Ermutigen statt loben

Zu viel Lob kann Kindern schaden

Kinder übermäßig zu loben, kann deren Selbstwertgefühl mehr schaden als nutzen. Pädagogin Andrea Baumann erläutert, warum sie Ermutigungen sinnvoller findet.

Ein Kind kann man nie zu viel loben, sind viele Eltern und Großeltern überzeugt. Sie klatschen begeistert in die Hände, wenn der kleine Ben mal wieder die Rutsche alleine heruntergerutscht ist oder die achtjährige Mathilda sich ganz ohne Hilfe pünktlich für die Schule angezogen hat. Dabei sehen Fachleute übermäßiges Loben für jede Kleinigkeit durchaus kritisch. Zu ihnen gehört auch Pädagogin Andrea Baumann aus Lüdinghausen im Kreis Coesfeld.

Falsche Wahrnehmung

„Wenn Eltern ein Kind für jedes Fitzelchen loben, bekommt es eine falsche Selbstwahrnehmung. Außerdem verliert das Lob damit an Wert“, nennt sie zwei der Gründe. Doch viel wichtiger: Wenn Lob in der Familie eine große Rolle spielt, lernen Kinder, dass sie vor allem dann etwas Wert sind, wenn sie etwas Tolles leisten. Fällt das Ergebnis einmal nicht so gut aus, nagt das am Selbstwertgefühl. Gerade wenn bei Geschwistern Leistungen in Schule und Sport sehr unterschiedlich ausfallen, sorgt das für Frust. Statt ständig zu loben, rät die Expertin Eltern daher dazu, den Nachwuchs häufiger zu ermutigen. Doch was ist der Unterschied? Andrea Baumann erläutert es so: „Ein Lob ist ergebnisorientiert. Kinder werden dadurch schnell auf ihre Leistung reduziert. Eine Ermutigung hingegen ist prozessorientiert.“ Klingt kompliziert, ist jedoch in der Praxis ganz einfach.

Auf Lernprozess schauen

Beim 1000-m-Lauf in der Schule könnte eine Ermutigung beispielsweise lauten: „Das war wirklich toll, wie du vom Startblock losgesprintet bist.“ Das Ergebnis ist zweitrangig. Ein anderes Beispiel: Beim Vokabeltest hat die Tochter nur eine Vier bekommen. Statt das Ergebnis zu kritisieren, können Eltern ihr Augenmerk auf den Lernprozess lenken: „Ich finde es klasse, wie fleißig du Vokabeln gelernt hast. Beim nächsten Mal klappt es bestimmt auch mit einer besseren Note.“ So erkennen die Eltern den Einsatz des Kindes an und motivieren es, weiter am Ball zu bleiben.

Kind nicht „veräppeln“

Um eins klarzustellen: Gegen ein beiläufiges „Gut macht!“ ist nichts einzuwenden. Zum Beispiel dann, wenn die dreijährige Tochter wie abgesprochen mit ihrem Laufrad an der Bordsteinkante gehalten hat. Beim Kind bleibt so hängen: Mama und Papa nehmen wahr, was ich mache. Und natürlich können Eltern und Großeltern auch hin und wieder begeistert rufen: „Das hast du super gemacht!“. Wichtig ist, dass Kinder so ein großes Lob nicht für Dinge hören, die für sie selbstverständlich sind. Sonst fühlen sie sich „veräppelt“, ist Andrea Baumann überzeugt. Und ernst genommen zu werden, Einfluss nehmen zu können, das Gefühl zu haben, dazuzugehören und Anerkennung zu finden, sind wichtige Voraussetzungen für ein gesundes Selbstvertrauen.