Entwerfen Sie einen Hof!

Diese Aufgabe hatten zwei Architekturstudenten aus Ostwestfalen zu lösen. Landwirtschaft kannten die beiden bis dahin nur vom Hörensagen.

"Entwerfen Sie einen Bauernhof!"

Am Anfang dachte ich, man baut einfach einen Stall für die Kühe. Wenn dann Kälber geboren werden, laufen die darin mit herum. Dass es so viele Abteilungen und Stationen innerhalb der Ställe gibt, war mir nicht bewusst.“ Das sagt der frisch gebackene Architekt Manuel Münsterteicher aus Delbrück-Ostenland über seine Abschlussarbeit an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur.

Der 25-Jährige musste wie seine Kommilitonin Julia Polotzek aus Sande sein Studium mit einem umfassenden Architekturkonzept abschließen. Die überraschende Aufgabe: „Entwerfen Sie einen Bauernhof!“ Gar nicht so leicht, wenn man vorher nichts mit Landwirtschaft zu tun hatte.

Komplexität eines Hofes

Wie kommt es zu so einer Abschlussprüfung? Es war Architekturprofessor Michael Melenhorst, der sich dieses Thema überlegt hatte. Er wollte erreichen, dass seine Studenten über eine Vielzahl von Fragen der heutigen Zeit nachdenken, die im Architekturstudium bislang kaum Eingang finden. Zum Beispiel sagt er: „Das Wohlbefinden von Tier und Mensch spielt eine zentrale Rolle, verhält sich aber nicht unproblematisch zur Frage der Wirtschaftlichkeit.“

Anregungen aus der Architektur

Auch wenn es um die Qualität der Lebensmittelversorgung oder um nachhaltiges Produzieren geht, um den globalen Markt oder Gebäude als Objekte im ländlichen Raum – dann könnte die Architektur wertvolle Anregungen liefern, so Professor Melenhorst.

Die Umsetzbarkeit der Entwürfe war ihm weniger wichtig. „Ich wollte die Studenten zum Träumen anregen, zur visionären Gestaltung eines Bauernhofes mit all seinen wirtschaftlichen Zwängen.“

Die Aufgabe

Professor Michael Melenhorst lehrt an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur. Er stellte seinen Studenten diese Aufgabe:
Entwerfen Sie einen Bauernhof mit Mischwirtschaft (mindestens 100 Milch- und Fleischkühe + Jungvieh, mindestens 200 Schweine mit Zucht, Ackerland, Grasland, Tourismus, eigene Energieversorgung),
nicht unbedingt Bio, aber maximale Lebensqualität für Tier und Mensch, wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich stark regional vernetzt,
zu realisieren in der Stadt, im Dorf, auf dem Land, als Umnutzung oder Neubau,
der die Kultur- und Naturlandschaft bereichert und/oder instandhält,
der folgende Nutzungsräume hat: Ställe, Speicher, Wohnhaus, Räume für Besucher, Räume für Unterricht, Energieversorgungszentrale, mit dem Ziel: CO2-neutral.“

Gesellschaftliche Idealvorstellung

Die Aufgabe ist denkbar komplex (siehe Kasten). Sie kommt der gesellschaftlichen Idealvorstellung von einem Bauernhof wohl recht nahe. Julia und Manuel hatten je vier Monate Zeit für Recherche, Konzeptfindung und Entwurf. Beide entschieden sich dafür, keinen Neubau zu planen, sondern das 54 ha große Gelände um die bestehende Paderborner Kaserne „Barker Barracks“ umzunutzen, aus der die britischen Soldaten in den nächsten Jahren abziehen.

Maße und Vorgaben im Netz gefunden

Was Stall- und Boxengrößen, Auslaufmöglichkeiten, Fütterung oder Tierbesatz angeht, wurden die beiden Studenten beim Verband für ökologischen Landbau „Bioland“ fündig. Im Internet sind genaue Richtlinien mit Zahlen und Fakten angegeben, auf die die beiden ihre Berechnungen stützten. Auf andere Bauern- oder Interessenverbände wurden sie im Netz nicht aufmerksam.

Wirtschaftlichkeit?

Die Konzepte blicken weit über den Tellerrand. So nutzt Manuel in seinem Entwurf Forschungen aus Japan zum „Indoor Farming“. Dabei werden Pflanzen ohne Erde in einer Nährstofflösung angebaut und auf einem Karussell an der Glasfassade entlanggefahren, um Sonnenlicht zu tanken.

Solch experimentelle Techniken sind hierzulande wohl noch Zukunftsmusik. „Und ob unsere Höfe wirtschaftlich sind, wissen wir nicht“, sagt Manuel. Aber das war ja auch nicht die Aufgabe. Eva Piepenbrock