Interview: Wenn Studieren nicht als Arbeit zählt

Studenten, die im Betrieb als Arbeitskraft zählen, müssen oft um ihre Lernzeiten kämpfen. Das bestätigt Uni-Beraterin Katrin Häuser im Gespräch mit dem Wochenblatt.

Studenten, die im Betrieb als Arbeitskraft zählen, müssen oft um ihre Lernzeiten kämpfen. Das bestätigt Uni-Beraterin Katrin Häuser.

Wochenblatt: Wie verbreitet ist das Problem, dass Agrarstudenten auf dem elterlichen Hof kaum Lernzeiten eingeräumt bekommen?

Häuser: Ich schätze, dieses Problem ist bei ungefähr einem Viertel aller Agrarstudenten, die mich zum Thema Zeitmanagement aufsuchen, die Ursache. Die Eltern können in diesen Fällen nicht akzeptieren, dass ihr Sohn oder ihre Tochter plötzlich keine Zeit mehr zum Helfen hat. Sie sagen dann: „Du siehst uns doch draußen arbeiten. Wieso kommst du nicht raus?“ Die Studenten bekommen ein schlechtes Gewissen, arbeiten draußen wie gewohnt mit und leiden am Ende unter der Doppelbelastung und dem inneren Konflikt.

Wochenblatt: Wieso akzeptieren die Eltern der Betroffenen das Studium nicht als anspruchsvolle Aufgabe?

Häuser: Häufig haben diese Eltern selbst nicht studiert und können sich daher nicht vorstellen, wie viel Arbeit ein Studium mit sich bringt. Außerdem ziehen sie den Vergleich zur Schulzeit ihrer Kinder. Dann heißt es oft: „Wieso hilfst du nicht? Beim Abi hat das doch auch geklappt!“ Auf den Höfen wird keine Ersatz-Arbeitskraft eingeplant.

Wochenblatt: Was raten Sie den Studenten, die zu Ihnen kommen?

Häuser: Wenn das Problem die fehlende Akzeptanz der Eltern ist, rate ich den Studenten, Transparenz zu schaffen. Sie sollten sich mit ihren Eltern an einen Tisch setzen und das Problem ansprechen. Oft hilft es auch, ihnen Vorlesungsmitschriften oder Arbeitsblätter zu zeigen. Dann sehen die Eltern, was es alles zu lernen gibt und wie anspruchsvoll die Inhalte sind. Sehr hilfreich ist auch, den Eltern den Mehrwert des Studiums vor Augen zu führen und zu sagen: „Ihr wollt, dass ich den Hof übernehme. Dann muss ich auch den neuesten Stand der Dinge lernen, um gewappnet zu sein.“ Wenn gar nichts hilft, denken die Studenten oft darüber nach, in ihre Studienstadt zu ziehen, um der Ablenkung auf dem Hof zu entgehen.

Wochenblatt: Wie sind die Reaktionen? Bringt das Gespräch mit den Eltern etwas?

Häuser: Im besten Fall bringen die Eltern danach mehr Verständnis auf. Oder die Familie findet einen Kompromiss, was die Arbeitszeiten angeht. Der könnte zum Beispiel so aussehen, dass es im Wochenplan an ein oder zwei Tagen feste Zeiten gibt, in denen der Student draußen mitarbeitet. Darum herum organisiert er seine Lernzeiten. Dafür müssen sich die Eltern wiederum aber auch an den Plan halten und die abgesprochenen Lernzeiten freigeben.

Wochenblatt: Wie sieht so ein „Wochenplan“ aus?

Häuser: Mit Studenten, die strukturiert vorgehen möchten, erstelle ich einen Wochenplan. Wir überlegen gemeinsam, welche Tätigkeiten in welcher Häufigkeit in einer Woche untergebracht werden müssen. Das umfasst Arbeitsdienste und Lernzeiten aber auch Hobbys und Freizeit.

Es gibt auch Studenten, die mit einem eng gestrickten Wochenplan nichts anfangen können. Mit ihnen lege ich bestimmte Abschnittsziele fest. Dieses oder jenes Ziel müssen sie dann bis zum Ende des Monats oder zum Ende des Semesters erreichen. Dann überlegen wir ein neues Ziel mit einer neuen Frist. Jeder Student und jede Situation ist unterschiedlich. Es gibt kein Patentrezept. Aber im individuellen Gespräch ergibt sich fast immer eine Lösung. Eva Piepenbrock

Einen Erfahrungsbericht zum Thema Zeitmanagement im Studium lest ihr im Wochenblatt Folge 3 auf Seite 94.