Faszination Erntetechnik

Marlies Bresser ist gelernte Landmaschinenmechatronikerin. In der ­Männerdomäne hat sie sich als Innungsbeste behauptet. Mit diesen guten Voraussetzungen beginnt sie im Herbst ein Studium der Agrarwirtschaft.

Mit dem Laptop auf dem Schoß sitzt Marlies Bresser in der Fahrerkabine des Maishäckslers. Sie schaut konzentriert auf das Terminal der Erntemaschine. Während ihre Kollegen verschiedene Teile des Schneidwerks montieren, kontrolliert sie die Einstellungen des Bordcom­puters. Dabei dient ihr der Laptop als wichtiges Werkzeug, denn die moderne Landtechnik wird elek­tronisch gesteuert.

Solch ein Einsatz gehörte zum Arbeitsalltag der 22-Jährigen aus Enniger im Kreis Warendorf. Sie hat nach dem Abitur ihre Ausbildung zur Landmaschinenmechatronikerin bei der Agrartechnik Altenberge im Kreis Steinfurt absolviert. In dem eher männlich geprägten Beruf behauptete sich die junge Frau gegenüber ihren Kunden und Kollegen. Mit dem Ergebnis ihrer Gesellenprüfung wurde sie Innungsbeste des Fachbereichs Land- und Baumaschinentechnik der Kreise Warendorf, Steinfurt und Münster. Im Herbst beginnt Marlies ein Studium der Agrarwirtschaft.

Allein unter Männern

Das Agrartechnikunternehmen in Altenberge ist ein Familien­betrieb. Die Familie Schulze Isfort betreibt es in der zweiten Generation. Mittlerweile sind sie an drei Standorten zu finden und beschäftigen 100 Angestellte. Davon befinden sich 20 Mitarbeiter in der Ausbildung.

Dass Marlies in der Werkstatt keine weiblichen Kolleginnen hatte, war für sie kein Problem. Ganz im Gegenteil. „Hier fühle ich mich wohl, das ganze Team ist sehr familiär und es gibt auch keinen Zickenkrieg“, betont die Gesellin. Sie hat sich schnell in die Arbeit eingefunden.

Die Werkstätten sind mit Deckenkränen ausgestattet. „Bei der Arbeit mit solch großen Maschinen ist das notwendig“, erklärt Juniorchef Hendrik Schulze Isfort. Davon profitierte auch seine Auszubildende, denn so konnte sie auch schwere Bauteile an jeden belie­bigen Ort in der Werkstatt transportieren. „Marlies setzt sich mit Köpfchen durch, da ist körperliche Stärke zweitrangig“, sagt Hendrik Schulze Isfort. Für die Kollegen in der Werkstatt war es normal, dass eine junge Frau an den großen Landmaschinen arbeitet.

Während der Maisernte arbeitet Marlies Bresser auch im Außendienst. Um möglichst wenig Zeit zu verlieren, repariert sie defekte Feldhäcksler vor Ort. (Bildquelle: Schildmann)

Bei manchen Kunden war es anders. Diese sind häufig irritiert, wenn sie am Telefon oder im Außendienst von einer Frau beraten werden. „Die Landwirte schauen meist nicht schlecht, wenn ich auf dem Feld anfange, an den Erntemaschinen zu schrauben“, sagt Marlies. „Dann wollen sie es oft selbst machen.“ Durch Kompetenz und Wissen überzeugte sie die Landwirte schnell von ihrem ­Können.

„Die Landwirte schauen meist nicht schlecht, wenn ich auf dem Feld anfange, an den Erntemaschinen zu schrauben.“ (Marlies Bresser)

Technik, die begeistert

Marlies weiß, wie die Landwirte ­ticken, da sie selbst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen ist. So konnte sie im Außendienst gut auf ihre Kunden eingehen. Durch den elterlichen Milchviehbetrieb hatte die 22-Jährige schon immer einen Bezug zur Landwirtschaft. Dort packte sie schon in jungen Jahren mit an und begeisterte sich für die Arbeit auf dem Hof.

Die Faszination für die Landmaschinen, vor allem für die große Erntetechnik, kam bei Marlies aber erst durch ein Praktikum in einem Landtechnikunternehmen. Danach war klar, dass dieser Beruf genau richtig ist. „Die Arbeit in der Werkstatt ist spannend und ganz anders als auf dem Hof“, sagt die junge Frau. Die Landmaschinen, die sie sonst auf dem Hof ­gefahren hat, lernte sie bei ihrer Arbeit in der Werkstatt noch detaillierter kennen. So kann sie mittlerweile Schäden selbst beheben und kleinere Umbauten an den Geräten vornehmen.

