Die Ferkelerzeugung steht verstärkt durch Corona- und Schweinepest-bedingtem Preisverfall bei gleichzeitig immens gestiegenen Kosten mit dem Rücken zur Wand. Und die Umsetzung der Vorgaben aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierschNutztV) stellt die Sauenhalter in den nächsten Jahren vor weitere große Herausforderungen.
Wie diese konkret ausgestaltet werden, regeln die sogenannten Ausführungshinweise, in denen die zum Teil „unbestimmten Rechtsbegriffe“ der Verordnung konkretisiert werden. Die Hinweise sind kein Gesetz, sondern haben den Charakter von Empfehlungen für die Tierschutzkontrollen durch die Veterinärämter.
Auch vor Gericht haben sie keine justitiable Wirkung. Sie werden aber über das Handbuch für Nutztierkontrollen bundeseinheitlich angewendet. Kritisch sind oft bauliche Vorgaben, die entsprechenden Investitionsaufwand bedeuten.
Diese werden in der Regel mit Übergangsfristen versehen. So haben die Sauenhalter in vorhandenen Ställen zum Beispiel Zeit, die geforderten Umbauten im Deckzentrum bis 2029 und im Abferkelstall bis 2036 umzusetzen.
Neubau: Sofort andere Buchten
Anders sieht es bei Neubauten aus. In diesen Fällen gelten die Vorgaben sofort. So ist als Folge des sogenannten Magdeburger Urteils die Unterbringung im Kastenstand verboten. Deshalb müssen in neugebauten Abferkelbereichen schon heute die Sauen in Bewegungsbuchten oder in Buchten ohne Ferkelschutzkorb (freie Abferkelung) untergebracht werden.
Die Zeit, in der die Sauen fixiert werden dürfen, ist nach TierschNutztV auf fünf Tage begrenzt. Die Verordnung regelt zudem die Größe der Bucht (mindestens 6,5 m²) und macht Vorgaben für die Gestaltung der Standfläche der Sau bei geschlossenem Ferkelschutzkorb. Der Boden in diesem Bereich soll geschlossen sein und darf nur vor dem Trog sowie im Hinterbeinbereich perforiert sein.
Weitere Vorgaben für die Abferkelbucht definiert die Verordnung nicht. Eine Konkretisierung liefern die Ausführungshinweise: etwa 1,30 m Länge und ein Schlitzanteil von maximal 7 %.
Nachträgliche Verschärfung
Nun wurden die Ausführungshinweise für Bewegungsbuchten allerdings Ende Dezember 2022 von der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) ohne vorherige Beteiligung von Fachberatern oder -verbänden geändert – quasi im „stillen Kämmerlein“.
Demnach soll die lichte Weite des Bewegungsraumes jetzt einen Durchmesser von mindestens 2 m haben. Das ist eine Vorgabe, die schon im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Raum stand, damals aber abgewendet werden konnte.
Was sich für Außenstehende nach einer Kleinigkeit anhört, wirkt sich nicht nur auf die Größe der Buchten aus. Soll auch den Ferkeln genügend Fluchtraum außerhalb des Ferkelschutzkorbes zur Verfügung stehen, steigt zunächst die Buchtengröße auf deutlich mehr als 8 m2 – mit gravierenden Folgen für die Baukosten: Nach Schätzungen von Fachleuten dürften sich allein durch die 2-m-Vorgabe für künftige Abferkelbuchten bei Neu- und Umbauten Kostensteigerungen von 270 Mio. € ergeben, wenn alle übrig gebliebenen Sauenhalter in Deutschland ihre Abferkelbuchten demnächst 8 m2 statt 6,5 oder 7 m2 groß bauen sollen.
Auf Kosten der Fluchträume
Besonders problematisch wird diese Vorgabe indessen, wenn die Fluchträume der Ferkel der Bewegungsfreiheit der Sauen geopfert werden, um den Platzanspruch bei 7 m² halten zu können. Denn an keinem Punkt kommen so unterschiedliche Ansprüche von Sauen und Ferkeln zusammen wie in der Abferkelbucht.
Eine tiergerechte Bewegungsbucht kann daher nur ein optimaler Kompromiss zwischen der Bewegungsfreiheit der Sau und der Überlebensrate der Ferkel sein. Diese ist im Übrigen genauso tierschutzrelevant!
Die Sau in der Bucht lenken
Um möglichst wenige Ferkel in den Bewegungsbuchten durch Erdrücken zu verlieren, muss die Sau dazu gebracht werden, sich auf einer für sie vorgesehenen Standfläche mit hoher Trittsicherheit abzulegen und im Liegen eher wenige Rollbewegungen auszuführen!
Der Schlüssel dafür liegt in einer maßvollen Begrenzung der Bewegungsfreiheit der Sauen und in der Unterstützung des vorsichtigen Abliegevorgangs durch den Ferkelschutzkorb.
