Genokolleg

Berufsschule: Klasse per Videokonferenz

Unterricht am Bildschirm statt im Klassenraum: Die Corona-Krise verschafft vielen Schulen einen Digitalisierungsschub. Ein Besuch am Genokolleg in Münster macht das deutlich.

Von der Nordseeküste bis zur Pfalz im Süden kommen Berufsschüler zum Unterricht ans Genokolleg mitten in Münster. Die meisten machen eine Ausbildung bei einer Volksbank oder im Landhandel.

Knapp 200 junge Erwachsene besuchen zeitgleich in zwei- bis dreiwöchigen Unterrichtsblöcken das Berufskolleg des Genossenschaftsverbandes. Viele der angehenden Kaufleute übernachten in dem schuleigenen Gästehaus. Während des Lockdowns waren die Räume verwaist. Der Unterricht ging aber weiter.

Den Unterricht ins Internet verfrachtet

Als Mitte März die Schulen ihre Tore schlossen, stellten Schulleiter Matthias Dieckmann und sein Lehrerteam binnen weniger Tage den Unterricht weitestgehend auf den digitalen Betrieb um.

Dabei war das Genokolleg im Vergleich zu vielen anderen Schulen digital gut gerüstet. Seit 2019 stellen die meisten Betriebe ihren Azubis ein Tablet. Das nutzen sie im Unterricht und zu Hause. Kreidetafeln gehören im Genokolleg der Vergangenheit an. Über einen Beamer werfen Lehrer und Schüler Präsentationen und Mitschriften an die Wand.

„Wir sehen uns als Dienstleister. Daher wollen wir die gleichen Inhalte auch digital präsentieren“, betont Schulleiter Matthias Dieckmann. Per Videokonferenz-Programm unterrichteten die knapp 20 Lehrer digital und orientierten sich weiterhin am Stundenplan.

Hinzu kamen Lernvideos. Selbst für das Fach Sport ­erhielten die Schüler Aufgaben. Die Berufsschüler, die ihre Unterrichtssequenz in Münster gehabt hätten, folgten den Stunden der Lehrer von zu Hause oder aus dem Lehrbetrieb, wenn die heimische Internetverbindung streikte.

Oliver Bensmann aus Recke im Kreis Steinfurt setzte sich an den eigenen Schreibtisch. Der 20-Jährgie ist im ersten Jahr seiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei der Raiffeisen Münsterland in Greven. Gegen 8 Uhr begann gewöhnlich der Unterricht per Videokonferenz.

Auf seinem Computer sah Oliver den Lehrer, parallel nutzte er sein Tablet. Vor dem zweiwöchigen Block hat er schon Material bekommen, um sich auf den Unterricht vorzubereiten. Es herrschte Anwesenheitspflicht. Die Lehrer konnten sehen, ob er online war und testeten auch die Aufmerksamkeit der Schüler.

Während des achtstündigen Schultages gab es immer wieder Phasen, in denen Oliver Aufgaben außerhalb der Konferenz bearbeiten musste. „Manchmal habe ich mich vom Nachbarn auf dem Acker ablenken lassen und aus dem Fenster geschaut“, gesteht er. Im Klassenraum sei er fokussierter. Dennoch war es besser, als das Material nur per E-Mail zu bekommen.

Auf den Lehrer im Onlineunterricht konzentrieren

Simone Böye fand, dass sie sich durch das Onlineangebot besser auf den Lehrer konzentrieren konnte. Mitschüler konnten sie nicht ablenken. Fragen stellte die 25-Jährige, die auf einen Hof in der Nähe von Cuxhaven lebt, mündlich oder per Chat. „Manchmal musste ich etwas auf die Antwort warten“, sagt sie.

Denn auch für die Lehrer war es neu. Klaus Feils unterricht Warenkunde – das Fach, das den kaufmännischen Azubis die landwirtschaftliche Praxis näherbringt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten präsentierte er von zu Hause den Schülern seinen Unterricht. Dabei wollte er nicht nur langatmig drei Stunden eine Präsentation per Powerpoint abspulen.

Er schickte die Schüler in ihre direkte Nachbarschaft. Sie sollten eine Kultur vom Feld per Video und ­Foto näher vorstellen. Oliver Bensmann wählte den Spargel für das Halbjahresprojekt. Andere konzentrierten sich auf Erdbeeren, Weizen oder Wein.

So kamen sie ins Gespräch mit den Landwirten, ihren späteren Kunden. „Durch den digitalen Unterricht wurden die Schüler aktiv vor der eigenen Haustür“, sagt Schulleiter Matthias Dieckmann.

Auch in seinem Unterricht zeigten die Schüler per Video, wie sie im Raiffeisenmarkt die Produkte präsentieren und machten Vorschläge zur Verbesserung. „Wichtig ist, den Computer nicht nur als Schreibmaschine zu begreifen“, sagt Klaus Feils. Ihm fehlte aber der direkte Austausch mit den Schülern. Das kann kein digitales Angebot ersetzen.

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