Judy Bailey und Patrick Depuhl im Interview

Zwei Musiker, ein Dorf

Sie stammt aus Barbados, er ist in Dallas und Krefeld aufgewachsen: Mittlerweile leben die Musiker Judy Bailey und Patrick Depuhl in Alpen am Niederrhein. Ein Gespräch übers Ankommen und „Alpenmusik“.

Warum haben Sie sich den 4000-Einwohner-Ort Menzelen, wie Veen ein Ortsteil von Alpen, zum Leben ausgesucht?
Bailey: Menzelen hat sich uns ausgesucht. Wir wohnten in Essen in einer kleinen Wohnung, hatten gerade unseren ersten Sohn bekommen und suchten mehr Platz. Dann haben wir dieses Haus gefunden. Es passt perfekt zu uns, weil es zwei Gebäude hat, eines zum Wohnen und eines zum Musik machen.

Gemeinsam unterwegs
Judy Bailey, 1968 in London geboren, ist Sängerin und Komponistin. Sie wuchs in Barbados auf, schloss in London ein Psychologie-Studium ab und feierte ihre ersten Erfolge mit modernen Gospels. Heute ist sie mit ihrer Band Stammgast bei Kirchentagen. Beim Weltjugendtag in Rio sang sie vor 3 Mio. Menschen, darun­ter Papst Franziskus. Gemeinsam mit ihrem Mann ­Patrick Depuhl und drei Söhnen lebt sie in Menzelen, einem Ortsteil von Alpen im Kreis Wesel.
Patrick Depuhl, Jahrgang 1970, ging in Duisburg und Dallas in den Kindergarten und wuchs in einem von seinen Eltern gegründeten Jugendcamp in Krefeld auf. In Chicago und Essen hat er unter anderem Theologie studiert. Seit 25 Jahren ist er Mitglied der Judy-Bailey-Band. Immer wieder ist er als evangelische Stimme bei „Kirche im WDR“ zu hören.

„Ankommen und Mitmachen im Dorf“, heißt einer der Workshops bei den Veener Dorfgesprächen. Wie sind Sie angekommen?

Depuhl: Wir haben erst gesagt, wir machen unser Ding. Über Kindergarten, Schule, Nachbarschaft und schließlich die Flüchtlingshilfe sind wir aber immer tiefer eingetaucht ins Dorfleben. Wenn man bereit ist, anderen entgegenzukommen, dann kommen sie einem auch entgegen. Man muss bereit sein, mal ein Schwätzchen zu halten und auch bei Events vorbeizugehen, sei es der Markt oder das Schützenfest.

Bailey: Vielleicht sind wir richtig angekommen, als wir unsere Gaben zur Verfügung gestellt haben, uns also mit dem, was wir können, eingebracht haben.

Sie sind als Musiker viel unterwegs. Was bedeutet dann ein Ort wie Menzelen, ist das Heimat?

Bailey: Heimat ist für mich mehr Barbados. Aber wenn wir von der A 57 runterfahren, dann fühle ich mich zu Hause. Zuhause ist ein Ort, wo man um Hilfe bitten kann und sie bekommt.

Im Jahr 2018 haben Sie das Projekt „Home. Alpen­musik“ angestoßen. Was verbirgt sich dahinter?
Depuhl: Die Idee ist mit sieben Vereinen entstanden. Wir wollten mit Musik Menschen zusammenbringen. Zum ersten Workshop sind 253 Menschen zwischen 7 und 84 Jahren gekommen. Alle sind hier zu Hause, aber sie kommen aus 14 Nationen. Judy hat sechs Lieder für uns geschrieben. Wir haben eine CD aufgenommen und zwei große Konzerte bei Lemken im Agroforum gegeben.

Bailey: Davon ist etwas geblieben im Dorf, die Leute sprechen uns immer wieder an. Anstatt über Leute zu reden, redet man jetzt miteinander. Und dazu gab es noch einen NRW-Heimatpreis.

In Ihrem Buch „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“ thematisieren Sie die Suche nach Ihren Wurzeln und beschäftigen sich mit Rassismus. Erleben Sie den im Alltag?
Bailey: Ja, Rassismus ist Teil des Alltags. Im Dorf, wo man uns kennt, fühle ich mich mehr dazugehörig. Aber es ist leider immer noch keine Ausnahme, aufgrund von Oberflächlichkeiten wie dem Aussehen anders, auch ungleich behandelt zu werden.

Depuhl: Manche Men­schen meinen es gar nicht böse, aber durch ihr Verhalten „befremden“ sie andere immer wieder. Manche fangen an, mit unseren Kindern ganz langsam zu reden. Auf der einen Seite muss man versuchen ein dickes Fell zu haben, aber man braucht auch Menschen, mit denen man darüber spricht.

Bei den Veener Dorfgesprächen geht es auch um Landwirtschaft im Dorf. Wie viel verstehen Sie davon?
Depuhl: Mein Vater hat einen Hof geerbt, daraus dann aber ein Jugendcamp gemacht. Ich bin hier mal zu einer Geburt im Kuhstall mitgegangen und das Kalb hieß dann „Mister Patrick“.

Bailey: Meine Mutter hat immer mit ihrem großen Garten gekämpft und hatte Tiere, mal 70 Schafe, ein bis zwei Kühe oder 100 Kaninchen. Ich fühle mich diesem Leben nahe, auch wenn ich es nicht lebe.

Veener Dorfgespräche
Judy Bailey und Patrick Depuhl sitzen auf dem Podium, wenn am Samstag, 6. November, die Veener Dorfgespräche mit einer Talkrunde zu Ende gehen. Bereits zum dritten Mal organisiert ein Team von Ehrenamtlichen das „Niederrheinische Symposium für dörfliches Leben“, dieses Mal mit Unterstützung aus dem LEADER-Programm. Angesprochen sind die „Macherinnen und Macher“ aus den Dörfern am Niederrhein, aber auch Engagierte aus anderen Regionen. Los geht’s um 12 Uhr mit Workshops in der Grundschule. Themen sind unter anderem „Landwirtschaft im Dorf heute“ und „Ankommen und Mitmachen im Dorf“. Per Livestream im Internet übertragen werden ab 16.15 Uhr die Präsentation der Ergebnisse und die Talkrunde, an der auch WDR-Moderatorin Steffi Neu und Schauspielerin ­Katharina Kock teilnehmen.
www.dorfgespraeche.org