Duales Studium Landwirtschaft

Pionier mit Wissensdurst

Peer Sachteleben hält Schweine in mobilen Ställen. Damit betritt der Osnabrücker Neuland in Deutschland. Zuvor hat der 25-Jährige in Witzenhausen Landwirtschaft studiert und parallel eine Ausbildung zum Landwirt gemacht.

Sauen, Ferkel und Mastschweine der Rasse Bunte Bentheimer dösen im Schatten. Den Schatten werfen Edelstahlbleche, die auf einem Stahlchassis montiert sind. Auf den Blechen steht „Schlehbaumhof“. Die Konstruktion gehört zu den mobilen Ställen von Peer Sachteleben, der mit diesem Konzept in Deutschland und vermutlich sogar weltweit Neuland betreten hat.

Mit seiner Idee hat der 25-Jährige den mit 10  000 € dotierten Innovationspreis der Initiative Tierwohl gewonnen. Aber wichtiger für ihn ist, dass er damit dem Schlehbaumhof in der Bauerschaft Darum bei Osnabrück wieder landwirtschaftliches Leben eingehaucht hat (mehr zu den Ställen siehe Kasten). Bevor der Osnabrücker 2018 aber den Schritt zum eigenen Hof wagte, hatte er Erfahrungen in der Praxis, an der Uni und im Ausland gesammelt.

Schon von Weitem sieht der Besucher die „Camper“ für die Schweine. Im Seuchenfall kann der Landwirt die Mobile verriegeln und als vollwertigen Stall nutzen. (Bildquelle: Schildmann)

Für den Ökolandbau entschieden

Der Schlehbaumhof ist seit mehreren Generationen im Besitz der Familie Sachteleben. Anfang der 80er-Jahre endete die Bewirtschaftung. Während der Schulzeit half Peer auf den Höfen der Nachbarn vor den Toren der Osnabrücker City und lernte das Leben auf einem Familienbetrieb zu schätzen.

Schon vor dem Abi stand für ihn fest, dass er Landwirtschaft studieren möchte. Klar war ihm auch, dass es die ökologische Landwirtschaft sein soll – denn vor allem der ökologische Ackerbau reizte ihn. Aus seiner Sicht behandelt der chemische Pflanzenschutz nur Symptome wie zu viel Unkraut oder Pflanzenkrankheiten. „Der ökologische Ackerbau setzt einen Schritt vorher an“, sagt Peer. Bei ihm spielen Fruchtfolgen und der Umgang mit dem Boden eine größere Rolle.

Für Peer ist es eine komplexe Managementaufgabe, die diese Form des Landbaus sehr spannend macht. So spannend, dass sich der Osnabrücker für das Studium der ökologischen Landwirtschaft am Campus Witzenhausen der Uni Kassel einschrieb.

Duales Studium am Campus Witzenhausen der Uni Kassel

Doch Peer entschied sich nicht nur für das Öko-Studium, sondern auch für die duale Variante. Das zweigleisige Studium wird von der Uni Kassel in Kooperation mit dem Landesbetrieb Landwirtschaft in Hessen seit mittlerweile zehn Jahren angeboten. Parallel zum Bachelor konnte der damalige Student so eine Ausbildung zum Landwirt machen.

Dafür musste er mindestens 22 Monate auf einem Lehrbetrieb nachweisen. „Ich war ein Neuling in der Landwirtschaft. Daher wollte ich auf jeden Fall nicht nur studieren, sondern auch die praktische Seite kennenlernen“, betont der 25-Jährige.

Bevor es in Vorlesungen und die Bibliothek ging, hieß es für Peer erst ein mal ein Jahr anpacken, das Berichtsheft führen und die Berufsschulbank drücken. Dabei erhielt er den tariflichen Azubi-­Lohn. Sein erstes Lehrjahr verbrachte er auf einem 1400-ha-Bio­betrieb in Mecklenburg-Vorpommern mit Schwerpunkten auf Ackerbau und Milchvieh.

Danach ging es zum Wintersemester an den Campus in Witzenhausen. In den ersten beiden Semestern standen vor allem die Grundlagen aus Mathe, Physik und Chemie auf dem Plan. Für ihn waren die Naturwissenschaften keine unüberwindbare Hürde, denn er hatte Physik bis zum Abi. Peer mochte es, sich die Inhalte selbst zu erarbeiten. „An der Uni hatte ich den Zugriff auf viel Wissen und konnte den Stoff selbst vertiefen.“

Arbeit auf Familienbetrieb in Hessen

Während Lehre plus Bachelor-Studium sonst in der Regelzeit fünf Jahre dauern, konnte Peer es durch die duale Variante auf vier Jahre verkürzen. In der vorlesungsfreien Zeit des dritten und vierten Semesters ging es für ihn auf den nächsten Lehrbetrieb.

