In einem der größten Klassenräume des Gregor-Mendel-Berufskolleges in Paderborn sitzen 14 angehende Landwirte und schreiben eifrig mit – jeder an seinem eigenen Tisch mit ausreichend Abstand zum Nachbarn. Lehrer Hans-Friedrich Bräutigam spricht über die Düngeverordnung und Nährstoffbilanz. Doch nicht wie üblich steht er an der Tafel, sondern ist ihnen per Video live zugeschaltet.
Seit Ende April besuchen die landwirtschaftlichen Azubis der Abschlussjahrgänge wieder die Berufsschule. Aber Unterricht wie zurzeit hat es in der 100-jährigen Geschichte des Schulstandortes in Paderborn noch nicht gegeben.
Zurück an die Berufsschule
Gut 80 m entfernt sitzt Hans-Friedrich Bräutigam in seinem Büro am Berufskolleg und spricht in ein Headset. Er ist 62 Jahre und gehört damit in Zeiten von Corona zur Risikogruppe. Er darf nicht gleichzeitig mit den Schülern in einem Klassenraum sein. „Die Schüler verhalten sich sehr diszipliniert. Das hätte ich nicht gedacht“, sagt er. Denn der Lehrer ist nicht so präsent wie sonst am Pult.
Aber die Abschlussprüfung steht an und die Azubis haben seit Mitte März die Schule nicht von innen gesehen. Am 25. Mai schreiben in ganz NRW knapp 500 angehende Landwirte die schriftliche Prüfung. Ab Juni folgen die praktischen Prüfungen.
Am Gregor-Mendel-Berufskolleg betrifft das 50 Azubis im dritten Lehrjahr. Sie sind aufgeteilt in zwei Klassen mit den Schwerpunkten Rind und Schwein. Einmal pro Woche kommen sie für acht Stunden wieder zum Unterricht. Die Lehrer gehen zurzeit ausschließlich auf die prüfungsrelevanten Fächer Pflanzenbau, Tierproduktion und Vermarktung ein. Vorbei ist die Zeit des Schulstopps, in der die Aufgaben nur per E-Mail kamen oder sie Unterricht online hatten.
Überschaubarer Standort in Paderborn
Insgesamt besuchen 125 landwirtschaftliche Azubis das letzte rein agrarwirtschaftliche Berufskolleg in NRW. Hinzukommen angehende Gärtner und Floristen. Mit einer Gesamtschülerzahl von 470 jungen Frauen und Männern ist die Berufsschule überschaubar. Andere Berufskollege haben 2000 bis 3000 Schüler.
Daher können Schulleiter Franz-Josef Meyer und sein Kollegium die Schüler der Abschlussjahrgänge zurzeit gut auf die Klassenräume verteilen und die vorgegebenen Abstandsregeln einhalten. Zahlreiche Plakate weisen die Schüler auf den 1,50 m Mindestabstand hin. Es gibt feste Ein- und Ausgänge sowie Spender mit Desinfektionsmittel an Türen und Treppen.
Auch auf dem Pausenhof halten die Schüler Abstand und unterhalten sich aus sicherer Entfernung. Zur Pause klingelt es nicht mehr. So verlassen die Schüler die Klassenräume nacheinander und halten die Abstandsregeln ein.
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Luca Hellinge hat keine Angst, sich in der Schule anzustecken. „Alle achten auf die Regeln“, sagt der 20-Jährige. Für den Azubi aus Borchen steht die Vorbereitung auf die Prüfung gerade im Fokus. Er hätte sich gewünscht, dass die Landwirtschaftskammer die schriftliche Prüfung ähnlich wie die IHK in den Juni verschoben hätte. So wäre mehr Zeit zum Lernen geblieben.
Seine Mitschülerin Sophia Stöver aus Büren blickt gelassen auf die Prüfung. „Wer die Aufgaben gelöst hat, die uns die Lehrer zugeschickt haben, für den ist die Prüfung machbar“, meint die 19-Jährige. Zu einem späteren Termin hätte sie nur später begonnen zu lernen. Furcht, sich in der Berufsschule mit dem Corona-Virus anzustecken, hat Sophia nicht. „Wir können uns hier gut aus dem Weg gehen“, sagt sie.
Auch Schulleiter Franz-Josef Meyer zeigt sich entspannt. „Unsere Schüler sind alt genug, die Sicherheitsvorschriften einzuhalten“, sagt er. Es sei kein Vergleich zu einer Grundschule oder einer allgemeinbildenden Schule. Schade findet er, dass Partner- und Gruppenarbeit wegen der Abstandsregeln gerade nicht möglich sind. Alle Blicke sind auf den Lehrer gerichtet. „Das erinnert ein bisschen an den Unterricht in China“, sagt er und bezeichnet es als eine pädagogische Rückwärtsrolle.
Onlineunterricht für die Schüler
Seit Ende der Osterferien findet für alle Klassen des Berufskollegs der Unterricht online über ein Videokonferenzprogramm statt. Das hieß für die Lehrer, in den Ferien für alle Schüler Zugänge einzurichten. „Für manche Lehrer war die Herausforderung enorm. Wir hatten keine Erfahrung mit dem Onlineunterricht“, sagt der Schulleiter.
Die Ausbildungsbetriebe sollen die Azubis für den Onlineunterricht genauso von der Arbeit freistellen wie für den Präsenzunterricht. Bei manchen streikt aber die Technik. Bis zu 20 % der Schüler haben vor allem Probleme mit der Verbindung. In einigen Ecken Westfalens ist der Internetempfang einfach zu schlecht. Die Azubis können dann mit Computern der Schule am Unterricht teilnehmen.
Darin sieht auch Franz-Josef Meyer einen Vorteil. Viele Schüler haben lange Anfahrten. Außerdem entwickeln sie so mehr Eigenverantwortung. Profitiert hat auch die Schule. „Was wir in der Corona-Krise über die Digitalisierung gelernt haben, hätte sonst Jahre gedauert“, ist der Schulleiter sich sicher.
Wie es weitergeht, steht noch nicht ganz fest. Als nächstes werden die Mittelstufen, die Azubis im zweiten Lehrjahr, und dann die Unterstufen, Azubis im ersten Lehrjahr, zurückkehren. Jeder Schüler soll bis zum Ende des Schuljahres die Schule wieder besucht haben.
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