Fleisch besteht zu einem Großteil aus tierischem Muskelgewebe. Es kann auch außerhalb des Körpers eines Tieres in einer Zellkultur wachsen. Komplett ohne tierische Zutaten kommt aber auch das Fleisch aus dem Labor nicht aus. Denn wer außerhalb eines lebenden Organismus Gewebe züchten möchte, braucht dafür Stammzellen.
Tierische Zutaten notwendig
Um In-vitro-Fleisch herzustellen, sind daher tierische Zellen als Ausgangsmaterial notwendig. Diese werden dem Muskelgewebe lebender oder bereits geschlachteter Tiere entnommen. Die Muskelstammzellen sind in der Lage, neue Muskelzellen zu bilden – also neues Gewebe zu produzieren. Wenige Stammzellen reichen für die Produktion von verhältnismäßig viel künstlichem Fleisch.
Damit die Stammzellen auch außerhalb eines Organismus neues Gewebe produzieren können, braucht es einen Bioreaktor, eine Art „Brutkasten“ für Fleisch: Er sorgt dafür, dass stets eine stabile Wohlfühlumgebung für die Stammzellen herrscht. So können Sauerstoffzufuhr, Temperatur oder auch der pH-Wert genau gesteuert werden.
Aus dem Herzen ungeborener Kälber
Zudem brauchen die Stammzellen Nahrung. Dazu werden sie in kleinen Schalen – den Petrischalen – direkt in einer Nährlösung kultiviert. Die Nährlösung enthält alles, was die Zellen zum Wachsen brauchen: Zucker, Fette, Proteine. Aber auch hier braucht es wieder tierische Zutaten, denn der wichtigste Bestandteil der Nährlösung ist das sogenannte fetale Kälberserum. Es wird aus dem Herzen ungeborener Kälber gewonnen. Dafür muss eine trächtige Kuh geschlachtet und der noch lebende Fötus aus ihr herausgeschnitten werden. Dem Fötus wird wiederum Blut aus dem noch schlagenden Herzen entnommen. Muttertier und Fötus sterben bei der Entnahme.
So richtig nach „Clean Meat“, also nach sauberem Fleisch, klingt das nicht. Unternehmen forschen daher mit Hochdruck an pflanzlichen Alternativen. Vielversprechend sind dabei Pilzextrakte und Nährmedien auf Algenbasis. Mosa Meat, ein wichtiger Hersteller von Laborfleisch, hat 2020 verkündet, dass er fetales Kälberserum aus seinen Nährmedien entfernt habe und sie jetzt tierfrei seien.
Zellen wachsen im Bioreaktor
In ihrer Nährlösung im Bioreaktor durchlaufen die Zellen verschiedene Stadien. Zuerst bilden sich Stammzellen zu einkernigen Muskelzellen (Myoblasten) und vermehren sich zu mehrkernigen Muskelzellen, den Myotuben. Mehrere Myotuben bilden eine Muskelfaser.
Über ein Trägergerüst wachsen die Zellen zu einer Masse zusammen, die der von Hackfleisch ähnelt. Um dem Geschmack von tierischem Fleisch nahezukommen, werden dem farblosen Gewebe noch Fettzellen zugefügt. Wenn die Mischung zwischen Fett- und Muskelzellen stimmt, ist das Laborfleisch geschmacklich nicht von „echtem“ Fleisch zu unterscheiden. Auch die künstlich gezüchteten Zellen sind von denen eines Tieres nicht zu unterscheiden.
Bislang wurden vor allem Burgerpattys – also Hackfleisch – im Labor gezüchtet. Und das hat einen Grund. Da Zellen in einer Zellkultur nur etwa 0,5 mm dick werden, ist es einfacher, verarbeitete Fleischprodukte wie Nuggets oder Burgerpattys zu erzeugen als etwa ein Steak. Die einzelnen im Labor gewachsenen Gewebestücke werden zu einem Hackfleisch- oder Nuggetklumpen zusammengepresst.
Wie heißt das neue „Fleisch“?
Das künstlich erzeugte Fleisch ist noch so neu, dass sich bislang kein feststehender Begriff eingebürgert hat. Hier einige Bezeichnungen, bei deren Verwendung Unterschiedliches mitschwingt:
Laborfleisch,
In-vitro-Fleisch (von lateinisch „in vitro“ für: im Glas; gemeint ist die Laboreinrichtung),
Künstliches Fleisch,
Kunstfleisch,
Zellbasiertes Fleisch,
Kulturfleisch,
Kultiviertes Fleisch,
Schlachtfreies Fleisch,
Clean Meat (englisch für: sauberes Fleisch).
Diesen zuletzt genannten Begriff hält die Verbraucherzentrale für irreführend, da er eine „saubere“, tierleidfreie Fleischerzeugung unterstellt. Die Verbraucherzentrale weist grundsätzlich darauf hin, dass vor der Markteinführung geklärt werden muss, ob es im rechtlichen Sinn überhaupt als „Fleisch“ gekennzeichnet werden darf.
Steak aus dem 3-D-Drucker?
Bei Steak sieht das anders aus. Hier muss ein dreidimensionaler Muskel entlang eines Trägergerüstes im Labor wachsen. Bei zunehmender Größe wird die Versorgung mit Nährlösung schwieriger. Derzeit wird hier mit dem Einsatz von 3-D-Druckern experimentiert.
Rund 80 Start-ups tüfteln derzeit an der Marktreife von Laborfleisch. In Israel und Singapur bieten gar erste ausgewählte Restaurants Laborfleisch an. In Deutschland ist Laborfleisch dagegen nicht zum Verzehr zugelassen.
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