Familienpflegerin: Die „Rund um die Familie“-Ausbildung

Familienpflegerinnen machen im Grunde das, was ihr Name sagt: Sie betreuen, pflegen, kochen und organisieren den Alltag in Familienhaushalten. Dafür werden sie rundum ausgebildet. Wir stellen den Ausbildungsberuf vor.

September 2012: Zu Beginn des Interviews mit einigen Schülern des Fachseminars für Familienpflege am Edith-Stein-Kolleg in Warendorf wird klar: Hier zählt das Familiäre. In der dreijährigen Ausbildung pauken die Auszubildenden nicht Mathe, Deutsch und Physik. Stattdessen lernen sie, den Alltag einer Familie zu organisieren und zu begleiten – sie werden Familienpflegerinnen.

Soziale Schiene erwünscht

Martina Bruland ist eine von 17 Schülern im aktuellen Ausbildungsjahrgang am Fachseminar in Warendorf. Eine Freundin erzählte der 25-Jährigen damals von der Familienpflege.

Die vielseitige Ausbildung mit hauswirtschaftlichen, pflegerischen und pädagogischen Elementen reizte Martina Bruland. Nach einem Informationsgespräch im Edith-Stein-Kolleg startete sie noch im gleichen Jahr. Nun steht sie am Ende des zweijährigen schulischen Ausbildungsabschnitts. Nach den Examensprüfungen wird sie im November ihr Berufspraktikum, eine Art Anerkennungsjahr, beginnen.

Dabei erfüllt sich die junge Frau einen Traum: Sie hat eine Stelle bei den Freckenhorster Werkstätten, einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, erhalten. „Das war einfach Glück. So kann ich meine Berufe miteinander verknüpfen. Denn ich kann dort behinderte Menschen betreuen und beschäftigen und das mit Grundlagen, die ich als Tischlerin gelernt habe“, sagt sie.

„Für den Unterricht ist es förderlich, dass einige der Schüler bereits viel Lebenserfahrung mitbringen. Weniger als die Hälfte von ihnen beginnt die Ausbildung direkt nach der allgemeinbildenden Schule. Oft liegen andere Ausbildungen, Berufsphasen oder jahrelange Familienzeiten hinter den Frauen und Männern“, berichtet Petra Blume-Voß, Leiterin des Fachseminars für Familienpflege am Edith-Stein-Kolleg.

Möglich nach Familienphase

„Der Unterricht an unserer Schule geht von etwa 8 bis 13 Uhr. Innerhalb der zwei Jahre absolvieren die Schüler drei mehrwöchige Praktika ihrer Wahl, bei potenziellen späteren Arbeitgebern, wie Kinder-, Behinderten- oder Senioreneinrichtungen, Sozialdiensten oder in Frauenhäusern. Das anschließende Anerkennungsjahr lässt sich statt in Vollzeit auch in Teilzeit absolvieren – dann geht es natürlich über einen längeren Zeitraum“, nennt Petra Blume-Voß die planerischen Freiheiten ihrer Schüler. So ist die Ausbildung in Warendorf wie an einigen anderen Fachseminaren im Prinzip auch mit Familie zu meistern. Sie ließe sich sogar verkürzen – mit entsprechender Vorbildung.

Besonders relevant sind in der Ausbildung folgende Schwerpunkte:

  • Hauswirtschaft: unter anderem hauswirtschaftliche Betriebs- und Organisationslehre, Ernährungslehre, Nahrungszubereitung, Textilverarbeitung und Wäschepflege;

  • Pädagogik und Psychologie: mit Beschäftigungslehre und -anleitung;

  • Säuglings-, Kinder- und Krankenpflege: Hauptbereich der Ausbildung, unter anderem mit häuslicher Krankenpflege und Erster Hilfe;

  • Sozialkunde: rechtliche und politische Rahmenbedingungen des Sozialwesens, wie das Wissen um die Finanzierung sozialer Berufe.

Zu diesen Schwerpunkten gehören neben theoretischem Unterricht auch fachpraktische Unterweisungen, wie das Nähen von Schürzen, Backen von Kuchen oder das Wickeln von Babypuppen.

Landwirtschaft als Bonbon

Beim kommenden Ausbildungsjahrgang taucht auch die Landwirtschaft wieder auf dem Stundenplan auf. Damit können die angehenden Familienpflegerinnen die Zusatzqualifikation „Familienpflegerin in der Landwirtschaft“ erhalten. Dafür sind zusätzliche Theoriestunden in Gartenbau, Tierproduktion und Landwirtschaftlicher Betriebslehre vorgesehen.

Außerdem unternehmen sie Exkursionen auf landwirtschaftliche Betriebe, unter anderem zu verschiedenen Mästern, Milchvieh- und Gartenbaubetrieben – organisiert von der Landwirtschaftskammer NRW.

Ergänzend müssen die Auszubildenden ein Praktikum im landwirtschaftlichen Haushalt bzw. auf einem Betrieb ableisten. „Wir machen das vor dem Hintergrund, dass die Familienpfleger auch für Betriebshilfsdienste arbeiten können – da schadet das Hintergrundwissen nicht“, sagt Lehrerin Petra Blume-Voß.

Gute Berufsaussichten

Während der schulischen Ausbildung erhalten die Schüler keine Ausbildungsvergütung. Es besteht aber die Möglichkeit, Ausbildungsförderung (BAföG) oder Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) zu beantragen. Einige arbeiten auch nebenher für ihren Lebensunterhalt. Im Anerkennungsjahr gibt es dann ein Bruttogehalt von rund 1.300 € pro Monat. „Teilweise besteht auch ein gewisser Verhandlungsspielraum nach oben. Denn die Leute werden gebraucht“, so Petra Blume-Voß.

Das Einstiegsgehalt für den vielfältigen Beruf mit staatlicher Anerkennung liegt bei rund 1.900 €, je nach Träger der Einrichtung.

Petra Blume-Voß empfiehlt ihren Schülern, die Augen offen zu halten: „Man muss nur in die Zeitungen schauen: ,Suche Reisebegleitung und Betreuung für meine Mutter‘ ist nur ein Beispiel dafür, dass auch in Privathaushalten Bedarf besteht. Und in diesem Markt steckt noch viel Wachstum.“ Gee

Hinweis: Dieser Beitrag ist aus der Wochenblatt-Ausgabe 37/2012.