Laura Stegemann verbindet mit der Adventszeit besonders schöne, aber auch besonders arbeitsreiche Momente. Zu Hause auf dem Betrieb in Steinfurt-Borghorst ist dann Hochsaison. Denn die Stegemanns verkaufen eigene Weihnachtsbäume direkt an den Kunden.
Sobald die 22-Jährige vom Agribusiness-Studium an der Hochschule Osnabrück nach Hause kommt, schlüpft sie in ihre pinken Stiefel und packt mit an. Sie berät Kunden in der Schonung, netzt gefällte Bäume ein und greift auch selbst zur Säge. Vor allem an den letzten beiden Adventssonntagen herrscht meist reges Treiben auf dem Hof Stegemann, der seit über 500 Jahren im Familienbesitz ist.
In diesem Jahr ist aber alles etwas anders: Denn Laura repräsentiert als Weihnachtsbaumkönigin für zwei Jahre die deutsche Zunftder Weihnachtsbaumanbauer. Das beutetet vor allem in der Vorweihnachtszeit noch mehr Trubel als sonst für die Studentin.
Umgang mit Weihnachtsbäumen
Wer mit Laura durch die Schonung geht, erfährt, dass sie manche neue Triebe mit den Fingern abschnippt und die Spitzen mit der Top-Stoppzange reguliert. Denn nicht nur zur Vorweihnachtszeit kümmert sich Familie Stegemann um Nordmanntannen und Blaufichten. Im Frühjahr pflanzen sie neue Bäume.
Über das Jahr werden die Nadelbäume „frisiert“, wie Laura den Formschnitt nennt. So entwickeln sie die gewünschte Pyramidenform für das Fest. Schnell merkt der Laie, die 22-Jährige hat Ahnung, wenn es um den Anbau und die Pflege geht.
Seit über 80 Jahren baut ihre Familie Weihnachtsbäume an. Es ist ein zusätzliches Standbein für die Stegemanns, die auf knapp 2500 Plätzen Schweine mästen und Legehennen halten. „Wir vertreiben alle Bäume in der Direktvermarktung“, sagt ihr Vater Hermann Josef Stegemann. Knapp 4000 Bäume stehen in den Schonungen. Längst haben Nordmann- und Nobilistannen den stacheligen Blaufichten den Rang abgelaufen.
Als Kind verkaufte Laura Waffeln an die Weihnachtsbaumkunden, mittlerweile gehört mehr und mehr der Verkauf der Bäume zu ihren Aufgaben. Die Direktvermarktung macht ihr viel Spaß. Sie kann sich vorstellen, sie später auszubauen, wenn sie irgendwann den Hof übernommen hat. Neben dem Verkauf der Weihnachtsbäume betreibt die Familie schon jetzt ganzjährig einen Hofladen.
Weihnachtsbaumkönigin wird vom Nadeljournal gekürt
Lauras Leidenschaft für den Weihnachtsbaum überzeugte die Jury des „Nadel Journals“, einer Fachzeitschrift für Weihnachtsbaumanbauer und Schnittgrünerzeuger. Sie kürten sie zur fünften deutschen Weihnachtsbaumkönigin. Nun darf sie zwei Jahre „regieren“. „Mehr aus Jux hatte ich mich auf die Ausschreibung beworben“, gesteht sie und rechnete sich keine große Chance aus. Ein Motivationsschreiben samt Fotos vom Einsatz auf dem Hof schickte sie der Redaktion.
Ihr Vater war zufällig am Apparat, als Mitte des Jahres der Erste Vorsitzende des Verbandes für Weihnachtsbaumerzeuger anrief und die frohe Botschaft übermittelte. „Ich war angenehm überrascht“, untertreibt er. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht über den Hof und schon war die frisch gebackene Majestät von Eltern, Großeltern und jüngerem Bruder umringt.
Anfang September wurde sie auf der Internationalen Weihnachtsbaumbörse in Eslohe-Reiste im Sauerland gekrönt. Sie erhielt von ihrer Vorgängerin feierlich das Zepter mit dem hölzernen Weihnachtsbaum als Spitze.
Ihr Kleid durfte Laura selbst aussuchen. Es schimmert bläulich und glitzert. „Es steht für Weihnachten“, sagt sie. Das meint auch ihre Großmutter Maria Stegemann. Als Laura das erste Mal in voller Pracht die Treppe herunterkam, konnte ihre Oma sich die Tränen kaum verkneifen.
Die bläuliche Farbe bietet aber auch einen praktischen Vorteil. „Etwas Erde am Kleid fällt nicht sofort auf“, sagt Laura. So ging sie bei der Eröffnung der diesjährigen Weihnachtsbaumsaison im Kleid in die Knie und fällte den ersten Baum des Jahres.
Viele Termine als Königin sind draußen, ob auf Märkten, Höfen oder direkt in einer Schonung. Daher gehört eine wärmende Stola zu ihren ständigen Begleitern. Außerdem dicke Unterwäsche und festes Schuhwerk.
Ganz anders als im Vorjahr. Da war sie Schützenkönigin und deutlich luftiger gekleidet. Aber auch als Weihnachtsbaumkönigin gehört das Präsentieren dazu. „Ein wenig als Prinzessin fühlt man sich schon. Das muss einem liegen“, sagt sie.
In erster Linie begreift sie sich aber als Botschafterin der Branche und muss auf viele Fragen eine Antwort haben. Kinder wollen wissen, ob sie das Christkind und die Eiskönigin kennt, und möchten das hölzerne Zepter halten. Erwachsene lassen sich bei der Wahl und der Pflege des Baumes beraten. Laura setzt sich dabei für den natürlichen Weihnachtsbaum ein. „Es muss nicht immer der perfekte Baum sein. Er kann auch mal zwei Spitzen haben“, sagt sie.
Gut gefüllter Kalender in der Vorweihnachtszeit
Im November und Dezember war ihr Terminkalender gut gefüllt. „Es ist manchmal stressig, das alles zu koordinieren“, sagt sie und scherzt, dass sie eine Sekretärin gebrauchen könnte. Von Montag bis Donnerstag findet man sie in den Hörsälen und der Bibliothek auf dem Campus in Osnabrück-Haste, an den Wochenenden und gelegentlich auch während der Woche ist sie als Königin unterwegs.
In diesem Jahr waren die meisten Termine in NRW. So hat sie auf dem Weihnachtsmarkt in Dortmund den größten Weihnachtsbaum angeknipst und durfte der Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser den Baum ins Ministerium bringen. Für nächstes Jahr hat sie schon Termine im Süden der Republik. Hinzu kamen zahlreiche Pressetermine. So war Laura im WDR zu sehen und bei 1LIVE zu hören.
Ernst wird sie bei der Frage, ob der Plastikbaum eine nachhaltige Alternative zum Fest sei. „Er ist nicht nachhaltiger. Meist wird er umweltbelastend in China produziert. Für jeden gefällten Baum wird hingegen ein neuer gepflanzt. Dementsprechend bindet er wieder CO2“, verdeutlicht sie.
Über die Feiertage wird es ruhiger auf dem Hof und auch für Laura. Am 24. Dezember werden die letzten Bäume verkauft und die Familie versammelt sich am Abend um den eigenen Christbaum. Im Januar legt sich für Laura vorerst auch der royale Trubel. Dann muss die Agrarstudentin sich um etwas anderes kümmern: Anfang Februar stehen Klausuren an. Die muss auch eine Majestät schreiben.