Ausbildung

Wertschätzung muss sein

Auszubildende aus dem Münsterland erzählen, wie mit ihrer Arbeit und den Überstunden auf ihren Lehrbetrieben umgegangen wird. Während die einen rundum zufrieden sind, fühlen die anderen sich nur als billige Arbeitskraft.

Gerade läuft die Getreideernte in Westfalen. Auf den Betrieben wird gefühlt rund um die Uhr gearbeitet. Vorne mit dabei die landwirtschaftlichen Azubis. Neben Füttern, Melken und Ferkelabsetzen kommen jetzt noch viele Stunden auf Schlepper und Drescher hinzu. Da sind 12-Stunden-Arbeitstage keine Seltenheit. Fünf Auszubildende aus dem Münsterland erzählen, wie auf dem Lehrbetrieb ihr Einsatz wertgeschätzt wird.

Fehler dürfen passieren

Jonas Klostermann macht das zweite Jahr seiner Ausbildung auf einem Sauen- und Mastbetrieb in Rheine. Im Schnitt kommt er auf ungefähr 45 Stunden pro Woche, wenn er keinen Berufsschulunterricht hat. Zu Beginn des Ausbildungsjahres haben er und sein Ausbilder abgesprochen, dass die Überstunden nicht bis auf die letzte Minute abgegolten werden. „Es ist aber immer möglich, dass ich früher Feierabend machen kann, wenn ich etwas Wichtiges habe.“ Ihm kommt es auch nicht auf die Entlohnung jeder Überstunde an. „Viel wichtiger ist mir, dass ich mich mit meinem Chef verstehe“, sagt der 18-Jährige, der selbst von einem Hof in Rheine-Hauenhorst stammt. Zum Beispiel war er auf der Hochzeit des Ju­niorchefs eingeladen. Für ihn zählt, dass er das nötige Vertrauen erhält, aber trotzdem auch noch Fehler machen darf. „Auf dem Betrieb bin ich Lehrling. Fehler können immer passieren.“ Falls etwas falsch läuft, erklärt es ihm sein Ausbilder in einem vernünftigen Ton. „Es wird einem nicht gleich der Kopf abgerissen“, sagt er.

Ähnliche Erfahrungen hat sein Mitschüler Henrik Steinhoff gemacht. Beide besuchen das Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Berufskolleg in Münster. „Wir haben immer viel zu tun. Das war mir aber klar, als ich mich für die landwirtschaftliche Ausbildung entschieden habe“, sagt der 20-Jährige. Er wusste von Beginn an, dass er im Schnitt länger arbeiten muss als seine Freunde, die in der Industrie und dem Handwerk meist eine 35-Stunden-Woche haben (Arbeitszeiten in der landwirtschaftlichen Ausbildung siehe Kasten). Sein Ausbilder auf dem Milchviehbetrieb versucht aber, den Rahmen von mehr als 45 Stunden pro Woche nicht zu sprengen. Und falls es wirklich einmal mehr wird, zeigt sich sein Chef spendabel: Vor dem Schützenfest in seinem Heimatort Ahlen-Dolberg steckten sie mitten in der Grassilage, gefolgt von der Maissaat. Für die langen Arbeitstage erhielt Henrik ein üppiges finanzielles Dankeschön.

Arbeitszeit laut Ausbildungsvertrag
Nach dem Jugendarbeitsschutz darf die Arbeitszeit Jugendlicher unter 18 täglich acht Stunden und wöchentlich 40 Stunden nicht überschreiten. Jugendliche über 16 Jahre dürfen in der Ernte nicht mehr als 9 Stunden täglich und nicht mehr als 85 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden. Auch für volljährige Azubis darf die werktägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Eine über die vereinbarte regelmäßige Ausbildungszeit hinausgehende Arbeit ist besonders zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen. Sollte es zu Konflikten kommen, können sich die Azubis an ihren zuständigen Ausbildungsberater der Landwirtschaftskammer NRW wenden.

Respektloser Umgang

Anders sieht es auf dem Lehrbetrieb eines Mitschülers aus. „An der Absprache von Überstunden hapert es bei uns“, sagt der Azubi, der anonym bleiben möchte. Sein Ausbilder fragt nicht, ob er am Morgen eine Stunde eher kommen kann, sondern ordnet es einfach an. „Das finde ich respektlos. Es wird überhaupt nicht wertgeschätzt, dass ich eine Stunde eher aufstehe.“ Auch finanziell gibt es kein Entgegenkommen. Er fährt jeden Tag 25 km zu dem Milchviehbetrieb mit Schweinemast im Kreis Steinfurt. „Das Fahren kostet Geld. Es gibt aber keine finanzielle Unterstützung.“

Er kennt das anders: Im vergangenen Jahr als Jahrespraktikant haben sie ihm auf dem Betrieb, auf dem er gewohnt hatte, Kost und Logis vom Lohn nicht abgezogen. „Das fand ich fair.“ Dort hat es ihm besser gefallen. „Abends gab es ab und zu mal Pommes und Currywurst für alle und eine Flasche Bier“, erinnert er sich. Jetzt sind weder eine gemeinsame Kaffeepause noch ein kühles Getränk nach getaner Arbeit drin. Außerdem müssen er und ein Jahrespraktikant die komplette Arbeit außerhalb des Büros stemmen. „Der Ausbilder sagt, was gemacht werden muss, aber nicht wie. Hauptsache am Ende des Tages ist die Arbeit fertig“, bemängelt er die fehlende Ausbilderleistung.

Lange zur Probe arbeiten

Auf die Frage, was er angehenden Azubis mit auf dem Weg geben möchte, bringt es Jonas Klostermann auf den Punkt: „Augen auf bei der Wahl des Betriebes!“ Am besten im Vorfeld länger zur Probe arbeiten. Er empfiehlt mindestens zwei Wochen. „An einem Tag bekommt man nicht alles zu sehen. In zwei Wochen lernt man den Chef richtig kennen.“ Fabian Steinkamp empfiehlt, auch mal mit Beratern für Futtermittel oder Landmaschinen zu sprechen. Sie kennen die Betriebe und können einschätzen, wer ein guter Ausbilder ist und wer „zum Lachen in den Keller geht“.

Trotz der unterschiedlichen Erfahrungen sind sich die fünf Azubis in einer Sache einig: Sie würden alle wieder mit der Ausbildung beginnen.

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Woran der Ausbilder denken sollte

von geändert:Gee