Start-up: Gänse für die Grillsaison

Gänse braten kann jeder – bei Johann-Michel Claßen aus dem niedersächsischen Bakum kommt die Gans auf den Grill. In seiner Wurstwarenmanufaktur hat der Lebensmittelwirtschaftler eine Gänsebratwurst entwickelt.

Wer den Lebenslauf von Johann-Michael Claßen anschaut, ahnt, dass 10 000 Gänse und die eigene Wurstmanufaktur erst der Anfang sind. Denn der studierte Agrar- und Lebensmittelwirtschaftler aus Bakum im Landkreis Vechta wusste schon früh, was er will: „Für mich stand fest, wenn ich den Betrieb meiner Eltern übernehme, dann nur als ,richtiger‘ Bauer.“ Sein Vater, ein Automechaniker und begeisterter Hobbylandwirt, hatte 1976 den Betrieb mit rund 2,5 ha Land erworben und im Nebenerwerb geführt.

Der Hofnachfolger rüstet auf

Seither drehte sich bei den Claßens alles um Gänsezucht, -mast und -schlachtung. Doch erst seit Johann-Michel den Betrieb als „richtiger Bauer“ – also nach Abitur und landwirtschaftlicher Ausbildung – übernommen hat, wächst der Hof immer weiter. Wo früher nur ein paar Hundert Gänse gehalten wurden, leben heute über 10 000 Tiere.

Mehr als Gänsebraten

„Bei den Gänsen ist schon immer was hängen geblieben“, so der Jungunternehmer. „Doch mir war klar, ich brauche mehr Wissen, um den heutigen Anforderungen im Lebensmittelhandel gewachsen zu sein.“ Der Landwirt setzte auf ein Studium der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft in Osnabrück. Auch hier überließ er nichts dem Zufall: In seiner Masterarbeit plante der Student einen weiteren Ausbau der Gänseschlachterei. Die Schlachtzahlen sollen zukünftig auf 20 000 Gänse pro Jahr aufgestockt werden.

Einen eigenen Weg gehen

Direkt nach dem Studium machte sich der frisch gebackene Lebensmittelingenieur an die Umsetzung. Denn einfach in den alten Fußstapfen weiterzugehen und Gänsefleisch nur für den Braten an Weihnachten zu produzieren, war nicht der Plan.

Gemeinsam mit seinem Freund und Fleischermeister Raimund Winter gründete er vor fünf Jahren die Wurstwarenmanufaktur „Claßen & Winter – Goosies Wurstwarenmanufaktur“. „Mit 18 Jahren hatten wir uns vorgenommen, was eigenes auf die Beine zu stellen“, erinnert sich Johann-Michel. „Im Oktober 2012 haben wir mit der Produktion unserer Gänsewurst begonnen.“ Da waren die beiden zwar schon 25 Jahre, aber immer noch voller Ehrgeiz.

100 000 € leihen

Doch bevor es losgehen konnte, musste die gemeinsam gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts für 100 000 € in Maschinen investieren. Geld, was die beiden Gründer sich von der Bank leihen mussten. Aber die Ziele waren klar: „Wir wollten von Beginn an in die Delikatessenabteilungen im Einzelhandel“, erklärt Johann-Michel. Und dafür brauchten die jungen Unternehmer einen langen Atem. „Der Einzelhandel erhält täglich Tausende Vorschläge und Produkt­ideen mit der Bitte, diese in seinem Sortiment zu listen. Da muss man sich schon was einfallen lassen, um im Einzelfall auf Gehör zu stoßen. Hähnchenbratwürste gibt es schon genug am Markt – aber die Gänsebratwurst ist unser Türöffner. Die hat sonst keiner.“

Expandieren bis nach Dubai

Aber auch wenn der Jungunternehmer alles plant, läuft es nicht immer geradeaus: „Wir wollten anfangs 100kg Wurst am Tag erzeugen, haben aber nur 10 kg geschafft“, erinnert er sich schmunzelnd. Die ersten Jahre haben die beiden die Manufaktur nebenberuflich geführt. Raimund war weiter als Fleischer tätig und Johann-Michel mitten in seinem Masterstudium. „Meistens haben wir nachts gearbeitet“, so der Landwirt.

Seit rund zwei Jahren betreiben sie das Unternehmen nun in Vollzeit. Ihre Kunden sind Handelsketten in Großstädten: „von Galeria Kaufhof, über Edeka oder Onlinehändler bis zum Katalogversandhandel wie Jungborn“, beschreibt der Unternehmer seine Kundschaft. Und plant nebenbei schon die nächsten Schritte: „Wir wollen unsere Wurst an den internationalen Markt bringen und stehen in Verhandlungen mit einem Händler in Dubai“, erzählt Johann-Michel. Caroline Stumpenhorst