Algorithmus für den Acker

Diagnose und Behandlungsmethode per App: Die Bilderkennungssoftware „Plantix“ bestimmt Pflanzenschädlinge und schlägt Gegenmaßnahmen vor. Je mehr Nutzer mitmachen, umso schlauer wird sie.

Wenn Bauern in Gambia es als Erfolg betrachten, Ameisenplagen auf ihren Salatfeldern mit Batteriesäure zu bekämpfen, wird schnell deutlich, dass dort große Wissenslücken vorherrschen. Und diese Szene ist nur eine von vielen, die die Erfinder des digitalen Pflanzendoktors auf ihre Idee gebracht haben. „Die Batteriesäure hat zwar funktioniert und die Salaternte war gerettet – was das aber langfristig für die Bauern und ihre Umwelt bedeutet, kann sich wohl jeder vorstellen“, erzählt Pierre Munzel als einer der Entwickler der App „Plantix“.

Hinter der App steckt eine Software, die Fotos von Pflanzen oder einzelnen Blättern analysiert und anschließend die Ursache für die Erkrankung benennt. Ziel ist es, weltweit für mehr ökologisches Wissen im Bereich der Pflanzenkrankheiten zu sorgen.

Sechsstelliger Umsatz

Hinter „Plantix“ stecken neben Pierre noch sechs weitere Freunde und Studienkollegen aus Niedersachsen, die sich vor rund zwei Jahren entschieden haben, alles auf eine Karte zu setzen: Gemeinsam haben sie Anfang 2015 in Hannover begonnen, an der Idee zu arbeiten. Nur rund ein halbes Jahr später ging das Exist-Gründerstipendium, ein Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie an das Team aus Geografen, Biologen und Ernährungswissenschaftlern. „Wir haben 125 000 € bekommen, die wir innerhalb eines Jahres abrufen konnten“, so Pierre. Ende 2015 haben sie das Start-up „Peat“ gegründet.

Vor dem Gewinn des Preises haben die Freunde ihre Ersparnisse oder schmalen Einkommen aus Studentenjobs in die Weiterentwicklung der App gesteckt. Mittlerweile sieht das anders aus. „Wir haben keine Nebenjobs mehr. Wir arbeiten alle Vollzeit im Unternehmen und planen, unser Team auf Dauer weiter zu vergrößern“, so der Mitgründer. Die Nachhaltigkeit und der ökologische Grundgedanke stehen zwar immer noch im Mittelpunkt. Aber die jungen Unternehmer haben eine GmbH gegründet, die Gewinn erzielen soll. „Wir wollen nicht auf alle Zeit von Dritten oder Spendengeldern abhängig sein“, sagt Pierre. 2017 wird das Unternehmen einen sechsstelligen Umsatz erzielen.

Kostenlose App

Zu diesem Ergebnis haben jedoch nicht die Nutzungsgebühren für die App beigetragen – denn sie ist kostenlos erhältlich. „Der Verkauf der Lizenzen für die Nutzung der Bilderkennungssoftware ist unsere Einnahmequelle“, macht Pierre deutlich. Neben Technikunternehmen aus der Agrarbranche haben auch Versicherungen Interesse an der Software: „Die GPS-Koordinaten der hochgeladenen Aufnahmen sollen auf lange Sicht helfen, mögliche Ernteausfälle vorherzusehen und Schädlingsprognosen abzugeben.“

Ein weiterer Weg zu schnellem Geld wäre sicherlich gewesen, auf Produkte von Chemiekonzernen zu verweisen. Doch bisher verzichten die Unternehmer darauf. Die App liefert zwar Vorschläge für Behandlungsmöglichkeiten, bietet dabei jedoch chemische Wirkstoffe als Ergebnis an. „Wir könnten direkt auf Produkte verweisen, wollen unsere Unabhängigkeit aber nicht einschränken“, erklärt der Unternehmer. Ob das dauerhaft so bleibt, lässt er offen.

Nachdem ein Nutzer die App he­runtergeladen hat, muss er nur noch ein Foto vom erkrankten Teil der Pflanze machen und es hochladen. Mithilfe einer Bilderkennungssoftware und selbstlernender Algorithmen kann die App binnen weniger Sekunden die Krankheit erkennen. Der Nutzer erhält eine Beschreibung der Krankheit und einen Behandlungstipp für seine Pflanzen. „Wir wollen zu jeder Krankheit auch präventive Maßnahmen und eine biologische Alternative zum Einsatz von chemischen Wirkstoffen liefern“, so ­Pierres Blick in die Zukunft.

Millioneninvestor

Doch die Gründer sind noch nicht am Ziel angekommen: „Wir wollen den Einsatz von Pestiziden und Fungiziden reduzieren und eine Technik für punktuelle Pflanzenbehandlung auf dem Acker entwickeln. Ein Rundumschlag auf dem Acker soll nicht mehr nötig sein“, so der Traum. Erst vor wenigen Wochen hat ein branchenferner Investor einen siebenstelligen Betrag in das Unternehmen investiert. Mit diesem Geld soll die Internationalisierung weiter vorangetrieben werden – Indien ist schon dabei, demnächst startet die App auch in Brasilien. CS

Den ausführlichen Beitrag lesen Sie in Wochenblatt-Folge 29/2017 auf den Seiten 94 und 95.