Wochenblatt: Frau Höschen, die ländliche Familienberatung hat ein neues Angebot für junge Menschen aus der Landwirtschaft. Wer genau findet bei Ihnen Rat?
Maria Höschen: Das Angebot spricht Menschen an, die in Umbruchsituationen stecken. Das heißt, sie haben irgendwas beendet oder wissen nicht, ob sie es zu Ende machen wollen. Das kann das Studium oder die Ausbildung sein, aber auch der Hof. Die Ratsuchenden fragen sich: Wie geht es weiter?
Wochenblatt: Warum gibt es ein extra Angebot für die Altersgruppe?
Maria Höschen: In den vergangenen Jahren riefen immer mehr junge Menschen die Familienberatung an, weil sie Fragen zu ihrer beruflichen und persönlichen Zukunft hatten. Da war Familie oft nur am Rande Thema. Die Ratsuchenden wollten eher auf sich selbst als Person schauen. Sonst gibt es in diesem Bereich nur die Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Die versteht oft aber nicht die Besonderheiten der Landwirtschaft.
Wochenblatt: Welche Besonderheiten meinen Sie? Vor welchen Fragen stehen Kinder vom Hof im Unterschied zu ihren Altersgenossen?
Maria Höschen: Kinder von Landwirten sind meist sehr mit dem Hof ihrer Eltern verbunden. Denn oft existiert der Betrieb schon seit Generationen. Um es konkret zu machen: Jemand ist als Hoferbe vorgesehen, möchte das aber gar nicht, obwohl der Betrieb gut aufstellt ist. Er hat einen komplett anderen Berufswunsch. Was kann er jetzt machen?
Eine andere Frage lautet: Mehrere Kinder wollen den Hof übernehmen, es ist aber nur einer vorgesehen. Was können die weichenden Erben machen, um auch der Landwirtschaft treu zu bleiben? Bei jemand anderem raten die Eltern ab, den Hof weiterzumachen. Der Junior möchte aber unbedingt. Das sind spezielle Fragestellungen, die so nur in der Landwirtschaft vorkommen.
Junge Menschen sind kritischer
Wochenblatt: Welchen Rat suchen die Anrufer zu ihrer beruflichen Zukunft?
Maria Höschen: Jemand hat seine Lehre beendet und möchte wissen, ob er lieber BWL oder Landwirtschaft studieren soll. Ein anderer steckt im Studium und spielt mit dem Gedanken, es abzubrechen. Man schaut in der Beratung, welche Talente und Fähigkeiten hat der Einzelne und welche Wege gibt es, auch abseits der bekannten Pfade.
Wochenblatt: Spüren Sie, dass die Ratsuchenden auch der Druck von außen auf die Landwirtschaft umtreibt?
Maria Höschen: Das merkt man in den Gesprächen. Dadurch werden viele junge Menschen kritischer. Es taucht öfter die Frage auf, ob man eigentlich in der Landwirtschaft, die von außen oftmals stark in der Kritik steht, arbeiten möchte. Manchen Ratsuchenden setzt auch die fehlende Planbarkeit ziemlich zu.
Beratung zu Hause oder in Hardehausen
Wochenblatt: Kommen wir zum Praktischen. Wie genau läuft die Beratung ab?
Maria Höschen: Der Ratsuchende ruft bei mir an und ich wähle zwei unserer Berater für ihn aus. Diese kommen aus der Landwirtschaft und verstehen die Zusammenhänge. Die Berater treffen sich mit dem jungen Menschen, entweder bei demjenigen zu Hause oder in der Landvolkshochschule in Hardehausen. Manche bevorzugen eher einen neutralen Ort.
Erst mal wird geschaut, was der Ratsuchende durch das Gespräch geklärt haben möchte. Braucht er eher eine Stärkung oder einen gemeinsamen Blick auf seine Fähigkeiten und Ziele? Wichtig ist, dass der Berater ihm keine Idee vorgibt, sondern ihn so lenkt, dass er selbst auf die passende Spur kommt.
Wochenblatt: Gibt es Folgetermine nach der ersten Beratung oder ist es eine einmalige Angelegenheit?
Maria Höschen: Mit einem Treffen ist man noch nicht am Ziel. Nach dem ersten Termin kann der Ratsuchende mit etwas Abstand in Ruhe noch mal alles durchdenken. Denn oft ist er im Gespräch Feuer und Flamme von den neuen Ideen, im Alltag sieht es dann vielleicht schon wieder anders aus.
Außerdem kann er zwischen zwei Terminen was ausprobieren. Meist sind es mindestens drei Beratungen, um wirklich Erfolge zu haben. Ungefähr vier Wochen sollten zwischen den einzelnen Terminen liegen, damit sich das Gesagte setzen kann.
Wochenblatt: Fast die Hälfte derer, die eine landwirtschaftliche Lehre beginnt, kommt nicht mehr vom Hof. Sind auch sie bei Ihnen an der richtigen Adresse?
Maria Höschen: Das sind sie. Sie stellen sich zum Beispiel die Frage, was sie mit der Ausbildung machen können oder ob es vielleicht einen Hof gibt, den sie übernehmen können. Oft schleppen sie die Kritik von zu Hause mit, nach dem Motto: Was willst du eigentlich mit der landwirtschaftlichen Lehre?
Wochenblatt: Tickt die gegenwärtige Generation anders als ihre Eltern?
Maria Höschen: Früher ging es eher ums Durchhalten und den vorgefertigten Weg zu gehen. Heute trauen sich die jungen Menschen nach Hilfe zu suchen. Viele wissen genau, dass sie selbst für das verantwortlich sind, was sie jetzt entscheiden. Da lohnt es sich externen Rat zu holen, um eine gute Entscheidung treffen zu können.
Jeder sollte sich hinterfragen, ob das, was er macht, ihn auch zufriedenstellt. Denn nur so hat man die nötige Widerstandsfähigkeit, um zum Beispiel einen Burn-out oder ähnliche psychische Erkrankungen zu vermeiden.
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Für die Zukunft gerüstet seinDie ländliche Familienberatung in Hardehausen hat seit Jahresbeginn ein neues Beratungsangebotmit dem Namen „#challenge_zukunft“. Es richtet sich an junge Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren, die vor allem im Erzbistum Paderborn leben.
Durch die finanzielle Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums NRW haben sieben Berater eine Zusatzausbildung für Fragen junger Menschen abgeschlossen. Eine Beratung kostet 50 €. Wer die Gebühr nicht stemmen kann, für den springt die ländliche Familienberatung ein. „Die Beratung soll nicht an der Kostenfrage scheitern“, betont Geschäftsführerin Maria Höschen. Sie ist erreichbar unter Tel. (0 56 42) 98 23-66.
www.lvh-hardehausen.de::}}