Es war ein Betrieb mit 80 ha im hessischen Lahn-Dill-Kreis. Neben Mutterkühen hielt die Familie sechs Sauen samt Ferkelaufzucht im Freiland. Hinzu kam ein kleiner Hofladen – eine ganz andere Struktur als beim ersten Betrieb. Die zweite praktische Phase schloss er mit der Prüfung zum Landwirt ab.

Im vierten und fünften Semester setzte der ausgebildete Landwirt seine Schwerpunkte im Studium auf Pflanzenbau und Boden sowie auf die Ökonomie. Dabei konnte er sich aus einem Pool an Wahlpflichtfächern bedienen. Dazu zählen zum Beispiel Module zur Angewandten Bodenphysik oder der Ökologischen Pflanzenzüchtung. Im sechsten Semester schrieb er die Bachelorarbeit. Er verglich Formen der Freilandlandhaltung beim Schwein.

Jedes Mobil ist 180 cm hoch. Ein Stall besteht aus Stahlblech-Isolierpaneelen und Edelstahlblechen. (Bildquelle: Schildmann)

Der Campus Witzenhausen

Peer zählt zu einer Minderheit am Campus Witzenhausen. Weniger als 10 % pro Semester entscheiden sich für die duale Variante. „Das ist schade. Etwas mehr Praxis würde dem einen oder anderen weiterhelfen“, meint er. Das 13-wöchige Vorpraktikum reicht oft nicht. Denn viele der Studierenden stammen nicht vom Hof.

Das Studium und das Leben in Witzenhausen – einer der kleinsten Unistädte Deutschlands – genoss der Niedersachse. Die Stadt ist familiär, hat aber trotzdem einen internationalen Flair. Vor allem die Masterstudiengänge belegen viele Studierende aus dem Ausland.

Die konventionelle Landwirtschaft spielt in Witzenhausen kaum eine Rolle. Trotzdem sind die Fronten zwischen „Ökos“ und „Konventionellen“ nicht mehr so verhärtet wie vor Jahren. Studierende aus Witzenhausen besuchen Vorlesungen der landwirtschaftlichen Fakultät in Göttingen und umgekehrt. Beide Städte liegen knapp 30 km auseinander.

Die Grundfläche in den Mobilen beträgt 15 m² und ist in Fress-, ­Liege- und Aktivitätsbereiche ­unterteilt. (Bildquelle: Schildammn)

„Campingplatz“ für Schweine
Schon nach der Schule machte Peer sich Gedanken, wie er auf dem Schlehbaumhof wieder Landwirtschaft betreiben kann. Die 31 ha des Hofes waren verpachtet. Hinzu kamen noch 16 ha Wald. Gerne wollte er Ackerbau und Freilandhaltung verbinden.
Nachdem er aus dem Ausland zurückkehrte, holte er im Laufe des Jahres 2017 die verpachteten Flächen zurück und meldete 2018 die Landwirtschaft wieder an.
Zu Beginn gestaltete sich die Genehmigung der Freilandhaltung schwierig. Wegen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) musste er Zusatzauflagen vom Veterinäramt erfüllen. Durch die Kombination eines vollwertigen Stalls mit Auslaufhaltung umging er das Problem – so war die einmalige Idee für die mobilen Schweineställe geboren.
Heute stehen auf Ackerflächen, die er gerade nicht nutzt, elf Mobilställe. Dort hält er sechs Sauen, 32 Ferkel, 18 Läufer und 27 Mastschweine der Rasse Bunte Bentheimer. Pro Mobil steht den Schweinen ein Auslauf von etwa 900 bis 1200 m² zur Verfügung. Wichtig ist, dass die Tiere die Fläche regelmäßig wechseln.
Gebaut und konzipiert hat er die Ställe mit seinem Vater. Um wirtschaftlich zu sein, braucht er mindestens 24 Mobile. Ob sich das Konzept für den Hof rechnet, wird sich in den nächsten fünf Jahren zeigen, schätzt Peer.