Chef auf Zeit sein

Jens Molitors Leidenschaft sind Sauen und Ferkel. Bei seinem dritten Ausbilder André Bruns darf er selbst Verantwortung übernehmen – nicht nur im Abferkelstall, sondern auch für die Biogasanlage.



Es ist 9 Uhr auf dem Betrieb ­Bruns in Sendenhorst-Albersloh – Zeit für das zweite Frühstück. Bei Kaffee und Schnittchen reden Betriebsleiter André Bruns, sein Vater Alfons, der Geselle Jan Schulting sowie die beiden Auszubildenden, Jens Molitor und Markus Avermiddig, über den Arbeitstag. Jens sagt, dass er noch einen zweiten Mann bei den Würfen im Abferkelabteil braucht.

Ohne Widerworte kommt sein Chef André Bruns mit in den Stall und packt mit an. Denn Jens ist als „Chef auf Zeit“ zuständig für den Abferkelstall. Er weiß, welche Arbeiten anliegen und wie viele Personen er dafür braucht. Bei dem Ferkelerzeuger mit 500 Sauen und knapp 100 ha Ackerfläche absolviert der 19-Jährige aus Warendorf-Hoetmar sein drittes Ausbildungsjahr.

Andere Infrarotlampen

Wichtig für seinen Ausbilder André Bruns ist, dass die Auszubildenden früh Verantwortung übernehmen. So wechselt Jens während seines Ausbildungsjahres mehrmals den Bereich, den er verantwortet. Der junge Mann kümmert sich während der ersten drei Monate beispielsweise um das Abferkelabteil. Danach ist er für die Biogasanlage zuständig. Zuletzt wird er für die Ferkelaufzucht im Flatdeckstall geradestehen.

Die Arbeit mit den Schweinen geht Jens leicht von der Hand. Seine Eltern halten zu Hause in Hoetmar 300 Sauen mit Ferkelaufzucht. Seit Kindesbeinen steht er im Stall. Auch in den ersten beiden Lehrjahren hat der Bauernsohn auf Sauenbetrieben gearbeitet.

Jens Molitor
3.Ausbildungsjahr
Alter:
19 Jahre
Elterlicher Betrieb: 300 Sauen mit Ferkelaufzucht; 40 ha Ackerbau
Berufsschule: Paul-Spiegel-Berufskolleg Warendorf
Wohnort: Hoetmar im Kreis Warendorf

Doch etwas war für den angehenden Landwirt neu: die Fütterung. Per Chargenmischer und Kettensystem bekommt jede Sau individuell ihre Ration angemischt. Über Elektroventile gelangt die Mischung in die Tröge. Gesteuert wird die Fütterung unter anderem per Smartphone. Das spart Zeit. Jens kann so viel intensiver die Tiere beobachten und auf mögliche Verletzungen und Erkrankungen kontrollieren.

Auch seinem Ausbilder konnte Jens einen wertvollen Tipp für das Abferkelabteil geben: Er empfahl seinem Chef andere Infrarotlampen. Sie können beim Reinigen in den Buchten bleiben. „Die alten Lampen mussten herausgehängt werden, weil sie sonst durch die Nässe durchgebrannt wären“, erklärt Jens. Das passiert bei den neuen Lichtern nicht mehr.

Betriebsleiter André Bruns schätzt den ständigen Austausch mit seinen Auszubildenden. So ist er offen für Ideen und Anregungen. Der 41-Jährige nimmt gerne Azubis, die schon Erfahrung mit Sauen haben. „In unserem Betrieb ist eben alles auf die Ferkelerzeugung ausgerichtet. Da brauche ich Azubis, die sich schnell einarbeiten können“, sagt der Agraringenieur. Er bildet mit Jens seinen 18. Lehrling aus.

Mit Gedanken vor Ort


Für Jens ist es der erste Betrieb, auf dem er auch wohnt. Zuvor ist er von zu Hause zur Arbeit gependelt. Auf dem Hof Bruns lebt er in einer Wohnung mit seinem Azubi-Kollegen Markus Avermiddig. Jeder hat sein eigenes Zimmer. Küche, Bad und Wohnzimmer teilen sie sich. Die beiden kennen sich schon einige Jahre und verstehen sich. Nach der Arbeit kochen sie, zocken auf der Spielkonsole oder gehen in Albersloh zum Azubi-Stammtisch. André Bruns sieht es gerne, wenn die Lehrlinge auf dem Hof wohnen. „So konzentrieren sie sich auf den Betrieb und sind nicht mit den Gedanken zu Hause im Stall.“

Im Jahr 2010 hat Familie Bruns mit dem Bau einer 250-kW-Biogasanlage ein zweites Standbein für den Betrieb geschaffen. Füttern und Überwachen der Anlage gehören zu Jens zweitem Schwerpunkt. Die Bakterien im Fermenter bekommen Mais-, Grünroggen- und Grassilage sowie Schweinegülle und Rindermist. Bei der genauen Mischung der Rezeptur hat der junge Praktiker einen gewissen Spielraum, den er selbst gestalten kann.

Kontrolle ist wichtiger

Das Beschicken der Anlage macht aber den kleineren Teil der Arbeit aus. Weit wichtiger ist die Kontrolle. „80 % der Arbeitszeit an der Anlage sind Kontrolle, 20 % Füttern“, schätzt der Ausbilder. Beim Managen der Anlage notiert Jens nicht nur die Gasqualität oder den Me­thanwert. Wichtig ist es, die Zahlen aus den Checklisten auch einordnen zu können. Der Auszubildende soll ein Gefühl entwickeln, dass er Abweichungen auch sofort erkennen kann.

„Die Werte können 364 Tage im Jahr in Ordnung sein. Die Kunst ist es, am 365. Tag die Störung in der Biologie des Fermenters zu erkennen“, sagt André Bruns. Nach der Zeit auf dem Betrieb Bruns plant Jens, den staatlich geprüften Agrarbetriebswirt an der Fachschule in Münster-Wolbeck zu machen. Langfristig möchte er den Betrieb seiner Eltern übernehmen und als Ausbilder selbst Verantwortung tragen. pat