Mein Auto ist auf der kleinen Rasenfläche neben der Einfahrt zum Hof Menker noch nicht ganz zum Stehen gekommen, da höre ich die beiden Jungs durchs offene Fahrerfenster schon rufen: „Willst du Salat kaufen?! Oder vielleicht Eier?“
Mit leuchtenden Augen kommen Johannes (8) und Anton (7) vom Gemüsefeld rüber zum Wagen gelaufen. Natürlich werde ich vor der Rückfahrt noch bei den engagierten Jungbauern einkaufen. Die Salate sehen wirklich gut aus. Aber erst einmal möchte ich erfahren, wie es dazu kam, dass die beiden Jungs auf dem Milchviehbetrieb der Familie in Gescher im Kreis Borken quasi ihre eigenen kleinen Betriebszweige aufgebaut haben. Das Verkaufsgespräch muss also erst mal warten. Ich steige aus und geselle mich zu den Eltern Tobias und Eva-Maria Menker, die es sich 3 m entfernt auf Bänken aus alten Baumstämmen gemütlich gemacht haben.
1500 m2 voller Gemüse
Von der Sitzecke aus fällt mein Blick auf das stolze 1500 m² große Gemüsefeld auf der anderen Seite des Weges. „Johannes Gemüsegarten zum Selber Ernten“ ist in großen weißen Buchstaben auf zwei Schildern aus Holzpaletten zu lesen. Auf der Rückseite befinden sich ein kleiner Tisch, eine Preisliste, eine Kasse und ein Messer. Durch ein Holztor gelangen die Kunden zu den Gemüsereihen. Neben einigen liegen Netze parat, die die Familie abends zum Schutz gegen Schädlinge über die jungen Pflanzen zieht. Damit die Rehe das Feld nicht verwüsten, umfasst ein Wildzaun das Gelände.
Antons Hühner sind von hier nicht zu sehen. Sie scharren gerade im Schatten der Bäume neben dem alten Hühnerstall, der sich weiter hinten auf dem Hof befindet. Dafür steht neben der Sitzecke „Antons Eierkiste“, an der sich die Kunden bedienen können. Doch die Nachfrage ist groß. Oft sind die Eier bereits am Nachmittag ausverkauft.
Es musste sich etwas ändern
Angefangen hat alles Ende vergangenen Jahres während des Lockdowns, berichten Tobias und Eva-Maria Menker. Die Kinder konnten weder zur Schule noch zum Fußballtraining gehen oder sich regelmäßig mit ihren Freunden treffen. „Für unsere Tochter Pia-Sophie war ihr Shetland-Pony der Zugpunkt nach draußen“, erinnert sich Mutter Eva-Maria.
Johannes und Anton hingegen waren kaum zu motivieren rauszugehen. „Sie wollten nur an die Elektronik: Fernseher, Tablett, Computer. Außerdem haben sich die beiden ständig gestritten“, erzählt die 38-Jährige. Sie und ihr Mann waren sich einig: Es musste sich etwas ändern. Also schlugen sie ihren Söhnen vor, sich eigene Projekte zu suchen, die sie auf dem Hof der Familie umsetzen konnten.
600 Salatköpfe alle zwei Wochen
Johannes hatte sich in den vergangenen Wochen über YouTube immer mal wieder Reportagen über einen Gemüsebauern im NDR angeschaut. Für ihn stand fest: Er möchte auch Gemüsebauer werden. Was ihm daran am besten gefällt? „Das Harken“, sagt der Achtjährige.
Emsig schmiedete die Familie Pläne. Vater Tobias trennte ein Stück seines Ackers ab und baute Schilder. Zunächst versuchten Menkers die Pflänzchen selbst vorzuziehen. Doch nicht alle Samen gingen an. „Da kam schnell Frust auf“, erinnert sich Eva-Maria Menker.
Über das Internet fanden sie einen Großhändler, der vorgezogene Gemüsepflanzen anbot. „Er war von unserem Projekt so begeistert, dass er sich darauf einließ, einzelne Kisten an uns abzugeben“, freut sich Tobias Menker.
Die ersten 450 Salatköpfe kamen Mitte April aufs Feld. Alle zwei Wochen setzen Menkers 600 neue Pflanzen, sodass immer Köpfe erntereif sind. „1,50 € kostet ein Kopf“, erzählt Johannes. Zu seiner Freude nehmen viele Kunden gleich mehrere Köpfe mit. Derzeit wachsen unter anderem auch schon Kohlrabi, Rotkohl, Kürbisse und Wirsing auf dem Feld heran.
Herz schlägt für Hühner
Der siebenjährige Anton liebt es zwar, seinem Bruder Johannes beim Verkauf der Salate zu helfen, sein Herz schlägt jedoch für die Hühner. „Soll ich dir mal das Hühner-Buch zeigen, das ich zum Geburtstag geschenkt bekommen habe?“, fragt er mich begeistert und flitzt schon los zum Haus, um es zu holen.
Auch er ist durch ein YouTube-Video auf den Geschmack gekommen. Der Film über einen Jungen, der mit einem Lastenfahrrad herumfährt, um die Eier seiner Hühner zu verkaufen, hat ihn fasziniert. So ein Lastenfahrrad möchte er sich von seinem Eiergeld später auch einmal kaufen.
Menkers brachten einen alten Hühnerstall, der Jahrzehnte lang leer gestanden hatte, wieder auf Vordermann und setzten beispielsweise neue Sitzstangen ein. Bei der Wahl der Tiere spielte auch die Eierfarbe eine Rolle. „Wir haben Weiß-, Grün- und Schoko-Leger“, erzählt Anton stolz, der mittlerweile mit seinem Buch in der Hand zurückgekommen ist.
Anfangs waren es 15 Tiere. Mittlerweile sind es 57. Und dennoch ist die Eierkiste so manches Mal leer, wenn ein Kunde auf den Hof kommt. Anton hätte gerne noch weitere Hühner. „Welche, die blaue Eier legen können“, erzählt er begeistert. Doch die müsste die Familie aus Frankreich beziehen.
Bald professionell?
Wo das alles noch hinführen soll? Menkers wissen es selbst noch nicht so genau. Bislang sind das Gemüsefeld und die Eierkiste einfach zwei Projekte, die den Kindern viel Spaß bringen und ihnen Verantwortungsbewusstsein gelehrt haben.
In Rücksprache mit dem Steuerberater notieren die Eltern jeden Tag die Einnahmen und werden sie der Steuererklärung beifügen. Die Nachfrage, auch von Gastronomen, ist jedoch so groß, dass die Familie mit dem Gedanken spielt, die beiden neuen Standbeine professionell aufzubauen. Doch ob es dazu kommen wird, steht noch in den Sternen.