Potenzial optimal fördern

Zu Beginn ihrer Ausbildung war Marlies für kleine Aufgaben zuständig. Dazu gehörten die Inspektion und die Wartung von Schleppern sowie kleine Reparaturen. Ab dem zweiten Lehrjahr durchlief sie vier verschiedene Bereiche. Alle drei Monate wechselte sie zwischen Lagertechnik, Teleskopladern, Schleppern und Erntemaschinen. Danach musste sie sich für einen Bereich entscheiden. „So lässt sich das Potenzial der Auszubildenden optimal fördern“, erklärt Juniorchef Hendrik Schulze Isfort.

Für Marlies war klar, dass sie in der Erntetechnik weiterarbeiten will. „Mir gefällt die umfangreiche Elektronik der Erntetechnik besser als die Hydraulik und Pneumatik an Schleppern und anderen Geräten“, sagt sie. Heutzutage ist die moderne Landtechnik komplett elektronisch gesteuert. Dadurch ist die Arbeit der Landmaschinenmechatroniker sehr umfangreich. Marlies muss sich in die einzelnen Abläufe hinein­denken können und Fehler eigenständig erkennen. Außerdem muss sie die Maschinen optimal kalibrieren. „Dazu gehört mehr als nur ein bisschen schrauben“, sagt Juniorchef Hendrik Schulze Isfort. Zu dem Gelernten aus der Werkstatt zählt auch viel theoretisches Wissen über die verschiedenen Fachbereiche der Ausbildung.

Berufsschule in Warendorf

Die Theorie vertiefte Marlies in der Berufsschule. Dafür ging es für sie auf das Paul-Spiegel-Berufskolleg in Warendorf. Dort war sie ebenfalls die einzige Frau in der Klasse. Außerdem war sie deutlich älter als die meisten Mitschüler, die größtenteils direkt nach der zehnten Klasse in die Ausbildung gestartet waren. Durch das Abitur konnte die junge Frau die Ausbildung verkürzen. Die Lehrer unterstützten sie dabei. Sie konnte den Stoff des ersten Lehrjahres selbstständig zu Hause wiederholen und direkt ins zweite Berufsschuljahr einsteigen.

Der Unterricht der Land- und Baumaschinenmechatronik behandelt neben Fächern wie Deutsch und Politik vorrangig die berufsbe­zo­genen Fächer. Dazu gehören Service und Fertigung, Demontage, Instandsetzung und Montage sowie Prüf- und Installationstechnik. Auch die Betriebswirtschaft wird unterrichtet, damit die Auszubildenden lernen, was unter den Zahlen im Unternehmen zu verstehen ist. Um die Lehrlinge auch auf die Betreuung von Kunden aus dem Ausland vorzubereiten, lernen sie fachspezifisches Englisch.

Organisieren und betreuen

Nach ihrer Ausbildung vertieft Marlies ihre Kenntnisse durch ein Studium der Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest. In den Fachbereichen der Agrartechnik und der Pflanzenproduktion möchte sie neues Wissen sammeln. Ihr ehemaliger Chef hofft, Marlies nach ihrem Studium wieder in seinem Unternehmen zu begrüßen. „Während der Lehrzeit sieht man, wie sich die Azubis entwickeln. Es ist vor allem die Persönlichkeit, die Marlies ausstrahlt.“ Er möchte junge Führungskräfte fördern. Dabei ist ihm wichtig, dass sie sowohl die Technik als auch den Service kennenlernen, denn eine kompetente Kundenbetreuung ist in dieser Branche besonders wichtig. Das kann sich die 22-Jährige für die Zeit nach ihrem Studium vorstellen, denn sie möchte gerne organisieren und die Kunden betreuen.

In den Semesterferien plant Marlies, in die Werkstatt zurückzukommen. „Im Sommer herrscht Hochbetrieb. Dann kann man keinen Arbeitstag vorbereiten. Jeder Tag ist anders“, sagt sie. Teilweise kommen die Maschinen noch spät abends in die Werkstatt und müssen morgens wieder auf dem Feld stehen. Dann wird jede helfende Hand benötigt.

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