In umfangreichen Untersuchungen im Lehr- und Versuchsgut Köllitsch sowie in Praxisbetrieben haben sich drei wesentliche Konstruktionsmerkmale herauskristallisiert:
- Ein Verhältnis der Buchtenlänge zur Buchtenbreite von 3 : 2,
- ein trapezförmiger, also eher spitz zulaufender Aktionsbereich der Sau und
- ausreichend große Fluchträume der Ferkel „ringsherum“.
In den Versuchen zeigten etwa 40 % der Sauen ein für die Ferkel gefährliches Abliegeverhalten. Das Erdrückungsrisiko ist in den Bewegungsbuchten deshalb größer als in konventionellen Buchten, weil die Abliegebewegungen gefährlicher sind und die Ferkel auch bei den Rollbewegungen der liegenden Sau erdrückt werden („Rolling“).
Gefährliches Abliegen
Bei geöffnetem Ferkelschutzkorb wird das Problem verschärft, weil die Sauen sich auch dort ablegen können, wo der Fußboden keine optimale Standsicherheit bietet. Je größer die Bucht ist und jeweiter der Ferkelschutzkorb ge-öffnet wird, desto häufiger laufen Abliegebewegungen auf dem eher rutschigen Fußbodenbereich außerhalb ihrer Standfläche ab.
Diese von Sauen und Ferkeln gemeinsam benutzten Bereiche werden in der Regel aus Kunststoff mit relativ geringen Gleitreibwerten aufgebaut, weil die Hersteller mangels Alternativen darin den besseren Kompromiss zwischen den Bodenansprüchen von Sau und Ferkeln sehen.
Die Abliegebewegungen werden koordinierter und das „Rolling“ wird bis zu 30 % weniger, wenn die Sauen irgendwo Barrieren, also Grenzen spüren. Das lässt sich unter anderem durch eine optimale (nicht maximale) Größe der Bucht von etwa 7 m² sowie die oben genannte Buchtengeometrie von 3 : 2 steuern.
Um den erwähnten 2-m-Aktionskreis hinzubekommen, muss der Ferkelschutzkorb maximal geöffnet werden – vor allem, wenn er wie bei fast allen handelsüblichen Typen auf einer Konsole aufgehängt ist und nur aufgeklappt wird.
Um den Platzanspruch für die Bucht nicht in utopische Größenordnungen von 10 m² oder mehr laufen zu lassen, führt das unweigerlich dazu, dass die Fluchträume für die Ferkel einseitig, manchmal auch an zwei Buchtenseiten zu eng werden.
In Erwartung oder aus Sorge vor dieser Diskussion folgen nur etwa ein Drittel der auf der EuroTier im November vergangenen Jahres von etwa zwölf Herstellern vorgestellten Buchtentypen in ihrem Aufbau hinsichtlich Buchtenlänge und -breite dem aus unserer Sicht optimalen Verhältnis von 3 : 2.
Die anderen zwei Drittel der vorgestellten Buchtentypen sind eher quadratisch aufgebaut. Das bringt eine maximale Bewegungsfreiheit für die Sau, erhöht aber auch das Risiko von Ferkelverlusten (siehe Übersicht).
Und dennoch kann die Vorgabe auch mit den – aus Ferkelsicht – ungünstigen, quadratischen Buchten je nach Grundfläche nicht immer erfüllt werden. Das führt aktuell dazu, dass namhafte Stallplaner, welche die wenigen, noch kurz vor der Realisierung befindlichen Stall(um)bauten verantworten, nahezu verzweifeln.
Dänen: 1,53 m reichen
Dänische Untersuchungen sehen unterdessen für die koordinierte Bewegung der Sauen bei 153 cm lichter Weite bereits ein Optimum. In Köllitsch können wir aus Erfahrung zumindest sagen, dass eher (zu) schmale Buchten besser funktionieren, als (zu) große.
Schließlich drehen sich die Sauen in der Abferkelbucht ja nicht wie ein Panzerwagen oder ein Schiff starr auf einem Punkt um die eigene Achse. Durch Bewegen des Körpers können sie auch ohne 2-m-Wendeplatz problemlos ihre Position wechseln.
In den Praxisuntersuchungen über mehrere Jahre machten die Unterschiede in den Ferkelverlusten zwischen der in diesem Merkmal besten Bucht und der unter dem Gesichtspunkt des größeren Aktionskreises konstruierten Bucht mehr als 7 Prozentpunkte aus. Das ist mindestens ein Ferkel je Wurf, das dadurch sein Leben verliert.
Deshalb sind die Schlussfolgerungen klar: Die Vorgabe des 2-m-Aktionskreises führt nicht nur zu erheblich steigenden Kosten und treibt die Sauenhalter endgültig zur Aufgabe. Sie ist auch kontraproduktiv für den Tierschutz, weil jedes Ferkel ein Recht auf Leben hat.
Die Vorgabe ist fachlich nicht zu verantworten und sollte nicht zur Anwendung kommen. Sie muss wieder vom Tisch!
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