Die angespannte Preissituation auf dem Weltzuckermarkt, die Zunahme von virösen Vergilbungen auf dem Acker und die zum Teil viel zu trockenen Sommermonate verlangen den Rübenbauern einiges ab. Das Wochenblatt hat Zuckerrübenexperten zu ihren Einschätzungen hinsichtlich Preisentwicklung, Ertrag und Zukunft der Rübe befragt.
Zuckersektor in der Krise?
In den vergangenen Jahren haben Landwirte mit dem Rübenanbau ertragsabhängig wenig Geld verdient. Und auch die jetzige Situation sieht nicht rosig aus. Grund dafür sind aber nicht nur die wetterbedingten Schwierigkeiten. „Dadurch, dass einige EU-Mitgliedsstaaten ihren Landwirten gekoppelte Flächenprämien zahlen und Notfallzulassungen von neonikotinoidhaltigen Beizen fördern, leiden unsere deutschen Rübenanbauer unter den Wettbewerbsnachteilen“, kritisiert Südzucker-Rohstoffkoordinator Moritz Vorholzer. Auch Dr. Stefan Brinker, Regionalleiter Landwirtschaft bei Pfeifer & Langen, stimmt dem zu und fordert: „Wir brauchen zeitnah eine Notfallzulassung für Neonikotinoide als Rübenbeize. Deutschland darf hier nicht warten, bis unsere Landwirte große Ertragseinbußen hinnehmen müssen.“ Mit Weitblick handeln und eine Initiative wie in Frankreich mit dem Ziel der Notfallzulassung starten – so lautet seine Devise. Diese Mittel müssen seiner Meinung nach so lange zugelassen bleiben, bis ein anderes Verfahren oder ein anderer Wirkstoff zur Verfügung steht. Denn Beprobungen aus Vergilbungs-Nestern zeigen, dass der Ertrag um 20 % im Vergleich zum Normalbestand reduziert ist und der Zuckergehalt um 10 bis 15 % sinkt.
Auch die Experten der Zuckerfabrik Appeldorn (Pfeifer & Langen), Heinz Leipertz, Leiter Region Rheinland und Tim Wischmann, Werksbeauftragter und Anbauberater, können die unfairen Produktions- und Wettbewerbsbedingungen in Europa nicht weiter dulden: „Globaler Wettbewerb im Regal und regionale Auflagen sind eine tödliche Mischung für unsere landwirtschaftlichen Betriebe.“ Trotzdem bleibe Pfeifer & Langen bei der Unternehmensstrategie: Zuckerproduktion aus heimischen Rüben zur Versorgung der Kunden im regionalen EU-Markt. „Neue Düngeauflagen, der Verlust weiterer Wirkstoffe beim Pflanzenschutz und der zunehmend fehlende Rückhalt in der Bevölkerung, stimmen alle am Prozess beteiligten nachdenklich“, findet Dr. Brinker. Ständige neue Forderungen der unzähligen NGO‘s, befeuert von einer landwirtschaftsfernen Presse, machten die Situation nicht einfacher. Seiner Meinung nach müsse der Zusammenhalt zwischen Anbauer und Zuckerfabriken noch enger werden und die Zuckervermarktung müsse alles daran setzen, auskömmliche Preise zu erzielen.
Die Situation der Fabriken
Der hohe Wettbewerbsdruck wirkt sich aber auch auf die Zuckerindustrie aus, weiß Vorholzer. So hat Südzucker sich bereits 2019 als erster großer europäischer Zuckererzeuger entschlossen, fünf Werke zu schließen, um die Zuckererzeugungsmengen um 700 000 t zu reduzieren und Kosten zu sparen. In diesem Zusammenhang sei auch die Zuckerfabrik Warburg geschlossen worden, berichtet Vorholzer. Die Eingliederung des ehemaligen Einzugsgebietes der Zuckerfabrik Warburg in Wabern hat seiner Aussage nach jedoch gut funktioniert.
Auch Pfeifer & Langen spürt die Unsicherheit der Anbauer. Im Rheinland, besonders in Appeldorn, ist die Anbaufläche im Vergleich zu 2019 stark zurückgegangen. Die Fachleute erklären das so: „Der Grund dafür ist die Enttäuschung der Landwirte durch die fallenden Zuckerpreise sowie die – vor allem 2018 – schwierigen Anbaubedingungen mit niedrigen Erträgen.“ Im Moment habe sich die Stimmung der Landwirte gegenüber der Rübe allerdings wieder verbessert, sodass vermehrt Vertragsmengen nachgefragt würden. Dabei spielen die abgegebenen Preisgarantien von Pfeifer & Langen eine Rolle, sind sich die Fachleute des Unternehmens sicher. Pfeifer & Langen hat für die Rüben aus dieser Ernte einen Zuckererlös von 400 € garantiert, sodass die Anbauer unabhängig vom gewählten Preismodell von einem Rübenpreis um die 30 €/t – inklusive aller Prämien – ausgehen können, so der Regionalleiter.
