Pascal Tschirch macht sich nichts vor. „In der normalen Ausbildung zum Landwirt wäre ich untergegangen“, sagt der 18-Jährige. Der junge Mann aus Enningerloh im Kreis Warendorf hat in den vergangenen Tagen seine Ausbildung zum Landwirtschaftsfachwerker erfolgreich beendet. Drei Jahre hat er auf dem Betrieb von Hubert Dörhoff in Enningerloh gearbeitet.
Pascal gehört zu den ersten Landwirtschaftsfachwerkern, die am Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Berufskolleg in Münster zur Berufsschule gingen. Diese Ausbildung ist eine abgestufte Form der Lehre zum Landwirt, orientiert sich aber am selben Lehrplan.
Lehre zum Fachwerker als Glücksfall
Pascal stammt nicht vom Hof. Aber schon früh packte ihn das „Virus“ Landwirtschaft. Seit seiner Kindheit hilft er auf einem Betrieb von Verwandten. Während der Schulzeit machte er auf dem Hof von Hubert Dörhoff ein Praktikum. 2017 begann er auf dem Betrieb mit 200 ha Ackerbau und unter anderem 2000 Mastplätzen die normale Ausbildung zum Landwirt.
Nach wenigen Monaten merkte sein Ausbilder aber, dass Pascal immer ruhiger wurde. Der sonst aufgeweckte Lehrling sprach kaum noch. Auch im Berufsschulunterricht am Berufskolleg in Münster zog er sich immer mehr zurück. Der Unterricht überforderte den jungen Mann, der einen Hauptschulabschluss nach Klasse 9 hat.
Lehrer und Ausbilder waren alarmiert. Sie überlegten, ob eine Fachwerker-Ausbildung für ihn der richtige Weg sei. Pascal durfte in der damals neu eingerichteten Fachwerker-Klasse am Berufskolleg zu Gast sein: Hier kümmerten sich die Lehrer um wenige Schüler und unterrichteten nicht bis zu 30 angehende Landwirte.
Ein psychologisches Gutachten seitens der Arbeitsagentur wies bei Pascal eine Lese- und Rechtschreibschwäche nach. Das Attest war die Eintrittskarte, um die Ausbildung zu wechseln.
Unterricht am Wilhelm-Emmanuel-von-Ketteler-Berufskolleg
Am Berufskolleg in Münster haben die angehenden Fachwerker im Wechsel ein oder zwei Berufsschultage pro Woche. In diesem Schuljahr waren es insgesamt acht Berufsschüler in unterschiedlichen Ausbildungsjahren. Zwei Fachlehrer und ein Förderschullehrer betreuen sie.
Fächer wie Deutsch, Politik und Sport haben sie gemeinsam. Für die fachbezogenen Fächer wie Pflanzen- und Tierproduktion sowie Wirtschaftslehre und Vermarktung werden sie extra dem Ausbildungsjahr entsprechend unterrichtet.
Vor allem im Fach Pflanzenproduktion blühte Pascal auf. „In der neuen Klassen hat Pascal gleich Gas gegeben“, erinnert sich seine Lehrerin Serena Schrimper. Die Betreuung ist intensiver und dem individuellen Lerntempo angepasst.
„Wir wiederholen ganz viel, orientieren uns aber am normalen Lehrplan“, sagt die Berufsschullehrerin. Sie erstellen zum Beispiel keine komplexen Düngebedarfspläne, sondern nehmen im Lehrgarten im Schulhof Bodenproben und berechnen den Nährstoffbedarf einer Pflanze in einfachen Schritten.
Der Förderschullehrer trainiert mit ihnen Rechnen und Schreiben. Außerdem bekam Pascal Nachhilfeunterricht vom Verein „impulse“ in Warendorf. Dieser Verein ist auch der Träger seiner Ausbildung. Denn neben der Berufsschule und dem Ausbilder braucht es meistens für die Ausbildung zum Fachwerker einen anerkannten Bildungsträger.
Pascal schnupperte auch wieder in den Unterricht der angehenden Landwirte hinein. „Ich hätte es gerne gesehen, wenn er die Ausbildung zum Landwirt auf den Fachwerker-Abschluss draufgesattelt hätte“, sagt Serena Schrimper. Das empfiehlt sie nicht jedem Fachwerker.
