkürzungstermin auch die Möglichkeit, die Entwicklung des Bestands neu zu beurteilen und angepasst nachzujustieren.
In BBCH 37 bis 49 kann vorwiegend der Solowirkstoff Ethephon (mit 0,2 bis 0,6 l/ha Camposan Top bzw. Cerone 660) auf die erste Maßnahme aufbauen. Notwendig für die Wirkung sind Temperaturen von 14 °C aufwärts. Dann wirkt Ethephon sicher mit einer Dauer von etwa drei Tagen.
Aber Achtung: Die Sonneneinstrahlung kann fehlende Temperaturen nicht ausgleichen. So können 0,2 l/ha Camposan Top bei 25 °C stärker einkürzen als 0,5 l/ha bei 14 °C. Ist es für einen Camposan-Einsatz zu kalt, bieten sich alternativ 0,4 bis 0,6 l/ha Medax Top oder 0,3 kg/ha Prodax (bis BBCH 39) – allerdings mit geringerer Wirkung auf Halm-/Ährenknicken – an. Auf leichten Standorten oder in sehr trockenen Jahren verzichtet man besser auf die Nachlage.
Erfahrungen mit Silizium zur Halmstabilisierung
In den vergangenen Jahren hat die Landwirtschaftskammer NRW Exaktversuche mit silizium-basierten Pflanzenstärkungsmitteln durchgeführt, die laut Anbietern eine Alternative (oder Ergänzung) zum Wachstumsregler bieten sollen. Als Ziel wird auch hier die Lagervermeidung durch Stärkung der Zellstruktur angegeben. Eine messbare Einkürzung wird nicht beworben.
Bislang konnten wir in keinem Versuch (2021: 3 Winterweizen-Standorte, zwei Wintertriticale-Standorte; 2022: vier Winterweizen-Standorte; 3 Wintergerste-Standorte) Einkürzungsleistungen oder Ertragsvorteile nach Einsatz der Produkte feststellen. In diesen zwei Jahren trat allerdings auch kein Lager auf, sodass keine direkte Aussage über eine Vermeidung von Lager getroffen werden kann. Letztlich wird das Thema 2023 weiterverfolgt.
Triticale stabil halten
Oft als Futtergetreide in Veredlungsregionen genutzt, gelten Sorten wie Belcanto, Temuco oder Cedrico als standfest. In den mittleren Bereich reihen sich Sorten wie Lombardo oder Ramdam ein. Stärker lagergefährdet, unter anderem unterstützt durch den langen Wuchstyp, sind z. B. Lumaco oder Cosinus. Auch in Triticale sollten Anwender auf leichten Standorten grundsätzlich vorsichtig agieren.
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Wie im Winterweizen bildet CCC die Basis für die erste Behandlung. Auch auf Sandböden ist dann noch genügend Bodenwasser vorhanden. Je dichter und wüchsiger der Bestand, desto näher sollte zum Ende der Bestockung behandelt werden.
Neben der Sorte bestimmen Bodenart und Bodenfeuchte Aufwandmengen von 0,8 bis 1,5 l/ha CCC. In Ausnahmefällen, wo mehr Leistung gefragt ist, kann im Übergang zu BBCH 30 (Schossbeginn) das Zumischen von 0,1 bis 0,2 l/ha eines Trinexapac-Produktes oder Prodax helfen. Das käme bei einer sehr wüchsigen, langen Sorte (wie Lumaco) infrage, wenn diese stark gedüngt sowie dicht und/oder früh gesät wurde. Eine gleiche Situation kann aber auch in jetzt gut bis üppig entwickelten Sorten wie Lombardo oder Ramdam entstehen, die zum Beispiel unter guter Stickstoffversorgung durch Konkurrenz um Licht in die Höhe wachsen.
Wurde mit dem ersten Termin bereits eine gute Einkürzung erzielt, oder stellen sich nach der ersten CCC-Maßnahme trockene Bedingungen ein, ist eine Nachlage oft überflüssig.
Nachlage sinnvoll?
Auf besseren Standorten und in feuchten Jahren ist eine Absicherung nach hinten dagegen oft sinnvoll und notwendig. Je nach Termin sind in Triticale sowohl CCC- als auch Ethephon-haltige Produkte wie Cerone 660 und Camposan Top gut geeignet. Auf Sand sowie auf trockenen oder flachgründigen Standorten reicht eine Nachlage von 0,2 bis 0,5 l/ha CCC solo in BBCH 31 bis 34 meistens aus.
Ist mehr Leistung gefragt, bietet sich zwischen BBCH 32 und 37 eine Kombination aus 0,25 bis 0,5 l/ha CCC + 0,1 bis 0,15 l/kg/ha Moddus/Prodax an. Alternativ ist auch eine spätere Nachlage von 0,2 bis 0,5 l/ha Camposan Top/Cerone 660 in BBCH 37 bis 49 oft gut geeignet.
Grundsätzlich gilt: Mit wenig Wachstumsregler in eher dünneren Beständen ist gerade auf leichteren Standorten der höchste Ertrag zu erzielen.
Im Roggen mit Gefühl
Roggen reagiert sensibel auf Wachstumsregler. Seine Länge fördert jedoch auch die Lagerneigung. Oft auf leichten Standorten mit knapper Wasserverfügbarkeit angebaut, ist überlegt zu handeln.
Ist der Bestand ins Schossen übergegangen (BBCH 31 bis 33), kann eine erste Einkürzung erfolgen. Bewährt haben sich Kombinationen aus CCC- und Moddus-Produkten. Auf guten Standorten mit ausreichend Feuchtigkeit sind 0,8 bis 1,2 l/ha CCC + 0,2 bis 0,25 l/ha Moddus anzupeilen. Bei beginnender Trockenheit bzw. auf Sandböden – aber mit üppigen Beständen – reichen 0,6 l/ha CCC + 0,15 l/ha Moddus.
Prodax ist im Roggen eine gute Alternative zu Moddus – und in der Kombination mit CCC mit etwa gleichen Aufwandmengen wie Moddus einzusetzen. CCC-Produkte mit Ethephon-Zumischung (Camposan Top/Cerone 660) sind in dieser Kombination oft besser verträglich. Mit Umstellung des Vertriebes von Camposan Extra auf Camposan Top ist der erste Einsatz in Roggen ab BBCH 31 möglich (Cerone 660 erst ab BBCH 37).
Der richtige Anschluss
Oft benötigt Roggen eine aufbauende Behandlung. Bei über 15 °C eignet Ethephon sich hierfür gut. In Abhängigkeit von Sorte, Bestandesdichte, Wasserversorgung und – ganz entscheidend (es empfiehlt sich, ein Kontrollfenster anzulegen) – von der Wirksamkeit der ersten Behandlung sind Aufwandmengen von 0,15 bis 0,6 l/ha Cerone oder Camposan angeraten.
Auf sehr leichten Standorten mit geringer Ertragserwartung ist es oft besser, ganz auf Wachstumsregler zu verzichten oder eine Einfachbehandlung einzuplanen. Hier bietet sich sehr gut verträglich eine Kombination aus 0,3 bis 0,6 l/ha CCC + 0,15 bis 0,35 l/ha Camposan/Cerone in BBCH 37 an. Tritt der andere Fall eines sehr üppigen Bestandes ein, der kaum zu bremsen ist, lässt sich die maximale Einkürzung mit einer Zwischenbehandlung von 0,3 l/ha Prodax in BBCH 33/34 erreichen. Vorgelegt wird dann mit CCC + Moddus in BBCH 31 und abgeschlossen mit Camposan in BBCH 49.
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