Das neue Ausbildungsjahr ist jetzt ein paar Wochen alt. Welche typischen Probleme treten gerade in der Anfangszeit zwischen Ausbilder und Auszubildenden auf?
Josef Samberg: Unstimmigkeiten kann es geben bei überlangen Arbeitszeiten, der Regelung von Wochenenddiensten und der Arbeit nach dem Berufsschulbesuch. Aber auch die Wertschätzung seitens des Ausbilders, das Führen des Berichtsheftes und die Teilnahme am Familienleben können zu Problemen führen. Sie treten häufig dann auf, wenn Ausbilder und Auszubildender im Vorfeld nicht über alles gesprochen haben.
Was können der Azubi und seine Eltern vor Beginn der Lehre klären, um Konflikte zu vermeiden?
Josef Samberg: Wichtig ist, schon vor dem Beginn der Ausbildung bestimmte Fragen zu klären. Dazu gehören die Arbeitszeit, die Entlohnung, die genauen Aufgaben im Betrieb, das Wohnen und besondere Regeln im Haushalt des Ausbilders. Deswegen sollen sich beide Seiten auf das Vorstellungsgespräch vorbereiten. Auf der Homepage der Landwirtschaftskammer finden sie einen Leitfaden für das Gespräch. Auf bekannte Defizite des zukünftigen Auszubildenden wie zum Beispiel eine Lernschwäche oder Allergien sollten Eltern bereits im Vorstellungsgespräch hinweisen. Da über 40 % der Auszubildenden mittlerweile nicht mehr vom Hof kommen, ist es sinnvoll, vor der Ausbildung einige Tage, zum Beispiel in den Ferien, zur Probe zu arbeiten. Dann merken beide Seiten, ob der Beruf der richtige ist und „die Chemie stimmt“.
Wie lassen sich Probleme, die in der Lehre auftreten, lösen?
Josef Samberg: Auch hier gilt, offen und ehrlich miteinander umzugehen. Sinnvoll wäre es, einen festen Rhythmus für Gespräche zwischen Azubi und Ausbilder zu vereinbaren. Denn nur wer redet, dem lässt sich auch helfen. Dem Azubi ist zu empfehlen, Arbeitszeiten festzuhalten und früh zu klären, wie Überstunden vergütet werden oder ob sie sich in Freizeit ausgleichen lassen. Außerdem sollte der Azubi das Berichtsheft mindestens alle vier Wochen dem Ausbilder vorlegen.
Wann sollten Auszubildender und Ausbilder in der Lehre ausführlich über den Stand der Ausbildung reden?
Josef Samberg: Innerhalb der Probezeit sollten sie gut alle sechs Wochen über den Stand der Ausbildung sprechen. Danach sind auch größere Abstände möglich. Diese Gespräche sollten sie protokollieren.
Bei wem finden die Azubis und die Eltern Rat? Wer kann Konflikte schlichten?
Josef Samberg: Die Ausbildungsberater der Landwirtschaftskammer stehen für Rat und Unterstützung zur Verfügung. Doch müssen sie in solchen Gesprächen eine neutrale Position einnehmen und eher moderieren. Auch die Lehrer der Berufsschulen können helfen.
Die Quote der Betriebswechsler im Ausbildungsberuf Landwirt ist mit knapp 10 % relativ gering. Wann ist ein Betriebswechsel aber unumgänglich?
Josef Samberg: Die Bereitschaft zum Betriebswechsel ist in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Oftmals wird meiner Meinung nach viel zu leichtfertig der Betrieb gewechselt. Ein Wechsel ist erst dann unumgänglich, wenn sich zwischenmenschliche Konflikte nicht mehr lösen lassen. Jugendliche Auszubildende sind bei Beginn der Ausbildung häufig erst 15 oder 16 Jahre alt und kommen direkt von der Schulbank. Die neue Ausbildungs- und Arbeitswelt kann zu Beginn körperlich und psychisch sehr belastend sein. Manchmal braucht es daher eine Eingewöhnungszeit. Falls der Azubi aber merkt, dass gesundheitliche Probleme auftauchen, sollte er den Betrieb oder sogar den Beruf wechseln.
Gibt es beim Wechsel rechtliche Hürden, die der Lehrling überwinden muss?
Josef Samberg: Innerhalb der Probezeit können der Auszubildende wie auch der Ausbildende ohne Angabe von Gründen fristlos schriftlich kündigen. Es sollte aber in jedem Fall offen und ehrlich über die Gründe gesprochen werden, um Klarheit zu schaffen und damit beide Seiten in Zukunft daraus lernen können.
Nach der Probezeit kann der Auszubildende mit einer vierwöchigen Frist kündigen, wenn er die Ausbildung abbrechen oder eine andere Berufsausbildung aufnehmen möchte. Bei einer Kündigung nach der Probezeit sind zwingend die Kündigungsgründe anzugeben. Im gegenseitigen Einvernehmen lässt sich immer ein Ausbildungsvertrag auflösen.
Wenn es wirklich zur Trennung kommt, wie verhalten sich beide Seiten korrekt?
Josef Samberg: Wenn es zur Trennung kommt, sollte ein Abschlussgespräch stattfinden. Zudem ist der Ausbildungsvertrag zu lösen und auf einem extra Formblatt muss bei der Landwirtschaftskammer ein Antrag auf Löschung des Ausbildungsverhältnisses gestellt werden. Erst wenn der Ausbildungsvertrag gelöscht ist, kann ein neues Ausbildungsverhältnis beginnen. Ein Lehrling kann nicht zeitgleich zwei Ausbildungsverträge haben.
Wie lässt sich ein neuer Ausbildungsbetrieb finden?
Josef Samberg: Die Ausbildungsbetriebe stehen auf der Homepage der Landwirtschaftskammer NRW. Dort sind die einzelnen Betriebe mit ihren Betriebszweigen zu finden. Mit einem Filter lässt sich die Suche verfeinern. Im Einzelfall können die Ausbildungsberater helfen. Möglich ist auch eine Annonce im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
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