Auch sein Ausbilder Hubert Dörhoff traut ihm das zu. Dafür hätte Pascal in der Mittelstufe, dem zweiten Ausbildungsjahr, einsteigen und noch zwei komplette Lehrjahre dranhängen müssen – inklusive den Wechsel des Lehrbetriebes.
Führerschein an der DEULA
Doch Pascal will erst mal arbeiten. Direkt nach den Prüfungen beginnt er mit der Probearbeit bei einem Tiefbauunternehmen. Dort soll er einen Schlepper mit Kalkfräse steuern.Die Leidenschaft für Trecker wuchs auf dem Hof Dörhoff: Während er zu Beginn der Lehre weder Trecker- noch Autoführerschein hatte, fährt er beides mittlerweile ohne Probleme.
Pascal begann mit dem Führerschein an einer normalen Fahrschule. „Das hat aber nicht so geklappt“, sagt er. Der Theorieunterricht war abends nach der Arbeit. Da ließ meist die Konzentration nach. Sein Ausbilder schickte ihn deswegen an die DEULA nach Warendorf. Dort machte er den Führerschein sowohl für den Schlepper als auch für das Auto in zweiwöchigen Intensivkursen.
Hubert Dörhoff unterstützte ihn bei den Kosten und half ihm auch ein eigenes Auto zu finden. Mittlerweile erledigt Pascal viele Arbeiten im Stall und auf dem Acker selbstständig. „Ich merke kaum einen Unterschied zu einem angehenden Landwirt“, sagt der Ausbilder.
Zu Beginn musste Hubert Dörhoff ihm einige Arbeitsabläufe mehrfach erklären, nun weiß der Ausbilder aber, was er Pascal zutrauen kann und was nicht. „Man wundert sich, was aus dem Jungen geworden ist“, sagt der Schweinehalter. Sein Selbstvertrauen ist gewachsen in den drei Jahren.
Locker spricht Pascal mit einem über sein Hobby, das Tunen von Autos. Zum Beispiel schraubt er gerne an seinem alten Golf herum. Bei größeren Reparaturen an dem Wagen half ihm sein Ausbilder. „Pascal wird uns fehlen“, sagt Hubert Dörhoff. Pascal hingegen wird die Landwirtschaft fehlen. Daher wird es zu einem Wiedersehen auf dem Hof kommen.
Eine Ausbildung mit Stützen
Die Ausbildung zum Landwirtschaftsfachwerker ist für Jugendliche gedacht, die wegen einer Beeinträchtigung die Anforderungen im regulären Ausbildungsberuf Landwirt nicht erfüllen können. Diese Handicaps können Lernschwächen, Verhaltensprobleme oder psychische Erkrankungen sein. Die Form der Ausbildung ist eine Reha-Maßnahme. Das heißt die Agentur für Arbeit stellt anhand eines Gutachtens fest, wer sich für diese Lehre eignet. Sie bezuschusst die Ausbildung oder übernimmt komplett die Kosten. Es gibt zwei Varianten:
Bei der kooperativen Ausbildung schließt der Azubi einen Vertrag mit einem außerbetrieblichen Bildungsträger ab, der die Ausbildung zum Landwirtschaftsfachwerker begleitet. Die praktische Ausbildung findet in einem landwirtschaftlichen Ausbildungsbetrieb statt. Mit ihm wird ein Kooperationsvertrag abgeschlossen.
Bei der begleiteten betrieblichen Ausbildung schließt der Azubi einen Vertrag direkt mit dem Ausbildungsbetrieb ab. Der Betrieb bekommt einen Ausbildungszuschuss. Dafür muss der Betrieb über eine rehabilitationspädagogische Fortbildung verfügen.
Nach der Ausbildung finden Fachwerker zum Beispiel Jobs auf landwirtschaftlichen Betrieben, die Helfer für Routinearbeiten suchen. „Vor allem bei großen Betrieben werden solche Kräfte gebraucht“, sagt Berufsschullehrerin Serena Schrimper. Berufsschulklassen für angehende landwirtschaftliche Fachwerker gibt es in NRW am Heinrich-Sommer-Berufskolleg des Josefsheim Bigge in Olsberg. Seit 2017 gibt es das Angebot auch am Berufskolleg in Münster und in Kleve.
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