Fachschulen für Agrarwirtschaft

Corona: Verwaiste Klassenräume

Auch die Fachschulen sind schon drei Wochen vor dem Beginn der Osterferien geschlossen. Lehrer und Fachschüler müssen mit dieser ungewohnten Situation umgehen und verlagern den Unterricht ins Internet. Darin liegen aber auch Chancen für die Zukunft.

Freitag, den 13. März 2020, wird Ulrich Reul, Schulleiter der Fachschule für Agrarwirtschaft in Münster-Wolbeck, nicht so schnell vergessen. Es war der vorerst letzte Schultag am Bildungszentrum. Drei Wochen vor den Osterferien, die nächste Woche beginnen.

Wie an allen Schulen in NRW ruht der Unterricht auch an den Fachschulen aufgrund der Corona-Pandemie vorerst bis zum 20. April. „Die Leere kommt einem so vor wie während der Sommerferien“, sagt der Schulleiter mit Blick auf die verwaisten Klassenräume.

Dort büffeln sonst über 130 Fachschüler in sechs Vollzeitklassen. Der große Unterschied zu den Sommerferien: Die Prüfungen stehen vor der Tür.

Abstriche im Unterricht sind nicht zu vermeiden

Hauptaufgabe für Ulrich Reul und seine Kollegen ist es gerade, die angehenden Agrarbetriebswirte weiterhin auf ihre Abschlussprüfung im Mai vorzubereiten und sie bei der Facharbeit zu betreuen. Die müssen sie Anfang April abgeben. Daher stehen vor allem die Prüfungsfächer wie Tier- und Pflanzenproduktion sowie Unternehmensführung im Fokus.

„Wir ­ müssen Abstriche machen und verlagern den Unterricht weitestgehend in den virtuellen Raum“, sagt Ulrich Reul. Dazu nutzen Studierende und Lehrer die Grüne Lernplattform ILIAS. Die Landwirtschaftskammer NRW stellt ihnen dieses digitale Lernmanagementsystem zur Verfügung. Dort können die Lehrer Aufgaben hochladen und die Fachschüler ihre Lösungen.

Manche Aufgaben müssen sie innerhalb weniger Tage lösen, bei anderen haben sie bis zu den Osterferien und darüber hinaus Zeit. Die Lernplattform bietet die Möglichkeit von Online-Tests mit verschiedenen Aufgabentypen. Dabei erhalten die Studierenden ein individuelles Feedback.

In Wolbeck nutzen sie zusätzlich EduPage, eine Art virtuelles Klassenbuch, in das die Lehrer zum Beispiel Noten eintragen können. Auch vor der Corona-Krise haben Studierende und Lehrer gelegentlich mit ILIAS gearbeitet. Jetzt kommt es aber zu einer deutlichen Vertiefung. Für Ulrich Reul ein Zugewinn, der sich auch nach der Krise im Unterricht bemerkbar machen wird.

Möglicher Schub für das E-Learning

Das sieht auch Renate Jaschke so. Die Leiterin der Fachschule in Meschede nutzt mit ihren Kollegen seit diesem Schuljahr das besagte Lernmanagementsystem verstärkt im Unterricht. „Wir sind daher nicht ganz unvorbereitet“, sagt sie. Für die Schulleiterin wird die Krise generell einen Schub für das E-Learning geben, an deren Ende womöglich Lernvideos und Webinare zu mehr Selbststudium und Flexibilität führen.

Dennoch ist auch für sie das Lernen auf Distanz für Studierende und Lehrer eine Herausforderung. Neben dem digitalen Know-how müssen auch die Lehrer gerade lernen, sich auf anderen Wegen zu vernetzen. So haben die Lehrkräfte der Fachschule Meschede täglich eine Videokonferenz, um sich nicht nur abzustimmen, sondern sich auch gegenseitig die Feinheiten von ILIAS zu zeigen.

Ansprechbar für die Fachschüler bleiben

Doch sowohl in Meschede als auch in Wolbeck haben die Fachschüler die Möglichkeit, sich mit ihren Lehrern abseits der Lernplattform auszutauschen. Die Lehrer bieten zum Beispiel telefonische Sprechstunden an. Dort lassen sich Fragen zu Lernmodulen, Aufgaben und zur Facharbeit klären.

„Wichtig ist, dass sich die Studierenden nicht alleingelassen fühlen und der persönliche Kontakt zu den Lehrern nicht abreißt“, sagt Renate Jaschke. Denn es ist eine gravierende Umstellung ihrer Routine. Der einst gewohnte Tagesablauf fehlt.

„Der eine Fachschüler wird besser damit klarkommen als der andere. Manche kommen zurzeit aber auch nicht vom Trecker“, sagt Ulrich Reul. Das gute Wetter, das ab Mitte März begann, führte zu Arbeitsspitzen auf den Höfen. Daher ist auch ein Maß an Eigeninitiative der Fachschüler gefragt, damit sie die Aufgaben der Schule nicht komplett vernachlässigen.

Zwischen Acker und Schreibtisch – Fachschüler berichten

Markus Ahmann aus Ibbenbüren
Der 23-Jährige steht vor dem Abschluss an der Fachschule in Wolbeck. Pünktlich zum Schulstopp setzte gutes Wetter ein. So hat Markus auf den elterlichen Milchviehbetrieb viel zu tun – egal ob Gülle fahren oder säen. „Zurzeit bin ich vormittags und nachmittags im Einsatz und versuche abends etwas für die Schule zu machen. Sonst war das andersherum“, sagt er. Im Unterricht an der Schule nimmt er die Inhalte aber besser auf. Zu Hause nach der Arbeit fällt ihm das schwer. Der Austausch mit den Lehrern hingegen klappt gut. Per Telefon und E-Mail erreichte er seine Betreuungslehrerin, wenn er Fragen zur Facharbeit hatte. Da konnte ein Telefonat schon mal über eine Stunde dauern. Vor allem die Wochenenden waren für das Schreiben der Facharbeit reserviert. „Fußballspiele und Partys verpasse ich zurzeit sowieso nicht.“

Alexander Köller aus Rüthen
Alexander hat zwei Nebenjobs auf anderen Höfen plus Aufgaben auf dem elterlichen Nebenerwerbsbetrieb. „Zurzeit bestimmt die Arbeit den Alltag. Da passt die Schulauszeit ganz gut“, sagt der 23-Jährige. Er steht vor dem Abschluss an der Fachschule in Meschede. Für sich sucht er noch den Rhythmus zum Lernen – mal ist es nach dem Mittagessen, mal am Abend. Die Betreuung der Lehrer und die digitale Lernplattform ILIAS funktionieren gut. Ihm fehlt aber der persönliche Austausch mit den Lehrern und Mitschülern. „Ich vermisse meine Fahrgemeinschaft.“