"Den Strukturwandel im Nacken"

Die desaströse Lage auf den Märkten beschäftigt den gesamten Berufsstand. Wie schätzt aber der landwirtschaftliche Nachwuchs die Situation ein? Wir haben uns an der Fachschule Meschede umgehört.



Die Preise für Milch und Fleisch befinden sich auf einem Tiefstand. Hinzu kommen immer neue Auflagen seitens der Politik und ein wachsendes Misstrauen der Verbraucher – eher trübe Aussichten für eine Zukunft in der Landwirtschaft. Doch wie gehen junge Landwirte mit dieser Perspektive um?

Die Studierenden der Fachschule Meschede machen in wenigen Monaten ihren Abschluss. Nach zwei Jahren starten 29 Männer und vier Frauen im Sommer als Agrarbetriebswirte in das Arbeitsleben. Die meisten wollen den elterlichen Betrieb übernehmen. Ein Drittel sucht eine Stelle im vor- und nachgelagerten Bereich.

Berufswunsch bleibt

Liquidität, Rentabilität, Stabilität – die Fachschüler rechnen genau nach, wo die Stärken und Schwächen ihrer Betriebe liegen. Durch die niedrigen Preise ist die wirtschaftliche Situation auf vielen Höfen angespannt. „Die lange Durststrecke zehrt an der Liquidität der Betriebe“, sagt Lukas Busemann, Sauenhalter aus Ense im Kreis Soest. Er merkt, dass die schlechten Preise auf die Stimmung der Klasse schlagen. Eine größere Investition plant unter den Studierenden zurzeit keiner. Resig­nation kommt zwar nicht auf, doch manche Entwicklungen stimmen die Fachschüler nachdenklich.

Sie machen sich Gedanken, wie sie ihren Betrieb trotzdem entwickeln können. Keiner der Fachschüler hat seine Berufspläne aufgrund der Preiskrise geändert. Die jungen Praktiker sehen es als Herausforderung: Sie wollen die Niedrigpreisphase überstehen und auch in Zukunft in der landwirtschaftlichen Branche arbeiten.

Auf Jobsuche
Ein Drittel der Klasse übernimmt zu Hause keinen Betrieb. Sie suchen einen Job im vor- und nachgelagerten Bereich. In den vergangenen Jahren haben die Unternehmen um Absolventen geworben. Dies kehrt sich zurzeit um. Denn die schlechten Erzeugerpreise wirken auch in die landwirtschaftsnahe Branche. „Wochenlang bekommt man keine Antwort, nicht einmal eine Eingangsbestätigung“, sagt Marvin Schneider.

Auf den Betrieben spiegelt sich die aktuelle Situation unterschiedlich wider. Kilian Brinkmann, Milchviehhalter aus Meinerzhagen im Märkischen Kreis, findet nicht, dass die Stimmung auf dem elterlichen Betrieb schlecht ist. „Keiner läuft zu Hause mies gelaunt he­rum“, sagt der 22-Jährige. Er hat sich mit seinen Eltern einen Punkt gesetzt, bis zu dem sie weitermachen wollen. Das gibt ihm ein Stück Planbarkeit für die Zukunft.

Martin Voß aus Lennestadt im Kreis Olpe hingegen findet, dass die schlechten Preise auf die Stimmung schlagen. Er und sein Vater bewirtschaften einen Betrieb mit 120 Kühen. „Wir spüren den Druck unterbewusst. Wir merken, dass die aktuelle Lage die Existenz des Betriebes bedroht“, sagt der Junglandwirt.

Schon kleinere Investitionen müssen gut überlegt sein. Extras, wie die Nachsaat einer gepflegten Wiese, werden in diesem Jahr eingespart, nennt Martin Voß ein Beispiel. Und auch Lukas Busemann sagt: „Wir haben den Strukturwandel im Nacken.“

Bürokratiebremse lösen

Druck spürt der 22-Jährige auch von Politik und Verbrauchern. Die Art der Tierhaltung rückt immer mehr in den Vordergrund. Kilian Brinkmann findet das widersprüchlich. Die Politik habe mit dem Ende der Quote die freie Marktwirtschaft gewählt. „Jetzt können wir nur nach Preisen gehen, nicht nach Verbraucherwünschen, die wir nicht bezahlt bekommen.“ Aber die Forderungen nach mehr Tier- und Umweltschutz bleiben.

Martin Voß beobachtet, dass neue Auflagen oft ohne Diskussion mit den Landwirten umgesetzt werden. Dabei gehen fachliche Aspekte verloren. „Bei vielen Auflagen sehe ich Sinnlosigkeit“, sagt der Milchviehhalter aus dem Sauerland.

Lukas Busemann fehlt politische Sicherheit in der Nutztierhaltung. „Alle sagen, die Tierhaltung muss sich ändern, aber keiner weiß, wohin“, bringt er die Ratlosigkeit vieler Landwirte auf den Punkt. Es fehle der Konsens zwischen Politik und Landwirtschaft. Das erzeuge große Unsicherheit. Der Junglandwirt wünscht sich, dass eine Richtung in der Tierhaltung gefunden wird und nicht bei jedem Regierungswechsel neue Ziele definiert werden.

Neue Einkommensquellen

„Einfach weitermachen wie bisher, das funktioniert meist nicht mehr“, meint Wanja Drees aus Bönen im Kreis Unna. Doch wie reagieren die Fachschüler auf ihren Betrieben auf die aktuelle Situation? „Erweiterung und andere Einnahmequellen“, fasst der Nebenerwerbslandwirt zusammen.

„Eine pauschale Lösung auf die aktuelle Lage gibt es nicht“, meint Lukas Busemann. „Der Kostenführer kann genauso Erfolg haben wie der Betrieb in der Nische“, ist er sich sicher. Viel wichtiger sei, dass der Landwirt professionell arbeite und hinter dem stehe, was er macht. Nur so habe er genügend Durchhaltevermögen, die Durststrecke zu überstehen.

Solidarität ist wichtig

Die Fachschüler sind sich sicher, mit Durchhaltevermögen und Kreativität überstehen sie die aktuelle Talfahrt auf den Märkten. Als wichtige Eigenschaften sehen sie Motivation, Professionalität, Ehrgeiz und Weitsicht.

Sie beobachten, dass durch die aktuelle Lage die Konkurrenz eine größere Rolle spielt. „Wenn es darum geht, aufzugeben oder zu bleiben, schauen viele Landwirte nur auf ihren Hof“, meint Marvin Schneider. Solidarität finden alle wichtig. „Wir sollten die Herausforderungen gemeinsam angehen“, betont Lukas Busemann. Für Kilian Brinkmann ist es wichtig, dass er auch künftig mit Berufskollegen reden kann, ohne dass sie sich gegenseitig angehen. CG/pat

Mehr im aktuellen Wochenblatt 19/2016 auf Seite 86-87.