Die weitere Preisentwicklung sei sehr stark mit dem Fortgang der Corona-Krise verknüpft, meinen die Fachleute. „Der Zuckerkonsum ist mit dem Besuch von Restaurants, Volks- und Schützenfesten genauso verbunden wie mit dem Export von Süßwaren ins Ausland“, erklärt Dr. Brinker.
Zuckerrübe „performed“
Dass die Rübe trotz der angespannten Preissituation auf dem Weltmarkt, schon aus pflanzenbaulichen Gründen einen Platz in der Fruchtfolge verdient hat, steht bei allen Experten außer Frage. „Die Rübe hat gezeigt, dass sie trotz der massiven Trockenheit „performed“ und gute Erträge liefern kann“, so Vorholzer. Er berichtet von Erträgen im fünfjährigen Durchschnitt: Demnach gibt es Spitzenerträgen zwischen 90 und 100 t/ha, einige Gebiete erreichen hingegen nur knapp über 70 t/ha, in Einzelfällen liegen die Erträge deutlich niedriger. Genauso wie Vorholzer erwarten auch die Pfeifer & Langen Mitarbeiter durchschnittliche Erträge mit etwa 80 t/ha. Auch Erträge oberhalb von 100t/ha seien durch eine Beregnung der Bestände möglich. „Späte Niederschläge und hoher Befall an Blattflecken führen auf Einzelschlägen zu sehr geringen Zuckergehalten von unter 16 %“, hält Dr. Brinker fest. Allgemein liege das Niveau jedoch zur Zeit durchschnittlich bei erfreulichen 18 %.
Überlebenskünstler Rübe
Hauptursache für die Ertragsunterschiede sei die Varianz der Niederschlagsverteilung beziehungsweise der Bewässerungsmöglichkeiten in den Sommermonaten und die teils schwierigen Saatbedingungen. Denn das Wetter spielte den Zuckerrüben dieses Jahr nicht unbedingt in die Karten: „In vielen Gebieten sind die Zuckerrüben erst sehr spät aufgelaufen, teils erst Mitte Mai“, berichtet Südzucker-Mitarbeiter Vorholzer. Grund dafür waren die lange Zeit sehr nassen Böden, die dann schlagartig austrockneten. In Kombination mit dem trockenen und außergewöhnlich warmen September hatte es die Rübe also das ganze Jahr über sehr schwer, so der Fachmann. Doch die Rübe hat auch in diesem Jahr gezeigt, dass sie mit schwierigen Wetterbedingungen umgehen kann. „Während andere Feldfrüchte bei solch trockenen Bedingungen notreif werden und entsprechend niedrige Erträge erzielen, zeigte sich die Rübe wieder als wahrer Überlebenskünstler“, so Leipertz. Sobald nach langer Trockenphase Regen kommt, fängt sie wieder an zu wachsen.
Zusätzlich zum Anstieg der virösen Vergilbungen in den Beständen, nehmen die Zuckerexperten eine leichte Zunahme an Blattkrankheiten und ein höheres Unkrautaufkommen – vor allem von Melde – wahr. Das liege an dem trockenheitsgeschuldeten späten Reihenschluss und dem teils nicht optimalem Wirken der Herbizidbehandlungen. „Durch ein gutes Zusammenspiel von Landwirt, Rodefahrer und Mausverladung bleiben viele Meldestrünke auf den Flächen, sodass es in der Fabrik bisher keine nennenswerte Ausfälle oder Probleme während der Verarbeitung gegeben hat“, so Leipertz.
Während die Witterung für die Rodebedingungen bisher optimal ist, bereiten die unterschiedlich weit entwickelten Rüben auf einem Schlag größere Probleme. „Durch die sogenannten Etagenrüben ist es eine Herausforderung, die richtige Köpfhöhe einzustellen“, erklärt Vorholzer und fügt hinzu: „Auf dem Rübenhof zeigt sich dies durch stark unterschiedlich geköpfte Rüben innerhalb einer Lieferung.“