Polit-Café am Gymnasium Nottuln

Schüler bringen Landwirtschaft aufs Podium

Ein Lehrstück des offenen Meinungsaustausches präsentierten Schüler des Nottulner Gymnasiums. Beim Polit-Café des Sowi-Leistungskurses stand das Thema Landwirtschaft im Mittelpunkt. Mit dabei Prominenz aus der Branche.

Eine rote Karte in der zweiten Reihe wanderte nach oben, wenn einer der sechs Podiumsteilnehmer seine Redezeit überschritt. Auf das Signal ihres Mitschülers reagierte Gerda Schulze Welberg und grätschte dem Redner resolut dazwischen. Die 17-Jährige moderierte gemeinsam mit ihrem Mitschüler Lukas Sydow das Polit-Café des Sozialwissenschaften-Leistungskurses des Rupert-Neudeck Gymnasiums in Nottuln am Dienstagabend und das ohne Scheu vor großen Namen.

Wenn die Redezeit überschritten war, zeigten die Schüler es mit einer roten Karte an. (Bildquelle: Otte )

Vor mehr als 350 Zuhörern – teilweise stehend, weil alle Plätze besetzt waren – diskutierten in der Aula der Schule die beiden Bundestagsabgeordneten Johannes Röring (CDU) und Friedrich Ostendorff (Grünen) mit dem Landwirt Dirk Nienhaus, Martin Hoftstetter von Greenpeace, Hubert Kelliger von Westfleisch sowie Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW. Das Thema der fast dreistündigen Diskussion lautete:" Wachse oder Weiche?! Landwirtschaft im Wandel".

"Wir haben uns bewusst dieses polarisierende Thema ausgesucht, da es vor allem im Münsterland noch sehr viele Menschen direkt betrifft", sagte Lukas Sydow. Der 19-köpfige Leistungskurs hatte sich im Vorfeld intensiv mit der Landwirtschaft beschäftigt und vier Schwerpunkte für die Diskussion herausgearbeitet: Landwirtschaft im Wandel, Landwirtschaft und Umwelt, Landwirte und Verbraucher sowie Landwirtschaft und europäische Politik. Die Podiumsdiskussion gliederten sie dementsprechend. Zu den Themenblöcken zeigten sie zum Teil kurze Einspieler, um das Publikum in das Thema einzuführen.

Mit Jahreseinkommen Familie ernähren

Während die Bundestagsabgeordneten sich gegenseitig den schwarzen Peter für den Strukturwandel in der Landwirtschaft zuschoben, machte Landwirt Dirk Nienhaus deutlich, dass nur durch eine bestimmte Größe seines Betriebes er ein Jahreseinkommen erwirtschaften kann, dass ihn und seine Familie ernährt. "Etwas anderes geben die Märkte zurzeit nicht her."

Martin Hofstetter, Agrarexperte von Greenpeace, sah die Gefahr, dass die Landwirte nur noch als Agrarmanager des vor- und nachgelagerten Bereiches arbeiten und nicht mehr selbstständig seien. Dem entgegnete Hubert Kelliger, Vertriebsleiter der Westfleisch, dass sie eine Genossenschaft seien und die Landwirte als Anteilseigner jedes Jahr wechseln könnten.

Zur Nitrat-Belastung des Grundwasser zeigte sich Johannes Röring einsichtig. "Viele Landwirte wissen, das Grenzen erreicht sind." Mit gezielter Düngung und dem Angebot des hochwertigen Düngers in Ackerbauerregionen gebe es Lösungen. Auch Dirk Nienhaus aus Bocholt sieht die Landwirte im Münsterland auf dem Weg. "Oft haben wir aber noch mit Spätfolgen der Vergangenheit zu kämpfen."

Unterschiedliche Meinungen trafen bei der Podiumsdiskussion aufeinander. (Bildquelle: Otte )

Konsens beim staatlichen Label

In der Pause hatten die Zuschauer selbst die Möglichkeit aktiv zu werden: Per Smartphone konnten sie über einen QR-Code sich als Verbraucher selbst einschätzen. Viele der Teilnehmer sahen beim Fleischkauf das Tierwohl an erster Stelle. Johannes Röring verdeutlichte, dass die Landwirte sich in der Vergangenheit vor allem um die Produktqualität gekümmert hätten. Jetzt steht aber die Prozessqualität – unter anderem die Haltung der Tiere – im Mittelpunkt. Mit QS und der Initiative Tierwohl hat sich die Branche auf den Weg gemacht. Aber auch ein staatliches Tierwohllabel hält er ähnlich wie Friedrich Ostendorff für eine gute Entwicklung.

"Uns war wichtig eine polarisierende Debatte zu haben, die aber nicht spaltet", sagte Lukas Laakmann. Der Schüler führte im Hintergrund Regie. Am Ende der Diskussion konnten sich die Teilnehmer trotz inhaltlicher Differenz weiter in die Augen schauen und in einer Sache waren sie sogar einer Meinung: Eine hervorragend organisierte Veranstaltung, von der sich manche Talkshow im Fernsehen eine Scheibe abschneiden kann.

Mehr zu der Podiumsdiskussion und der Rolle des Leistungskurses in der Wochenblatt-Ausgabe 26/2018.